"Magnette von Di Rupo zur Ordnung gerufen", titelt heute L'Avenir. "Di Rupo geht auf Abstand zu Magnette", meint De Morgen auf Seite eins. De Standaard spricht von "Kakophonie in der Regierung von Di Rupo". Mit seiner Kritik an der EU-Kommission hat der PS-Föderalminister Paul Magnette gestern einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
"Magnette attackiert Europa und setzt damit das Parlament in Brand", fasst es Le Soir zusammen. Magnette hatte ja der EU-Kommission neoliberale Tendenzen unterstellt und sich zudem die Frage gestellt, was die EU dazu legitimiert, den Mitgliedsstaaten ihre Sparpolitik aufzuzwingen. Auch aus der Mehrheit gab es daraufhin scharfe Kritik, die Liberalen etwa bezeichneten die Aussagen Magnettes als inakzeptabel. Premier Di Rupo reagierte mit einem Bekenntnis zu Europa und desavouierte damit seinen Parteikollegen.
Magnette-Kritik: Legitim oder populistisch?
Einzig die linksliberale flämische Zeitung De Morgen kann den Aussagen von Paul Magnette etwas abgewinnen. Die EU hat keinen Plan, konstatiert das Blatt in seinem Leitartikel. Und mit jedem Krisengipfel, bei dem die EU-Spitzen die Krise vorschnell für eingedämmt erklären, verliert Europa an Glaubwürdigkeit. Magnettes Kritik an der EU-Kommission ist zumindest teilweise legitim - dumm nur, dass Magnette den Bogen überspannt, indem er etwa die Kommission als simples Beratungsgremium verunglimpft. Durch seine unglückliche Wortwahl geht seine Botschaft verloren.
Viele andere Leitartikler sind demgegenüber auch mit dem Inhalt der Magnette-Kritik nicht einverstanden. Magnette verbreitet längst nicht nur Wahrheiten, meint etwa Le Soir. Zudem trägt der Vorstoß des PS-Hoffnungsträgers ganz deutlich demagogische Züge. Die EU an den Pranger zu stellen und zudem mal wieder zum Sündenbock zu stempeln ist inakzeptabel. In der Regel setzt die EU-Kommission nur Entscheidungen um, die von den Mitgliedsstaaten selbst beschlossen wurden. Außerdem kann man der Kommission nicht vorwerfen, etwa in Griechenland weggeschaut zu haben, und sie dann abschießen, wenn sie Belgien einmal Reformvorgaben macht.
Ähnlich sieht das Het Laatste Nieuws. Belgien gehört zu den Ländern, die den europäischen Integrationsprozess vorantreiben wollen. Für Magnette gilt das offensichtlich aber nur so lange, wie Sozialisten das Sagen haben. Magnette fehlt es an politischer Reife, er ist nicht mehr und nicht weniger als ein linker Populist.
Magnette = Mathot?
Die Geschichte zeigt zudem, dass innerhalb der Föderalregierung die Chemie noch nicht stimmt, hebt De Standaard hervor. Die Regierung Di Rupo ist noch kein richtiges Team, meint auch Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Gerade in den letzten Tagen hat sich mehrmals gezeigt, dass man sich in der Koalition noch nicht immer über die Richtung einig ist. Und auch die PS muss noch lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Früher verfügten die Sozialisten trotz Regierungsbeteiligung über einen gewissen Spielraum, um die wallonische sozialistische Basis zu bedienen. Jetzt ist es so: Lehnt sich ein PS-Politiker aus dem Fenster, dann muss Elio Di Rupo dafür den Kopf hinhalten.
Gazet van Antwerpen geht mit der PS hart ins Gericht. Wenn Magnette will, dass Europa einen linken Kurs fährt, dann muss er erst mal dafür sorgen, dass die Sozialdemokraten in den europäischen Ländern wieder an die Macht kommen. Magnette scheint indirekt dafür zu plädieren, weiter ungehemmt Schulden machen zu dürfen. Das erinnert an Guy Mathot, PS-Haushaltsminister in den 80er Jahren, der einmal gesagt hat: "Das Haushaltsloch ist von alleine gekommen, und es wird auch wieder von alleine verschwinden." Die Rechnung dafür zahlen wir bis heute.
Staatsreform und DG
Der flämische Ministerpräsident Kris Peeters erinnert derweil auf der Titelseite von Le Soir die Föderalregierung nachdrücklich daran, die Staatsreform nicht zu vergessen. Er wolle der Regierung Di Rupo zwar keinen bösen Willen unterstellen, doch verlange er, dass die beschlossenen institutionellen Reformen nun schnell auf den Weg gebracht werden, sagt Peeters. Vor allem die Spaltung von BHV müsse schnellstens Wirklichkeit werden.
Apropos Staatsreform: Die Wochenzeitschrift Le Vif-L'Express befasst sich heute mit der bizarren Sonderstellung der deutschsprachigen Abgeordneten im wallonischen Parlament. Die DG dürfte ja ihrerseits zudem bald wieder zusätzliche Befugnisse auch von der wallonischen Region übertragen bekommen. Damit wird das Wirklichkeit, was schon Johan Vande Lanotte vorschwebte: ein Belgien zu viert.
Missbrauchsskandal: Belgische Kirche ist Vorbild
Viele Zeitungen berichten heute über den jüngsten Vorstoß der belgischen katholischen Kirche, die jetzt einen Aktionsplan vorlegt zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch in ihren Reihen. Der beinhaltet ja auch eine finanzielle Entschädigung der Opfer. In diesem Zusammenhang hebt De Morgen auf Seite eins hervor, dass der Brügger Ex-Bischof Roger Vangheluwe nicht nur für diejenigen zur Verantwortung gezogen werden soll, die er selbst sexuell missbraucht hat, sondern darüber hinaus in einen Entschädigungsfonds einzahlen muss.
In ihrem Leitartikel lobt La Libre Belgique die Haltung der belgischen Kirche. Durch ihren offensiven und direkten Umgang mit dem Missbrauchsskandal kann die belgische Kirche als Beispiel dienen, vielleicht sogar für Rom.
Freitag der 13.
La Dernière Heure und L'Avenir heben heute hervor, dass die Belgier wegen der Krise verstärkt ihr Heil im Lotto-Spiel suchen. Bei der Nationallotterie jagt ein Rekord den nächsten. Das dürfte heute, an einem Freitag dem 13., nicht anders sein. Het Belang van Limburg gibt da einen Überblick über das, was Glück beziehungsweise Unglück bringt. Empfehlenswert ist zum Beispiel, vor dem Frühstück zu singen oder über die rechte Schulter den Vollmond anzublicken. Wer dagegen in der Wohnung einen Regenschirm aufspannt oder gar von Kohlköpfen träumt, der muss mit dem Schlimmsten rechnen.
Archivbild: Julien Warnand (belga)