"Standard & Poor's verschont Belgien", titelt heute L'Echo. Dagegen ist "das französische Tripel A erstmal Geschichte", so die Schlagzeile von De Standaard. "Sarkozy verliert sein Tripel A", notiert De Morgen.
Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat gestern die Kreditwürdigkeit von gleich neun Euro-Ländern heruntergestuft. Allen voran verloren Frankreich und Österreich ihre Bestnote. Für den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ist das ein herber Rückschlag, meint L'Avenir in seinem Kommentar.
"Herzliches Beileid!"
Bis vor kurzem noch war Sarkozy so stolz auf das französische Tripel A. Er ließ sich gar mit den Worten zitieren: "Wenn wir das Tripel A verlieren, dann bin ich tot." Na dann: Herzliches Beileid, meint L'Avenir.
Hundert Tage vor der französischen Präsidentschaftswahl kommt die Entscheidung für Sarkozy wohl zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Dabei sollte man sich aber nicht allzu sehr in Schadenfreude suhlen. Diese Geschichte zeigt nämlich einmal mehr, wie schamlos die Rating-Agenturen inzwischen Politik machen, das politische Leben von Ländern direkt beeinflussen.
Belgien ist von der Entscheidung von Standard & Poor's nicht betroffen: Es bleibt erstmal beim Doppel A. Das heißt aber nicht, dass man sich hierzulande in Sicherheit wiegen darf, warnt L'Echo. Der Ausblick von Standard & Poor's für die belgische Bonität ist negativ. Sprich: Man behält sich eine Herabstufung innerhalb der nächsten Monate vor. Das bedeutet im Klartext: Die Regierung wird ihre Hausaufgaben machen müssen.
Belgien muss noch mehr sparen
Gestern wurde bekannt, dass der belgische Haushalt 2011 doch noch entgleist ist. Das Budget schloss mit einem Defizit von vier Prozent ab. Angepeilt waren 3,6 Prozent. Um das Haushaltsziel im laufenden Jahr einhalten zu können, werden also weitere Sparmaßnahmen nötig sein. "Die Regierung wird 2,3 Milliarden Euro finden müssen", rechnet in diesem Zusammenhang Gazet van Antwerpen vor. Wie man das bewerkstelligen will, das entscheidet sich bei der ersten Haushaltskontrolle, die für das letzte Februar-Wochenende anberaumt wurde.
Diese neue Sparrunde dürfte dann richtig wehtun, orakelt Gazet van Antwerpen. Nur zur Erinnerung: Der Haushalt 2012 umfasst schon jetzt Sparanstrengungen beziehungsweise neue Einkünfte mit einem Gesamtvolumen von enormen 11,3 Milliarden Euro. Alles was da jetzt noch oben drauf kommt, dürfte schmerzhaft werden und zudem für politische Unruhe sorgen.
Regierung muss geschlossener auftreten
Entsprechend sollte die Regierung denn auch schnellstens geschlossener auftreten als bisher. Vor allem die PS muss noch hinzu lernen. Alleingänge wie der von Magnette fallen jetzt auf Di Rupo zurück. Und apropos Di Rupo: Der kann auch nicht immer seine Vizepremiers vorschicken, sondern muss auch persönlich den Bürgern erklären, was dem Land möglicherweise noch blüht. Di Rupo ist ein Premierminister, kein Präsident.
Elio Di Rupo scheint das allerdings schon selbst verstanden zu haben. Le Soir etwa durfte ein ausgiebiges Interview mit dem Regierungschef führen, in dem Di Rupo darlegt, was seine Regierung tut und noch zu tun gedenkt. Seine Botschaft: Alle müssen ihren Beitrag leisten, um unser Modell zu erhalten.
Um die Bürger genau davon zu überzeugen, muss die Arbeit der Regierung aber noch besser werden, mahnt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Die Equipe Di Rupo muss geschlossener auftreten und besser kommunizieren. Mit der Kakofonie der letzten Tage muss Schluss sein. Alle sechs Regierungsparteien müssen an einem Strang ziehen. Ansonsten droht die Koalition zum Flickenteppich zu verkommen, droht eine Folge von Minikrisen. Die Regierung hat definitiv keine Zeit, um sich warm zu laufen.
