Auf fast allen Titelseiten ist das traditionelle Gruppenfoto zu sehen: König Albert und die Mitglieder der neuen Regierung von Elio Di Rupo. "14 Glücksminuten", schreibt Le Soir auf Seite 1 und fügt hinzu: Die Freude von König Albert war während der ganzen Vereidigungszeremonie spürbar.
Auch Het Laatste Nieuws bemerkt: Der König war zum Scherzen aufgelegt und hatte für jeden neuen Minister einen flotten Spruch parat. Die längste politische Krise des Landes ist beendet. Belgien hat wieder eine Regierung.
Nach Ansicht von Gazet van Antwerpen hat Albert II. daran fleißig mitgearbeitet. Johan Vande Lanotte, Wouter Beke aber vor allem Elio Di Rupo haben alle Zeit der Welt bekommen, um "ihr Ding" durchzuziehen. Bart De Wever hingegen hatte nur zehn Tage Zeit, danach wurde seine Mission für gescheitert erklärt. Auch die taktischen Spiele von Di Rupo hat der König mitgemacht, brach sogar seinen Urlaub in Südfrankreich ab. Erst daraufhin wurde die Einigung möglich, konstatiert das Blatt.
"Mit neuer Lebenskraft an die Sache"
La Libre Belgique gibt sich optimistisch. Den wichtigsten Politikern des Landes war die Erleichterung gestern buchstäblich ins Gesicht geschrieben. So als würden sie mit neuer Lebenskraft antreten und dem festen Willen, ihr ramponiertes Land wiederaufzurichten, es zu stabilisieren und es auf den Weg des Aufschwungs zurück zu führen. Diese positive Atmosphäre sollte das Regierungsteam jetzt nutzen, um auch den Bürgern ihr verlorenes Vertrauen in die Politik wieder zu geben.
Le Soir fügt hinzu: Schauen Sie sich das Gruppenfoto ganz genau an. Was sofort auffällt, ist das, was fehlt. Hinter jedem Minister, hinter dieser Schwarz-Gelb-Roten Titanic, steckt die angsteinflößende N-VA. Jeder Partei der Koalition ist bewusst: Wenn sie die Regierung Di Rupo zum Stürzen bringt, werden die flämischen Nationalisten und ihre Wähler zuschlagen. Die Herausforderung ist kolossal, fast unmöglich, bemerkt die Zeitung.
Schwierige Aufgabe und nur 30 Monate
Gazet van Antwerpen zählt die wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung auf: die Wirtschaftskrise, die sechste Staatsreform, der Kampf gegen Steuerhinterziehung, der Atomausstieg, Einsparungen im Gesundheitswesen, eine Lösung der Asylkrise und die Modernisierung der Justiz. Und das alles in nur 30 Monaten.
De Standaard ist überzeugt: Elio Di Rupo steht heute seine Feuertaufe bevor. Im Parlament wird er erklären müssen, wie die Regierung die nächsten Wochen und Monate angeht. In der Wallonie und Brüssel vertraut man Di Rupo bereits. In Flandern allerdings wird er noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Seine gestern Abend im flämischen Privatfernsehen gestartete Charmeoffensive wird bei weitem nicht ausreichen. Elio Di Rupo wird sich in die Flamen hineindenken und Entscheidungen treffen müssen, die im Norden des Landes auf Gegenliebe stoßen. Er wird sich zeitweise mehr mit der flämischen Situation, den flämischen Wählern und der flämischen Opposition beschäftigen müssen als mit seinen eigenen Anhängern. Besonders erfreulich ist das nicht, notiert De Standaard, aber notwendig, will Di Rupo Premierminister bleiben.
Maggie De Block legt Fehlstart hin
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit der Kabinettszusammensetzung. Het Nieuwsblad bedauert, dass der neuen Regierung nur sechs Frauen angehören. Das ist herzlich wenig. Besonders wenn man weiß, dass diese Politiker zugleich eine Frauenquote in der Chefetage großer Unternehmen fordern. Auch die Wahl der Frauen im Regierungsteam wirft Fragen auf. Beispiel: Maggie De Block, die neue Staatssekretärin für Einwanderung und Asyl. Sie hat gestern einen echten Fehlstart hingelegt, indem sie gleich in ihrem ersten Interview erklärte, sie habe keine Ahnung von den Akten, mit denen sie jetzt vertraut wurde. Sie brauche noch etwas Zeit, fügte die langjährige Open-Vld-Abgeordnete hinzu.
Auch De Morgen fragt sich: Gab es nach 541 Tagen und zahlreichen Erklärungen über die Wichtigkeit der Themenfelder Asyl und Einwanderung wirklich keine bessere Wahl für den Posten als Maggie De Block? Die Entscheidung darüber liegt bei den Parteivorsitzenden. Sie allein beschließen, wer ein Ministeramt wahrnehmen darf und wer nicht.
Karl-Heinz Lambertz nicht dabei
Das Grenz-Echo stellt fest, dass der deutschsprachige Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz der neuen Regierung dann doch nicht angehört. Einige hatten einen ostbelgischen Minister ins Spiel gebracht, um den Sprachenstreit um Elio Di Rupo zu lösen. Wäre Lambertz in das Kabinett berufen worden, so wäre das für ihn selber, aber auch für die Deutschsprachige Gemeinschaft eine Chance gewesen. Die Fähigkeiten dazu hätte er allemal, notiert das Blatt. Außerdem hätte sich die Deutschsprachige Gemeinschaft aus der Umklammerung durch ihren allmächtigen "Landesvater" lösen können. Denn zurzeit bleibt den anderen - Kritikern wie Mitstreitern - bei so viel "Besessenheit" kaum noch Luft zum Atmen.
Banken wollen Kunden zur Kasse bieten
De Morgen merkt auf seiner Titelseite an: Die Banken lassen die Kunden für die Krise bezahlen. Nach Recherchen der Zeitung bekommen die Sparer in Kürze die Rechnung präsentiert. Offenbar denken einige Finanzhäuser darüber nach, den Zinssatz auf Sparkonten noch weiter zu senken. Außerdem werden Kredite teurer und das Abwickeln von Bankgeschäften im Internet soll kostenpflichtig werden.
Bild: Dirk Waem (belga)