"Dehaene fühlt sich nicht verantwortlich", titeln heute Gazet van Antwerpen und das Grenz-Echo. Am Montag hat ja der Dexia-Sonderausschuss zuallererst die beiden bisherigen Verantwortlichen der Dexia angehört, also Verwaltungsratspräsident Jean-Luc Dehaene und Hauptgeschäftsführer Pierre Mariani. Beide haben im Wesentlichen die Schuld an dem Debakel von sich gewiesen. Sie seien eher die Feuerwehrleute gewesen - den eigentlichen Brand hätten ihre Vorgänger gelegt, zitiert Le Soir die beiden Dexia-Bosse.
Dexia-Ausschuss: Peinlicher Fehlstart?
Na ja, "eine kleine Schuld räumt Dehaene doch ein", hebt Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite hervor. Le Soir ist auf Seite eins konkreter: Dehaene gibt zu, Mariani zu gut bezahlt zu haben, so die Schlagzeile. Tatsächlich hatte ja Geschäftsführer Mariani für das Jahr 2010 einen Bonus in Höhe von 600.000 Euro kassiert.
Het Laatste Nieuws hat etwas anderes aus den Aussagen der beiden Dexia-Bosse herausgehört: Die Schlagzeile: "Auch Dehaene verstand nichts von Dexia". Dehaene hat in der Tat erklärt, dass bei gewissen Diskussionen der Chef des Risikomanagements anwesend sein musste; eben weil ansonsten niemand genau verstand, worum es eigentlich ging.
De Standaard ist seinerseits unglücklich mit dem Auftakt der Arbeit des Dexia-Sonderausschusses. Das Blatt spricht auf seiner Titelseite von einem peinlichen Fehlstart. Grob zusammengefasst hatte Jean-Luc Dehaene ja die Abgeordneten quasi noch belehren müssen. Der Alt-Premier hatte damit den Sonderausschuss bis zu einem gewissen Maße lächerlich gemacht.
Bonus-Zahlungen im Fadenkreuz
Womit wir wieder beim Thema Kragenweite wären, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Nicht nur die Mitglieder von Verwaltungsräten müssen ihrer Aufgabe gewachsen sein. Gleiches gilt auch für Parlamentarier, die Bankern auf den Zahn fühlen wollen. Eine Erkenntnis haben wir aber dennoch gewonnen: Selbst Dehaene räumt ein, dass die Bonus-Zahlungen von 2010 falsch waren. Eine Lehre aus dem Dexia-Debakel wäre also schon mal, für die Manager-Bezüge Regeln festzulegen.
Ähnlich sieht das Het Nieuwsblad. Man darf sich die Frage stellen, wofür Mariani und Co. 2010 überhaupt einen Bonus bekommen haben. Etwa, weil sie den Trümmerhaufen etwas verkleinert haben? Weil sie dafür gesorgt haben, dass es der Dexia zwar immer noch schlecht, aber nicht mehr ganz so schlecht ging? Die Debatte über Bonus-Zahlungen hat wohl gerade erst begonnen.
De Morgen will seinerseits in jedem Fall Resultate sehen. Deswegen ist es auch bedauerlich, dass man nur einen Sonderausschuss geschaffen hat, und eben nicht eine Untersuchungskommission, die ja über ganz andere Möglichkeiten verfügen würde. Noch kann man das korrigieren. Jedenfalls ist es wichtig, die Lehren aus dem Debakel zu ziehen. Ansonsten müssen wir in drei Jahren wieder eine Bank retten.
Haushaltsberatungen: Heiße Phase unter schlechten Vorzeichen
Zweites großes Thema sind die Haushaltsberatungen. "Die Hälfte des Weges ist geschafft", hebt L'Echo auf seiner Titelseite hervor. Tatsächlich haben sich die Partner ja auf Einsparungen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro verständigt - nötig sind über elf Milliarden. "Und die zweite Hälfte, das ist das schwierigere Stück Arbeit", warnt La Dernière Heure. Am Wochenende muss es eine Einigung geben, meint La Libre Belgique. Das Blatt spricht auf Seite eins von der "haushaltspolitischen Stunde der Wahrheit".
Endlich, meint Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Endlich gehen die Haushaltsberatungen in ihre heiße Phase. Warum musste man denn erst warten, bis es fünf nach zwölf ist? Das hat wohl auch damit zu tun, dass sich Sozialisten und Liberale in den letzten Tagen ideologische Grabenkämpfe geliefert haben. Vor allem die Liberalen scheinen nach wie vor unter Profilneurose zu leiden. Sie sollten ihre Forderungen besser am Verhandlungstisch formulieren, statt sie auf den Marktplatz zu werfen. Dass sich De Croo und Michel von ihren linken Partnern abgrenzen wollen ist legitim. Allerdings hätte man damit nicht 513 Tage warten müssen.
Schluss mit den Muskelspielchen, mahnt auch La Libre Belgique. Die Liberalen haben die Verhandlungen mit immer neuen Forderungen auf der Stelle treten lassen. Die Sozialisten haben gestern in einem Offenen Brief zu verstehen gegeben, dass sie auch die wohl künftige Koalition wieder als eine Allianz wider Natur betrachten. All das zeigt: Niemand hat wirklich Lust auf diese Regierung. Und entsprechend muss man auch kein Feuerwerk erwarten.
Auch Het Belang van Limburg nimmt Bezug auf den Offenen Brief, den am Montag alle 94 PS-Parlamentarier in der Zeitung Le Soir veröffentlicht haben. Darin rechtfertigt die PS ihre Regierungsbeteiligung mit dem Bestreben, den Liberalen nicht das Feld überlassen zu wollen. Alle PS-Parlamentarier? Dazu gehört auch Elio Di Rupo, konstatiert das Blatt. Der Regierungsbildner setzt damit ein denkbar unglückliches Zeichen. Inzwischen sind wieder Zweifel erlaubt, ob die Parteien sich überhaupt zusammenraufen können.
Auch La Dernière Heure stößt sich an dem Offenen Brief. Aller Dementi zum Trotz: Natürlich steckt Di Rupo hinter dem Offenen Brief. Wenn die PS wieder die alten Feindbilder herauskramt, dann ist das ein schlechtes Omen für die künftige Regierung.
Warten auf Godot
De Standaard vergleicht die Verhandlungen indes mit dem Theaterstück "Warten auf Godot", aus der Feder des Surrealisten Samuel Beckett. Die Protagonisten wissen im Grunde nicht, wer dieser Godot ist, auf den sie warten, und auch nicht, wann er kommen wird. Sie warten einfach. Jetzt scheint Godot doch noch aufzutauchen. Die Frage ist nur, was er im Gepäck hat, und ob das der EU genügen wird.
Für Het Laatste Nieuws ist das alles nur Strategie. Di Rupo hat eine meisterliche Dramaturgie dargeboten: Er hat so lange den Ball flach gehalten, bis wirklich keine Zeit mehr blieb für ideologische Kleinkriege. Jetzt müssen Entscheidungen her. Und es war die PS, die im richtigen Augenblick das Signal gegeben hat, dass man nun die Sache zu Ende bringen muss. Das Ende des Leidenswegs ist in Sicht.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)