wie die Regierung die Reform im Eilverfahren durchbringen will. Weitere Themen sind die Folgen des Lütticher Amoklaufs, die Löhne in Belgien und die Hygienebedingungen auf Weihnachtsmärkten.
"Wilde Streiks im Anmarsch", titelt heute De Morgen. "Dem neuen Pensionsminister Van Quickenborne bläst der Wind ins Gesicht", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Van Quickenborne hat gestern buchstäblich ins Wespennest gestochen. Nach gerade einmal zehn Tagen im Amt legte der neue Pensionsminister seine Rentenreform vor. Die soll nach seinem Willen noch vor Ende des Jahres durchs Parlament gepeitscht werden. Die Gewerkschaften sind vor diesem Hintergrund buchstäblich an die Decke gegangen. Erstens wegen des Inhalts: Grob zusammengefasst werden wir alle länger arbeiten müssen, Laufbahnunterbrechungen beziehungsweise Arbeitslosigkeit führen zu niedrigeren Renten. Und zweitens wegen der Form: Die Regierung negiere den sozialen Dialog.
Schon in der kommenden Woche sind deshalb Streikaktionen nicht auszuschließen, schreibt De Morgen auf Seite eins. Gewerkschaftsbosse warnen: Wir verlieren die Kontrolle über die Basis. De Standaard warnt denn auch von einem "drohenden Krieg um die Renten". L'Avenir spricht seinerseits von der "schlimmsten Rentenreform seit 30 Jahren".
Rentenreform - Konfrontation statt Dialog
Die Leitartikler sind in diesem Zusammenhang durchaus unterschiedlicher Meinung. De Standaard etwa übt harsche Kritik an der Haltung aller Beteiligten. Auf der einen Seite Pensionsminister Van Quickenborne, der sich hier in billigen Muskelspielchen übt. Auf der anderen Seite die Gewerkschaften, die quasi reflexartig reagieren und sich mit Händen und Füßen an den bisherigen Errungenschaften festklammern. Im Augenblick sieht es so aus, als ziehe man die Kontrontation dem Dialog vor. Das allerdings hat noch nie zum Erfolg geführt. Die Debatte über die Rentenreform hat denkbar schlecht begonnen.
L'Avenir sieht das ähnlich. Der frisch gebackene Pensionsminister Van Quickenborne gibt Vollgas und ist dabei sogleich in die Radarfalle der Gewerkschaften gefahren. Die Regierung ist kaum zehn Tage im Amt, da brodelt es schon an der Sozialfront. Na das kann ja heiter werden! Beide Seiten scheinen sich für ein ultimatives Kräftemessen zu rüsten. Die Zeche werden wohl diejenigen zahlen müssen, die das Opfer der drohenden Sozialkonflikte werden. Im Sinne der Stabilität des Landes hätte man sich ein bisschen mehr Dialogbereitschaft gewünscht.
"Es geht nicht anders"
Andere Zeitungen sind da pragmatischer. Zwar ist der Widerstand der Gewerkschaften verständlich, meint etwa Gazet van Antwerpen. Doch wir haben keine andere Wahl. Die Beschäftigungsrate der über 50-Jährigen ist in Belgien unverhältnismäßig niedrig. Die soziale Sicherheit kann nur gerettet werden, wenn man diesen Zustand ändert. Das sollten auch die Gewerkschaften einsehen. Wir müssen länger arbeiten. Allerdings muss das für alle gelten, es darf keine Ausnahmen geben, nicht für SNCB-Personal, nicht für Armee-Angehörige oder Polizisten und auch nicht für Politiker.
Die Regierung will augenscheinlich nicht zaudern, sondern handeln, meint La Libre Belgique. Dies auf die Gefahr hin, dass sich die Gemüter erhitzen. Kann man der Regierung das vorwerfen? Die Antwort lautet: Nein. Angesichts aller finanziellen und haushaltspolitischen Zwänge ist Eile geboten. Das belgische Sozialsystem muss fit für die Zukunft gemacht werden. Wer das Gegenteil behauptet, der glaubt an den Weihnachtsmann. Die Regierung Di Rupo wird an ihren Ergebnissen gemessen werden. Und niemand weiß das besser, als Di Rupo selbst.
