Weitere Themen sind eine mögliche EU-Klage gegen die Wallonie, ein Prozess um einen sogenannten Ehrenmord und der anstehende Regierungswechsel in Spanien.
"Die Liberalen lassen Di Rupo wieder durchfallen", titeln fast gleichlautend De Morgen und Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws spricht auf Seite eins vom "Ultimativen Clash". Auch das letzte Wochenende brachte nicht die Erleuchtung, die Verhandlungen über den Haushaltsentwurf 2012 wurden in der Nacht ergebnislos abgebrochen. Jetzt droht eine handfeste Krise, analysiert Het Laatste Nieuws. Für Het Nieuwsblad legen es die Liberalen auf eine Konfrontation an.
180 Grad-Drehung ist illusorisch
"Die Liberalen pokern hoch, sie spielen ein hartes Spiel", titelt denn auch De Standaard. Regierungsbildner Elio Di Rupo hat gestern Nachmittag ein neues "allerletztes Angebot" vorgelegt, das aber von OpenVLD und MR quasi postwendend als unzureichend vom Tisch gefegt wurde. Stellt sich die Frage: Wie "allerletzt" kann ein allerletztes Angebot sein?
Vielen Leitartiklern fehlt inzwischen jegliches Verständnis für den endlosen Brüsseler Haushaltskrimi. Hier läuft ein geradezu apokalyptisches Pokerspiel - und der Einsatz ist das Land, meint etwa Het Laatste Nieuws. Das Verhalten der OpenVLD ist verantwortungslos. Dabei darf man nicht vergessen, dass die flämischen Liberalen die Kompromissnote von Elio Di Rupo seinerzeit als Gesprächsgrundlage akzeptiert haben. Dieser Text wurde inzwischen schon drei- oder viermal angepasst. Es ist aber illusorisch, wenn man glaubt, die Orientierung der Note um 180 Grad drehen zu können. Wer das will, der hätte den Kompromissentwurf von vornherein ablehnen müssen.
"Denkt hier überhaupt noch einer an das Allgemeinwohl?", fragt sich Gazet van Antwerpen. Ungeachtet der internationalen Lage spielen die Parteien hierzulande weiter politische Spielchen. Klar fürchtet die PS die Konfrontation mit den Gewerkschaften. Klar spürt die OpenVLD den heißen Atem der N-VA im Nacken. Nach Wochen des Stillstands ist aber die Zeit gekommen, den Knoten zu zerschlagen.
Sind das die Politiker, die Belgien verdient?
De Morgen erinnert sich an eine politische Weisheit, die da lautet: "Jedes Volk hat die Politiker, die es verdient". Trifft das in vorliegendem Fall auch auf die Belgier zu? Vielleicht bis zu einem gewissen Maß. Klar geht es bei den Haushaltsgesprächen um entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft. Das ändert aber nichts daran, dass die Verhandlungen amateurhaft geführt werden. Mal ganz davon abgesehen, dass die Partner so tun, als gäbe es den Rest der Welt nicht. Und genau deswegen darf man behaupten: Wir verdienen bessere Politiker.
Einige Zeitungen haben sich nichtsdestotrotz die Zeit genommen, die jüngsten Vorschläge von Elio Di Rupo einmal näher zu beleuchten. Darunter allen voran La Libre Belgique und Le Soir. Grob zusammengefasst stellen beide Blätter fest, dass der Regierungsbildner durchaus auf die Liberalen zugegangen ist. Sprich: verstärkt von Steuererhöhungen absieht und dafür zusätzliche Sparmaßnahmen vorschlägt.
Alle müssen umdenken
Sanierungsmaßnahmen zu beschließen, das ist aber nur die eine Seite, analysiert Het Nieuwsblad. Eine andere Sache ist es, all diese Entscheidungen in die Tat umzusetzen. Daran scheitert es häufig in Belgien. Damit sich wirklich etwas ändert, bedarf es auch einer Mentalitätsveränderung, und zwar sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern, bei Reichen und bei vielleicht Bedürftigeren. Ansonsten droht, dass alle noch so gut gemeinten Maßnahmen mal wieder unterwandert werden.
Gleich welche Sanierungsmaßnahmen sind ohnehin nur der Anfang, warnt seinerseits De Standaard. Die ominösen elf Milliarden Euro zu finden, das ist nur die kleinste unserer Sorgen. Die Anleger haben das Vertrauen in belgische Staatsanleihen verloren. Da sind veritable Fluchtbewegungen zu beobachten. Um dieses Vertrauen wieder herzustellen, reicht der Haushaltsplan 2012 ohnehin nicht aus. Deswegen wären die Partner gut beraten, das Unvermeidliche festzuklopfen und sich den anderen brennenden Problemen zuzuwenden.
Wallonie vor EU-Klage - "Ehrenmord"
Le Soir macht mit einer ganz anderen Geschichte auf: Die Wallonie riskiert offenbar eine Klage von der EU-Kommission. Anscheinend hat die Wallonische Region dem Stahlkonzern Duferco, der unter anderem Niederlassungen in Clabecq und La Louvière unterhält, durch die Hintertür finanziell unter die Arme gegriffen. Und hier handele es sich um illegale Staatsbeihilfen.
L'Avenir beleuchtet einen spektakulären Prozess, der heute vor dem Schwurgericht von Mons beginnen soll. Es geht um den Mord an einer jungen Frau pakistanischen Ursprungs. Offenbar wurde sie zwangsverheiratet, weil sie sich weigerte und sich mit einem Belgier verlobt hatte, wurde sie ermordet - anscheinend von ihrem Bruder mit dem Segen der Familie. Hier handelt es sich also um einen mutmaßlichen sogenannten Ehrenmord. In seinem Kommentar stößt sich das Blatt an diesem Begriff "Ehrenmord". Das Wort ist zu positiv konnotiert. Letztlich geht es doch hier um Frauen, die es gewagt haben, dem Patriarchen zu widersprechen, der sich selbst als der Hüter irgendeines diffusen Stolzes betrachtet. Hier von Ehre zu sprechen ist fehl am Platz.
Regierungswechsel in Spanien
Einige Blätter schließlich blicken nach Spanien, wo die rechtsgerichtete Volkspartei den bislang regierenden Sozialisten bei der Parlamentswahl eine herbe Niederlage beigebracht hat. Nach Griechenland und Italien hat die Krise also jetzt auch die Regierung in Madrid weggefegt, konstatiert La Dernière Heure. Aber immerhin hat in Spanien noch der Wähler entschieden, wer das Land führen soll, hebt Het Belang van Limburg hervor.
Die spanischen Sozialisten wurden wegen ihres desaströsen Krisenmanagements abgestraft. Entsprechend kann man davon ausgehen, dass die Spanier den wohl künftigen Premier Rajoy allenfalls als das kleinere Übel betrachten, meint Le Soir. Mit ihm und seiner Volkspartei verbinden die Wähler wohl die leise Hoffnung, dass es vielleicht ein bisschen aufwärts gehen könnte.
Allerdings ist es jetzt von höchster Wichtigkeit, dass die demokratisch gewählten neuen Führungspersönlichkeiten auch wirklich ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, dass sie die Probleme des Landes lösen können, mahnt La Libre Belgique. Sollte die Demokratie versagen, dann könnte sich nämlich in ganz Europa der rote Teppich ausrollen für Illusionsverkäufer und Propheten eines neuen Nationalismus.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)