"Endlich geschafft", titelt De Standaard. "Eine Regierung nach 541 Tagen", meint Le Soir. Und Gazet van Antwerpen schreibt auf Seite 1, "Eine Regierung zum Nikolaus-Tag". Alle Zeitungen stellen das neue Regierungsteam von Elio Di Rupo ausführlich vor.
De Standaard fasst das Kabinett auf seiner Titelseite in Zahlen zusammen: 13 Minister und sechs Staatssekretäre, zehn Flamen und neun Französischsprachige, 13 Männer und sechs Frauen, zwölf Altgediente und sieben neue Gesichter. 540 Tage verhandelt und jetzt noch 915 Tage zu regieren. Heute Nachmittag wird das neue Kabinett von König Albert auf Schloss Laeken vereidigt. "An die Arbeit", meint Het Belang van Limburg in seiner Schlagzeile.
Überflüssige Staatssekretäre?
Die neue Regierung fällt mit insgesamt 19 Mitgliedern kleiner aus als die Equipe von Yves Leterme, stellt Het Nieuwsblad fest. Dennoch gibt es noch immer sechs Staatssekretäre. Darauf hätte Di Rupo verzichten sollen, findet das Blatt. Denn Staatssekretäre kosten nur geringfügig weniger als Minister und sie sind nur für das Gleichgewicht zwischen Parteien und Sprachengruppen innerhalb des Kabinetts erforderlich. Het Nieuwsblad ist überzeugt: Von der Hälfte der Staatssekretäre werden wir nach ihrer Vereidigung heute kein Wort mehr hören.
Für Gazet van Antwerpen geht die Verteilung der Ministerämter mehr oder weniger in Ordnung. Didier Reynders ist nicht mehr Finanzminister. Das ist eine gute Neuigkeit, findet die Zeitung. Nach zwölf Jahren an der Spitze des Finanzministeriums kann er jetzt seinen Unfug im Ausland treiben. Reynders wird Außenminister. Die Diplomaten jedenfalls haben jetzt schon feuchte Hände, ist das Blatt überzeugt.
Zu wenig neue Gesichter?
Het Laatste Nieuws hat nachgerechnet: Das Regierungsteam zählt sieben neue Gesichter. Außer Elio Di Rupo kommen alle Neulinge aus Flandern. Der flämische Drang zur Erneuerung steht damit im Kontrast zum wallonischen Bestreben nach Kontinuität. La Libre Belgique ist enttäuscht: Di Rupos Mannschaft gleicht bis auf wenige Ausnahmen der Mannschaft von Yves Leterme.
Die Zeitung kann das nicht nachvollziehen: Die Belgier hatten doch bei der letzten Wahl ihren Wunsch zur Veränderung zum Ausdruck gebracht. Ähnlich sieht es De Standaard: Nach 541 Tagen steht die neue Regierung und was müssen wir feststellen? Sie ist von der scheidenden Regierung kaum zu unterscheiden. Während 541 Tagen haben die Verhandlungsführer Tag und Nacht um eine Einigung gerungen und jetzt zieht die Karawane weiter? Mit alten Hasen. Das ist die große Ernüchterung.
Le Soir bewertet das anders: In diesen Krisenzeiten muss Belgien auf erfahrene Politiker zurückgreifen können. Die Zeit drängt. Zweieinhalb Jahre ist eine sehr kurze Zeit, um die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen, unser Sozialsystem an die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts anzupassen und die Staatsreform umzusetzen.
Di Rupos Aufgabe wird keine leichte
Auch Di Rupo wird seine Arbeitsweise überdenken müssen, findet Le Soir. Wenn er für jede wichtige Entscheidung stundenlang verhandeln muss, ist das Scheitern schon jetzt vorprogrammiert.
Auch L'Avenir ist überzeugt: Di Rupos Aufgabe ist keine leichte. Belgien ist einer Implosion nur knapp entgangen. Das bedeutet aber weder Stabilität, noch Heiterkeit für die Zukunft. Die letzten 18 Monate haben es bewiesen: Der Kampf wird hart. Und das bis zum letzten Tag der Legislaturperiode. Trotzdem haben die Zeitungen viel Bewunderung für Elio Di Rupo.
Het Laatste Nieuws bemerkt: Er hat es geschafft ein Abkommen auf die Beine zu stellen. Der 60-Jährige hat dabei eine scheinbar unendliche Geduld an den Tag gelegt. Viel wichtiger aber ist, findet das Blatt, Di Rupo verwirklicht den belgischen Traum - das Gegenstück zum "American Dream".
Di Rupos belgischer Traum
Als Sohn eines italienischen Einwanderers in einer Holzbaracke in der Wallonie geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen hat er es bis an die Spitze des Landes geschafft. Das muss allen neuen Belgiern Hoffnung geben, dass auch ihre Kinder eines Tages vor dem König den Eid als Premierminister ablegen. De Morgen bemerkt in diesem Zusammenhang: Während man sich in Flandern Gedanken über Di Rupos Niederländisch macht, schaut der Rest der Welt auf die beeindruckende Vita unseres neuen Regierungschefs. Der Sohn eines Einwanderers, ein Selfmademan, schwul. Natürlich ist Di Rupo nicht Barack Obama aber trotzdem kann jeder Belgier ein bisschen stolz sein auf die Lebensgeschichte des neuen Premierministers.
"Veel Geluk, Meneer Di Rupo!"
Nach Ansicht von La Dernière Heure muss Di Rupo seinem Team jetzt Zusammenhalt geben. Lust zu regieren. Gegenseitigen Respekt und Begeisterung. Für sich selbst und für die Bevölkerung, die in den vergangenen 540 Tagen so oft vernachlässigt wurde. Auf Niederländisch titelt die französischsprachige Zeitung "Veel Geluk, Meneer Di Rupo!".
Haare ab!
Die Regierung steht, der Bart kann ab. Der flämische Radiomoderator Koen Fillet hat sich gestern seine Haarpracht aus dem Gesicht entfernen lassen. Aus Protest gegen die schleppenden Regierungsverhandlungen hatte er sich nicht mehr rasiert - fast ein ganzes Jahr lang. Vor der internationalen Presse erklärte der glattrasierte Fillet: "Ich werde meinen Protestbart nicht vermissen".
Archivbild: Bruno Fahy (belga)