"Belgien von Streik lahmgelegt", titelt das Grenz-Echo, und L'Avenir bringt die Headline "Mobilisierte Gewerkschaften, stillgelegtes Land". Allerdings wurde der Streikaufruf in Flandern deutlich weniger befolgt als in der Wallonie.
Entsprechend heißt es in Het Nieuwsblad: Der Streik macht wenig Eindruck. In Flandern waren die meisten Beamten an der Arbeit, lediglich der öffentliche Verkehr kam zum Erliegen. Die Regierung Di Rupo setzt jedenfalls ihre Rentenreform fort.
Diese Überzeugung prägt auch die Balkenüberschriften in Le Soir und La Dernière Heure. Ein Streik für nichts, so titelt Le Soir, denn die Pensionsreform wird dadurch mit Sicherheit nicht aufgehalten. La Dernière Heure bringt die gleiche Schlagzeile und fügt hinzu: Das ganze Land wurde lahmgelegt, doch es war umsonst, die Regierung bleibt in Sachen Renten auf dem eingeschlagenen Kurs.
Streik hatte nur Verlierer
Het Laatste Nieuws fordert die Gewerkschaften auf, jetzt Vernunft anzunehmen. Jedenfalls war es nicht vernünftig, angesichts der Pensionsreform gleich zur Streikwaffe zu greifen. Für die Gewerkschaften, die doch im Prinzip immer auf den Sozialdialog pochen, gehört sich das einfach nicht, zumal sie im Grunde wissen, dass die Reform der Renten in Belgien absolut unerlässlich ist. Und zwar nicht nur, um den belgischen Staatshaushalt zu sanieren, sondern letztlich auch um unseren Arbeitsmarkt attraktiver zu machen.
Gazet van Antwerpen schreibt zum gleichen Thema: Dieser Streik hatte nur Verlierer. In den nächsten Wochen wird es zwar einen Dialog zwischen Regierung und Gewerkschaften über die Durchführung der Rentenreform geben, doch wird dies nichts an den großen Leitlinien des Projektes ändern. Erstens kann Belgien sich das nicht leisten und zweitens würde die Regierung, wenn sie ihr Projekt grundlegend abändert, von Anfang an jegliche Autorität verlieren. Weiter stellt die Zeitung fest, dass die sozialistische Gewerkschaft weitere Aktionen angekündigt hat. Sie sollte sich das besser noch mal überlegen und bedenken, dass Aktionen wie der gestrige Streik den Steuerzahler teuer zu stehen kommen.
Die Renten müssen bezahlbar bleiben
Het Belang van Limburg findet, dass der Streik des öffentlichen Dienstes insofern sinnlos war, als die Regierung ganz einfach zur Rentenreform gezwungen ist, um das System auch für die Zukunft zu sichern. Folglich hat die Zeitung den Eindruck, dass die Gewerkschaften viel mehr mit sich selbst und den im kommenden Jahr anstehenden Sozialwahlen beschäftigt sind als mit dem Wohlergehen der Bürger.
La Libre Belgique schreibt ihrerseits: Nur durch die von der Regierung vorgesehenen Veränderungen bleibt das System bezahlbar. Natürlich haben die Gewerkschaften das Recht, im Rahmen einer sozialen Konzertierung ihre Meinung sagen zu können. Wenn sie sich jedoch weigern, ein System zu ändern, das auf der Basis einer Lebenserwartung von 75 Jahren ausgearbeitet wurde, während diese inzwischen fast bei 90 Jahren liegt, dann ist das ein Skandal. Dann nämlich würden die künftigen Generationen auf der Strecke bleiben, so schlussfolgert La Libre Belgique.
Im gleichen Kontext notiert Het Nieuwsblad: Die Gewerkschaften behaupten, dass sie von ihrer Basis zum gestrigen Streik gezwungen wurden. Wenn man sich jedoch die Lage genau anschaut, stellt man fest, dass dieses Argument nicht zutrifft. Zumindest in Flandern wurde in vielen öffentlichen Diensten überhaupt nicht gestreikt, und die Auswirkung auf das Funktionieren der Betriebe war vielfach nur minimal. Daraus kann man nur schlussfolgern, dass der Durchschnittsbelgier eine ausgeprägte politische Reife besitzt.
Die Gewerkschaften machen sich unbeliebt
La Dernière Heure glaubt zu wissen, dass sich die Gewerkschaften durch ihre gestrigen Aktionen bei einem Großteil der Bevölkerung äußerst unbeliebt gemacht haben. Natürlich haben sie das Recht, zum Streik auszurufen, doch andere, die arbeitswillig sind, durch Straßensperren zu hindern, ihren Arbeitsplatz zu erreichen, das ist ganz einfach unannehmbar.
Zum Schluss noch ein Blick auf De Standaard, der in seinem Kommentar die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen unseren Wünschen und unseren Möglichkeiten unter die Lupe nimmt. Das Verteidigen gewisser Errungenschaften, die nicht länger bezahlbar sind, und folglich die Zukunft beeinträchtigen, ist nicht legitim. Genau das tun jedoch zurzeit die Gewerkschaften, wenn sie an Dingen festhalten, die den jungen Generationen heute eine unzumutbare Last aufbürden und deren künftige Rente in Frage stellen. Deshalb gilt es jetzt, sich für Dinge zu entscheiden, die gerecht, durchführbar und vor allem bezahlbar sind.
Bild: belga