"Geschlossen! Belgien liegt heute still", titelt De Morgen. Der Streik im öffentlichen Dienst legt das Land so gut wie lahm. Keine Züge, keine Busse und Straßenbahnen, lange Staus auf den Straßen, keine Post, nur Notbesetzung in öffentlichen Krankenhäusern und Schulen, Ämter und Verwaltungen geschlossen.
L'Avenir schreibt auf Seite eins: Die Gewerkschaften sind fest entschlossen, gegen die Rentenreform der Regierung zu protestieren. Das Kabinett hält aber an seinen Plänen fest, bemerkt Le Soir auf seiner Titelseite.
Gespaltenes Land
Het Belang van Limburg schreibt: Der Streik spaltet das Land. Nur rund die Hälfte der Bevölkerung unterstützt die Protestaktion - in Flandern sogar lediglich ein Drittel. Dazu notiert Het Nieuwsblad: Die Gewerkschaften hoffen, dass jeder dritte Beamte den Streik heute befolgt. Das wären knapp 250.000 Menschen.
Der Ärger der Gewerkschaften ist groß, schreibt Het Laatste Nieuws. Vor allem die kompromisslose Art und Weise, mit der der zuständige Minister Vincent Van Quickenborne die Reformen angepackt hat, sorgt für Verstimmung. Das geht sogar so weit, dass die Gewerkschaften die Zugangsstraßen zur Hauptstadt Brüssel blockieren wollen, damit die Abgeordneten die Rentenreform im Parlament heute nicht verabschieden können.
Wollen Gewerkschaften grundsätzlich keine Reformen?
In diesem Zusammenhang meint Het Belang van Limburg: Van Quickenborne hat Fehler gemacht. Die Regierung steht vor einer kolossalen Aufgabe. Belgiens Reichtum basiert seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem sozialen Dialog zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Regierung. Das muss das Kabinett auch in Zukunft garantieren und bei gleich welcher Reform die Sozialpartner einbinden.
Ähnlich sieht es das Grenz-Echo, wenn es schreibt: Die Gewerkschaften mögen Recht haben, wenn sie sozialen Dialog einfordern und sich übergangen fühlen. Aber sie müssen sich auch die Frage gefallen lassen, ob man das Chaos mit einer größeren Dialogbereitschaft wirklich hätte vermeiden können. Oder, fragt die Zeitung, sind die Gewerkschaften vielleicht grundsätzlich dagegen, wenn tiefgreifende Reformen anstehen?
De Morgen stellt fest: Die Gewerkschaften argumentieren allein im Sinne der Generation 50-Plus. Vorzeitige Pensionierungen soll es weiterhin geben. Dass sie die Renten der U-30-Generation damit gleichzeitig aber in Gefahr bringen, vergessen die Arbeitnehmervertreter offenbar.
Streik bis Weihnachten?
Auch La Libre Belgique äußert sich kritisch. Der Streik kann der Bevölkerung zwar dabei helfen, ihrem Ärger Luft zu machen. Aber die Streikwelle ist das falsche Signal. Nicht zu tolerieren ist das, was in den beiden letzten Tagen in der Wallonie passiert ist: wilde Streikaktionen bei der Bahn. Der wallonische Flügel der SNCB hat sich mal wieder von seiner denkbar schlechtesten Seite gezeigt und sich damit erneut selbst ins Knie geschossen.
La Dernière Heure befürchtet sogar: Der Streik könnte noch weitergehen. Noch bis Weihnachten sind im öffentlichen Dienst vereinzelt Protestaktionen möglich. Das Blatt kann den Zorn der Gewerkschaften nachvollziehen. Natürlich müssen wir unser Rentensystem reformieren, aber nicht so. Problematisch sind vor allem die Reformtexte. Der Inhalt ist umstritten und teilweise nicht ganz klar.
Rentenreform juristisch angreifbar
Das sieht auch der Staatsrat so, berichtet De Standaard auf seiner Titelseite. Die Rentenreform der Regierung Di Rupo ist juristisch angreifbar. Um seine Pläne durchzuführen, bräuchte das Kabinett eine Art Vollmacht vom Parlament. Außerdem sind einige Punkte nicht deutlich genug formuliert. Die Reform steht damit auf wackeligen Beinen.
Le Soir notiert: Die Kritik des Staatsrats nimmt die Regierung ernst. Aber sie will weitermachen. Heute soll das entsprechende Gesetz vom Parlament verabschiedet werden. Zugleich hofft das Team um Di Rupo darauf, dass die Protestwelle über die Weihnachtstage abschwächt.
Im Gespräch mit De Morgen erklärt Minister Van Quickenborne noch einmal: Zur Rentenreform gibt es keine Alternative. Belgien muss handeln, und zwar so schnell wie möglich.
Winterdienste aufgerüstet
Nach den ersten Schneefällen in Ostbelgien und den Ardennen stellt L'Avenir fest: Das Chaos vom vergangenen Winter ist bislang ausgeblieben. Offenbar haben die Kommunen die Lehren aus den Problemen der letzten Jahre gezogen. 75 Prozent der wallonischen Städte und Gemeinde haben ihre Winterdienste besser ausgerüstet als in den Jahren zuvor. Oft gibt es mehr Streugut, aber zum Teil auch mehr Personal und neue Einsatzfahrzeuge. Wallonieweit zählt der Winterdienst 4000 Mitarbeiter. Damit der Dienst einwandfrei funktioniert, müssten allerdings bis zu acht Mal mehr Mittel zur Verfügung stehen.
Briefträger wegen Diebstahls entlassen
Het Laatste Nieuws berichtet über die fristloste Entlassung von 25 Mitarbeitern bei Bpost. Die Briefträger hatten Rabatt-Gutscheine einer großen Supermarktkette aus der Post gestohlen. Der Diebstahl war der Kette aufgefallen, weil die Briefträger auffallend oft mit den Rabatt-Marken bezahlten. Der Schaden sei zwar sehr gering, erklärt Bpost. Es handele sich nur um ein paar Euro. Doch die Post bleibt dabei: Diebstahl bleibt Diebstahl.
Bild: Geertje De Waegeneer (belga)