"Schwarzgeldkanäle trockenlegen"
Einige Zeitungen picken einzelne Maßnahmen heraus, mit denen die Regierung das Schiff wieder auf Kurs bringen will. Wie etwa De Morgen auf seiner Titelseite berichtet, soll die Bekämpfung von Steuerhinterziehung weiter verschärft werden. Konkret: Künftig soll es verboten sein, Barzahlungen von über 5.000 Euro vorzunehmen. Höhere Beträge dürfen demnach nur noch per Überweisung oder per Bankkarte beglichen werden. Damit will man Schwarzgeld-Kanäle trocken legen.
Bislang lag die Obergrenze für Barzahlungen bei 15.000 Euro. Kommentierend meint De Morgen dazu: Das Geld diskret am Fiskus vorbei zu schleusen, ist hierzulande quasi Volkssport. Die belgische Steuergesetzgebung ist viel zu komplex, und es gibt entsprechend viele Hintertürchen. Den Weg zu besagten Hintertüren weisen unzählige Spezialisten-Kanzleien. Die Obergrenze für Barzahlungen herabzusetzen ist deshalb längst überfällig. Vielleicht kann man damit dafür sorgen, dass die Steuerschlupflöcher für einige Kategorien verschwinden und zugleich die Last für die Allgemeinheit abnimmt.
"Der Rentenreform fehlt die Grundlage"
Het Nieuwsblad kommt in seinem Kommentar auf die Rentenreform zurück, die Ende vergangenen Jahres im Eiltempo durchs Parlament gepeitscht worden war. Eine Anhebung des faktischen Renteneintrittsalters war in Belgien bitter nötig, konstatiert das Blatt. Der Belgier gehört zu den Europäern, die am frühesten in den Ruhestand gehen. Allerdings ist das Gesetz, das der Rentenreform zugrunde liegt, nur die halbe Miete.
In der Praxis fehlen die Voraussetzungen, um die Rentenreform in die Tat umzusetzen. Es bedarf etwa anderer Karrieremöglichkeiten als heute. Jeder, der über Jahrzehnte hinweg denselben Job macht, ist irgendwann mit Mitte Fünfzig ausgepowert. Das Gesetz zur Rentenreform ist eine Sache, in der Praxis fehlt aber noch eine solide Grundlage.
"Was ist Glück?"
Bei all diesen Meldungen über Krisen und Sparmaßnahmen stellt sich De Standaard heute auf seiner Titelseite eine fast schon philosophische Frage: "Können wir noch glücklich sein?". Mehr und mehr sind wir mit der Aussicht konfrontiert, dass es nur noch bergab gehen kann. Unser Wohlstand steht auf dem Spiel. Muss das bedeuten, dass wir dadurch unglücklicher werden?
Gegenfrage: Hat uns der materielle Fortschritt der letzten Jahrzehnte unterm Strich glücklicher gemacht?, fragt sich das Blatt. Wenn man ehrlich ist, dann muss man festhalten: Wir hatten es gut, aber haben es nicht gemerkt. Immer lauter werden also die Stimmen derjenigen, die glauben, dass wir mit weniger Reichtum glücklicher sein werden. Dabei darf man eins nicht vergessen: Messbar ist das alles nicht, das Empfinden von Glück ist individuell.
Drama in La Louvière
Die zwei flämischen Massenblätter Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad machen beide mit einer Tragödie auf: In La Louvière hat sich ein junges Mädchen in einem Krankenhaus selbst in Brand gesteckt. Sie konnte im letzten Moment von einer anderen Patientin gerettet werden, die die Szene beobachtet hat, und das Feuer dann gleich mit einer Decke gelöscht hat. Anscheinend war die 16-Jährige verzweifelt. Das Mädchen hat marokkanische Wurzeln und sollte anscheinend, nach Informationen von Het Nieuwsblad, zwangsverheiratet werden.
Bild: Justin Lane (epa)