"Papandreou wirft das Handtuch", titelt heute De Morgen. Das Grenz-Echo ist nüchterner: Papandreou tritt zurück. In Griechenland soll es jetzt also eine Notregierung richten, eine Regierung der nationalen Einheit. Sicher ist, dass der bisherige Premierminister Papandreou diese Regierung nicht mehr leiten wird. Wichtigste Aufgabe des Krisenkabinetts soll es sein, die Beschlüsse des EU-Gipfels von Ende Oktober umzusetzen.
La Libre Belgique fasst es treffend zusammen: Über einem Foto des Parthenon-Tempels auf der Athener Akropolis, der derzeit renoviert wird, prangt die Schlagzeile: "Nationaler Wiederaufbau?"
Druck auf Di Rupo wächst
In der Zwischenzeit erhöht die EU auch den Druck auf Belgien. Die EU-Kommission werde am Donnerstag mit der Prüfung der belgischen Haushaltslage beginnen, warnt der amtierende Premier Yves Leterme in einem Gespräch mit Het Laatste Nieuws. Leterme hatte in einer ganzen Reihe von Presseinterviews am Wochenende die Verhandlungspartner um Regierungsbildner Elio Di Rupo zur Eile angehalten. Het Laatste Nieuws titelt denn auch: "Leterme setzt Di Rupo das Messer auf die Brust."
"Letzter Termin ist der 15. November", hebt indes Le Soir hervor. Konkret: Wenn der Haushaltsplan 2012 noch in diesem Jahr vom Parlament verabschiedet werden soll, dann muss das Budget Anfang kommender Woche spätestens vorliegen.
All das scheint die Brüsseler Verhandlungspartner aber kalt zu lassen, konstatiert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Man tut mal wieder so, als gäbe es den internationalen Kontext nicht. Das hat auch damit zu tun, dass keine der sechs Parteien offensichtlich große Lust verspürt, eine Regierung zu bilden. Es fehlt eindeutig an Überzeugung und Enthusiasmus.
Offener Brief
Dieser Eindruck wird auf Seite eins von Le Soir in gewisser Weise bestätigt. Alle 94 PS-Parlamentarier des Landes veröffentlichen in der Brüsseler Zeitung einen offenen Brief. Im Mittelpunkt die Frage: Warum hat sich die PS auf diesen Leidensweg begeben? Warum beteiligen sich die Sozialisten an einer Regierung, die schmerzhafte Sparmaßnahmen beschließen muss? Die Antwort der PS-Parlamentarier: Die PS muss der linken Seite Gehör verschaffen - man dürfe nicht den Liberalen das Feld überlassen. Diese Vorgehensweise ist bemerkenswert, meint dazu Le Soir. Die PS will ihre Muskeln zeigen, wobei der Eindruck bleibt, dass die Partei sich rechtfertigen will. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Land nun schnellstens einen Haushalt braucht und, damit verbunden, tiefgreifende Strukturreformen.
Index am Pranger
Het Belang van Limburg hat für all das nur noch Kopfschütteln übrig. Es ist offensichtlich, dass die Parteien fast ausschließlich ihre eigenen Interessen vor Augen haben, jedenfalls nicht die des Bürgers. Es wird Zeit, dass Regierungsbildner Di Rupo wieder das Heft in die Hand nimmt: Nur er kann jetzt die Verhandlungen in eine Stromschnelle bringen.
"Die belgischen Löhne steigen wieder zu schnell", titelt derweil De Standaard. Demnach sind die Bezüge der belgischen Arbeitnehmer im Vergleich zu ihren Kollegen in den Nachbarländern stärker gestiegen - und diese Entwicklung ist alles andere als neu. So kann es nicht weitergehen, meint De Standaard dazu in seinem Kommentar. Das Land braucht Wachstum. Und wer Wachstum sagt, der sagt Wettbewerbsfähigkeit. Dass die Lohnkosten in Belgien stärker steigen als in den Nachbarländern ist in diesem Zusammenhang keine gute Neuigkeit. Früher oder später wird man in diesem Land wohl über die Lohn-Index-Bindung nachdenken müssen. Hier geht es nicht um ideologische Grabenkämpfe, hier geht es um die Rettung unseres Gesellschaftsmodells.
Sabena - zehn Jahre danach
Viele Zeitungen erinnern heute an ein soziales Drama, das das Land nachhaltig erschüttert hat: Vor genau zehn Jahren wurde die nationale Fluggesellschaft Sabena offiziell für bankrott erklärt. Diese Tragödie war vermeidbar, glaubt la La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Gewisse politische Kreise, insbesondere in Flandern, haben die Airline regelrecht fallengelassen. Hinzu kommt, dass die belgischen politischen Entscheidungsträger der damaligen Zeit durch unglaubliche Naivität geglänzt haben. Daran hat sich auch in der Folgezeit nichts geändert, Stichwort Fortis, Stichwort Dexia.
"Belgische Krankheit"
La Libre Belgique stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es da nicht so etwas wie eine "belgische Krankheit? gibt. Fortis, Dexia, Sabena: Immer musste man den Eindruck haben, dass die belgischen Verantwortungsträger in großen Unternehmen ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. Es wird höchste Zeit, dass man deren Rolle hinterfragt und auch die Lehren daraus zieht.
Das ist eine Anspielung auf den parlamentarischen Sonderausschuss, der die Dexia-Pleite unter die Lupe nehmen und heute mit seiner Arbeit beginnen soll. Als erster muss das bisherige Führungsduo Pierre Mariani-Jean-Luc Dehaene vor dem Gremium aussagen.
Man sollte hier aber die richtigen Fragen stellen, mahnt L?Avenir in seinem Kommentar. Davon auszugehen, dass insbesondere die Belgier in den Führungsgremien keine blasse Ahnung hatten, ist nicht nur falsch, sondern auch viel zu einfach. Vielmehr gilt es zu klären, warum sie gewisse Entwicklungen zugelassen haben.
Antwerpen und ein importiertes Problem
Viele flämische Zeitungen beleuchten heute die Unruhen, die am Samstag in einem Antwerpener Stadtviertel ausgebrochen waren. Hier hatten sich Menschen mit türkischen beziehungsweise kurdischen Wurzeln heftige Zusammenstöße geliefert. Diese Spannungen sind importiert, stellt Gazet van Antwerpen fest. Und solang es im Osten der Türkei keine Lösung für das Kurdenproblem gibt, werden auch immer wieder Auswirkungen davon bei uns spürbar sein. Da gibt es nur eins: Man muss beide Seiten an einen Tisch setzen.
Angekündigtes Drama
Fast alle Zeitungen schließlich werfen einen erschrockenen Blick auf Südfrankreich und Norditalien. Dort haben sintflutartige Regenfälle für apokalyptische Szenen gesorgt. In Italien wird für die katastrophalen Schäden auch die Raumordnungspolitik der letzten Jahrzehnte verantwortlich gemacht. La Libre Belgique spricht denn auch von einem "angekündigten Drama".
Archivbild: Virginie Lefour (belga)