"Der Weg für eine Regierung Di Rupo I ist frei", titelt heute La Libre Belgique. L'Echo hebt auf Seite 1 vor allem eine Zahl hervor: 535. 535 Tage und 21 Stunden hat es gedauert, bis endlich ein Koalitionsabkommen stand. La Dernière Heure nennt das Ereignis "historisch". Läuft alles nach Plan, dann könnte die neue Regierung am Montag vereidigt werden.
"Habemus Koalitionsabkommen", freut sich Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel und die neue Regierung gibt sich ein beeindruckendes Arbeitsprogramm. Sehr zum Leidwesen der N-VA, die außen vor bleibt. BHV ist gespalten, es gibt eine neue Staatsreform, ein neues Finanzierungsgesetz, ein Drei-Jahres-Haushalt und Strukturreformen. Noch vor einem halben Jahr hätte man das nicht für möglich gehalten.
Grüner Ärger über Haushalt
Doch hängt bereits ein dunkler Schatten über der neuen Regierung, konstatiert Gazet van Antwerpen. Tatsächlich drohen ja die beiden Grünen Parteien damit, die Staatsreform möglicherweise doch nicht mitzutragen. Ecolo und Groen! sind enttäuscht von einigen Haushaltsentscheidungen. So soll ja ein Großteil der Anreize für energiesparende Maßnahmen gestrichen werden. Die Grünen können mit ihrer Drohung eine Bombe unter der Regierung Di Rupo I platzieren: Di Rupo & Co. werden damit zu Geiseln der Grünen. Keine schönen Aussichten?
Het Nieuwsblad kann die Verärgerung der Grünen nachvollziehen. Es ist bezeichnend, dass die künftige Regierung die Firmenwagen quasi unangetastet lässt, dafür aber sämtliche grüne Maßnahmen geräuschlos entsorgt. Hört man sie reden, dann sind alle Parteien mehr oder weniger grün. Es wäre aber vielleicht an der Zeit, dass sie das auch mal in der Praxis beweisen.
Auch De Morgen befasst sich in seinem Leitartikel mit dem Thema Firmenwagen. Firmenwagen bleiben fester Bestandteil der belgischen Wirtschaftslandschaft. An die Mobilitätsproblematik denkt da aber offensichtlich niemand. Je mehr Firmenautos unterwegs sind, umso mehr Geld fließt über Akzisen auf Treibstoff in die Staatskasse. Das wir zugleich kurz vor dem Verkehrskollaps stehen, ist den Parteien offensichtlich egal.
Großdemo spaltet das Land
Apropos Stau: Gazet van Antwerpen warnt für morgen vor einem Verkehrschaos, insbesondere in und um Brüssel. Hintergrund ist die angekündigte Großdemo der Gewerkschaften gegen den Sparhaushalt der künftigen Regierung. Die Veranstalter rechnen mit 50.000 Teilnehmern, notiert etwa La Dernière Heure.
Allerdings: "Die Protestaktion spaltet das Land", wie De Morgen auf seiner Titelseite hervorhebt. Zunächst werfen ja die Arbeitgeber den Gewerkschaften vor, ihre Mitglieder regelrecht zu belügen, um sie gegen das Sparpaket aufzustacheln. Und auch im Internet tobt anscheinend ein veritabler Krieg zwischen Befürwortern und Gegnern der Aktion. "Wir streiken nicht", zitieren denn auch sowohl De Morgen als auch Het Laatste Nieuws einige Gegner der Demo.
Rotes Déjà-vu?
Den frankophonen Sozialisten droht derweil möglicherweise eine neue Skandalserie. Epizentrum ist diesmal die Lütticher PS-Sektion. Gegen Alain Mathot, den Bürgermeister von Seraing wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet: Er wird unter anderem der Bestechlichkeit und Geldwäsche beschuldigt. Quasi zeitgleich wurden auch die Amtsräume des PS Bürgermeisters von Ans, Stéphane Moreau von der Polizei durchsucht. "Die jungen Wilden der PS werden von der Justiz eingeholt", titelt denn auch Le Soir. La Dernière Heure hat ihrerseits ein Déjà-vu. Kommentierend meint das Blatt: Die PS kämpft nach wie vor mit ihren alten Dämonen. Di Rupo wollte persönlich Jagd auf Profiteure machen; das hat anscheinend nur bedingt Früchte gebracht. Man hat den Eindruck, die PS - im vorliegenden Fall die Lütticher Sektion - habe immer noch nicht verstanden.
Le Soir ist da deutlich zurückhaltender: In beiden Fällen gilt natürlich die Unschuldvermutung. Und es fehlen auch noch weitere Einzelheiten, um sich wirklich eine Meinung zu bilden. Allerdings gilt für viele Bürger wohl schon die bekannte Maxime: "Es gibt keinen Rauch ohne Feuer". Für Alain Mathot dürfte die Affäre jedenfalls schon jetzt Konsequenzen haben: Eine mögliche Berufung zum Föderalminister kann er wohl erstmal vergessen. Doch auch für Elio Di Rupo kommt das Ganze wohl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, stellt L'Avenir fest. Moreau hat dabei geholfen, Michel Daerden aus dem Rathaus von Ans zu verbannen; Mathot galt Ministeranwärter, sollte wohl Michel Daerden als Vertreter der Lütticher PS in der Föderalregierung ersetzen. Kein Wunder also, dass schon Verschwörungstheorien die Runde machen, dass so mancher von " Papas Rache" spricht.
Abgesang auf Prinz und Wonderboy
Ein flämischer Sozialist hat seinerseits die politische Bühne aus eigener Entscheidung verlassen, allerdings auch nicht ganz freiwillig. Steve Stevaert, einst einer der populärsten Politiker in Flandern, zieht sich endgültig aus dem politischen Leben zurück. Er war in den letzten Monaten unter anderem im Zentrum einer bizarren Geschichte, in der es um Sex und Erpressung geht. Jetzt wurde es ihm wohl zu viel, hebt Het Belang van Limburg in seinem Kommentar hervor. Man sollte keinesfalls den Politiker Stevaert mit seinen mitunter revolutionären Ideen vergessen. Schade, dass er die Bühne durch die Hintertür verlassen muss. Aber vielleicht ist es besser für ihn, dass er sich zurückzieht.
Auch Prinz Laurent sorgt heute wieder für Schlagzeilen, zumindest indirekt. Die RTBF hat am Mittwoch eine Reportage über den jüngsten Sohn von König Albert ausgestrahlt. Der Prinz wird darin als geizig und habgierig porträtiert und soll sich zudem schon gewalttätig gegenüber Frauen gezeigt haben. Het Laatste Nieuws bringt es in seiner Schlagzeile auf den Punkt: "Prinz Laurent wurde buchstäblich vernichtet".
Archivbild: Christophe Legasse (belga)