Regierung will Ergebnisse
Di Rupo steht schon jetzt alles andere als mit leeren Händen da, lobt auch Het Laatste Nieuws. Von "Mäuseschritten" kann keine Rede sein, konstatiert das Blatt in Anspielung auf einen Vorwurf der N-VA. Die Regierung gibt Vollgas, schaltet den Turbo ein und hat auch allen Grund dazu. Und im Grunde setzt sie ja nur das Koalitionsabkommen um. Die Gewerkschaften sollten wissen, dass es hier so gut wie keinen Verhandlungsspielraum gibt.
Die Regierung steht wie ein Mann hinter Van Quickenborne, bemerkt auch De Morgen. Trotz der Proteste der Gewerkschaften scheinen Christdemokraten, Liberale und Sozialisten fest entschlossen zu sein, das Land innerhalb der noch verbleibenden zweieinhalb Jahre gründlich zu verändern. Entscheidend wird dabei aber der Praxistest sein: Wenn die Menschen länger arbeiten sollen, dann müssen auf der anderen Seite auch die Arbeitgeber dazu bereit sein, 55- oder 60-Jährige weiter zu beschäftigen.
Het Nieuwsblad macht die heutige Zeit mit ihren Herausforderungen nachdenklich. Welche Perspektiven stellen sich für die junge Generation? Junge Leute müssen davon ausgehen, dass sie es nicht so gut haben werden, wie ihre Vorgänger. Wovon können sie noch träumen? Zumal das Vertrauen in die Entscheidungsträger schwindet: Politiker, Banker, Gewerkschaften, Technokraten, Kirchenführer: Sie alle sind von ihrem hohen Ross gefallen. Das Vertrauen in die Eliten muss wiederhergestellt werden. Aber aufzugeben wäre wohl die denkbar schlechteste Antwort auf die aktuellen Krisen.
Nach dem Amoklauf von Lüttich
Vor allem die frankophonen Blätter berichten heute über die ersten Trauerfeiern für die Opfer des Amoklaufes von Lüttich. "Abschied von Mehdi Nathan Belhadj", so etwa die Schlagzeile von Le Soir und La Dernière Heure.
Im Zusammenhang mit der Wahnsinnstat von Dienstag lässt die Aufmachergeschichte von De Standaard aufhorchen. Demnach hat der illegale Waffenhandel hierzulande stark zugenommen. Seit der Verschärfung des Waffengesetzes im Jahr 2006 ist die Zahl der verbotenen Waffen in Belgien nur noch angestiegen. Das Blatt spricht von einer Vervierfachung innerhalb der letzten zehn Jahre.
Überqualifiziert arm
Le Soir bringt heute die Schlagzeile, dass mehr als ein Fünftel aller Arbeitskräfte in Belgien überqualifiziert ist. 22 Prozent der Menschen haben einen Abschluss, der auf einem höheren Niveau liegt, als für ihren Job vorausgesetzt. Die Folge ist auch: Es gibt immer mehr "arme Arbeitnehmer", also Menschen, die trotz der Tatsache, dass sie einen Arbeitsplatz haben, unter der Armutsgrenze leben.
L'Echo veröffentlich heute eine Studie, die in dieselbe Richtung geht: Die Löhne in Belgien sind im internationalen Vergleich eher niedrig. Die Nettolöhne, wohlgemerkt. Demgegenüber gehören die Lohnnebenkosten zu den höchsten der Welt.
Gazet van Antwerpen schließlich bringt auf Seite eins die Meldung, dass die Lebensmittelsicherheit auf Weihnachtsmärkten zu wünschen übrig lässt. Demnach ist bei Inspektionen der Gesundheitsbehörden ein Drittel der Ess- und Trinkstände wegen Hygienemängel durchgefallen. Ab jetzt sollen also die Kontrollen verschärft werden.
Bild: Eric Lalmand (belga)