"Ein Warnschuss für die Regierung", schreibt L'Avenir auf seiner Titelseite. "Noch nicht im Amt und schon unter Druck", meint L'Echo und Le Soir zitiert die Gewerkschaften auf Seite 1: "Wir steuern auf eine große Sozialkrise zu".
Die drei großen Gewerkschaften des Landes haben ihre Anhänger mobilisiert und werden heute in Brüssel demonstrieren. Nach Angaben von La Libre Belgique werden über 50.000 Teilnehmer erwartet.
Sie wollen ihre Verärgerung über das Sparpaket der neuen Di Rupo-Regierung zum Ausdruck bringen. Die Maßnahmen seien unausgewogen und würden die Bevölkerung mit voller Härte treffen.
Unter anderem in Le Soir kommen Sprecher der christlichen, sozialistischen und liberalen Gewerkschaften ausführlich zu Wort. Sie beklagen unter anderem, dass Frühverrentungen erschwert werden, das Arbeitslosengeld schneller gekürzt wird, Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut werden und dass im Gesundheitswesen gespart wird. Die Verärgerung ist nachvollziehbar, findet Le Soir. Schließlich ist der Sparplan der Regierung umfangreich und es droht ein Rückgang der Wirtschaft. Dass die Gewerkschaften durch die Straßen ziehen und ihrem Ärger Luft machen, ist durchaus legitim.
Hat der Protestmarsch einen Sinn?
Allerdings wirft der Zeitplan viele Fragen auf. Was soll die Großdemo noch bringen, jetzt wo das Sparpaket schon geschnürt ist? Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg können den Protestmarsch überhaupt nicht nachvollziehen. Sie sprechen sogar von einer unnötigen Demonstration. Gewerkschaften und Arbeitgeber stehen sich erneut mit gezückten Messern direkt gegenüber. Viele Menschen bekommen hierzulande ein Einkommen vom Staat, ohne dafür arbeiten zu müssen. Um die Vergreisung der Gesellschaft finanzieren zu können, müssen jedoch mehr Menschen als bisher arbeiten. Auch das ist Solidarität.
Es wird Zeit, dass die Gewerkschaften wieder die Vertreter der arbeitenden Bevölkerung werden, schreibt Het Belang van Limburg. Auch Het Laatste Nieuws übt scharfe Kritik an den Arbeitnehmervertretungen. Die Gewerkschaften sollten froh sein, dass das Sparpaket nicht noch drastischer ausfällt. Unser Sozialsystem wird fast uneingeschränkt beibehalten. In anderen Ländern sieht das zurzeit ganz anders aus, hält das Blatt fest.
De Morgen konstatiert: Die Gewerkschaften müssen einsehen, dass sie auch innerhalb der Bevölkerung auf immer mehr Unverständnis stoßen. Sie werden in erster Linie wahrgenommen als Organisationen, die gegen etwas sind. Gegen Abkommen. Gegen Kompromisse. Und gegen Reformen. Sie sollten sich neu aufstellen, damit sie in der Öffentlichkeit wieder als positive Kräfte wahrgenommen werden. Für die Rechte von Arbeitnehmern und für Menschen, die mit weniger auskommen müssen.
Lob zum Abschied von Yves Leterme
Alle Zeitungen kommen auf den Abschied von Yves Leterme gestern im Parlament zurück. "Applaus für den scheidenden Premierminister", titelt unter anderem L'Echo. Viel Lob für den kommissarischen Premier gibt es in Het Laatste Nieuws: In den vergangenen 18 Monaten hat Leterme gezeigt, dass er ein guter Premier hätte sein können - auch unter normalen Umständen. 2007 allerdings stand Leterme zu sehr unter Druck. Sein großer Wahlerfolg und die flämischen Nationalisten, die er zuerst zu sich geholt hatte und dann nicht mehr loswurde, haben ihn damals zum Scheitern gebracht.
Auch Het Nieuwsblad stellt fest: In seiner Zeit als geschäftsführender Regierungschef war Yves Leterme erfolgreicher, effizienter und beliebter als in seiner Zeit als vollwertiger Premierminister. Dank ihm hat Belgien das schwarze Kapitel der politischen Dauerkrise relativ glimpflich überstanden. Leterme ist ebenfalls zu verdanken, dass wir heute keine Griechen sind, findet die Zeitung. Er war es, der uns vor den katastrophalen Krisenzuständen bewahrt hat.
Überraschungen, die das Sparpaket mit sich bringt
De Standaard und Le Soir beschäftigen sich mit weiteren Überraschungen aus dem Sparpaket der sechs Parteien. Durch die Einsparungen im Gesundheitswesen werden der Arztbesuch und die medizinische Versorgung ab Januar mit großer Wahrscheinlichkeit teurer. Der Patient wird mehr bezahlen müssen, fasst Le Soir zusammen.
Auch De Standaard hält fest: Wer geglaubt hat, dass wir die Sparmaßnahmen kaum spüren werden, hat sich getäuscht. Die neue Regierung Di Rupo kürzt nämlich ebenfalls die Steuervergünstigungen auf Hypotheken. Der sogenannte Wohnbonus wird weniger vorteilhaft. Wer mehr als 38.000 Euro brutto im Jahr verdient, verliert durch die Sparmaßnahme. Außerdem werden die steuerlichen Vorteile für Pensionssparen und Kinderbetreuung eingeschränkt. Nach Berechnungen der Zeitung kann das für einen Mittelklasse-Haushalt locker 400 Euro jährlich ausmachen.
Der Prinz und die Medien
In Het Nieuwsblad reagiert Prinz Laurent auf die RTBF-Reportage über ihn. Der Prinz war darin als geizig und habgierig porträtiert worden. Außerdem soll er sich gewalttätig gegenüber Frauen gezeigt haben. In der Zeitung erklärt Laurent, der Film sei das Werk eines frustrierten und unterbezahlten Journalisten.
Bild: Eric Lalmand (belga)