"Der Euro kämpft ums Überleben", titelt heute De Morgen. "Sarkozy und Merkel kämpfen bis zum bitteren Ende, um den Euro zu retten", meint Le Soir auf Seite 1.
Der Brüsseler EU-Gipfel steht naturgemäß im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare in der Tagespresse. Da das Treffen erst in den frühen Morgenstunden zu Ende gegangen ist, waren die Ergebnisse bei Redaktionsschluss in den Zeitungen noch nicht bekannt.
Het Nieuwsblad wirft denn auch einen bangen Blick nach vorn, auf den Handelsbeginn an den Börsen heute Vormittag: "Ist der Euro gerettet?", fragt sich das Blatt, und kann nur schlussfolgern: In ein paar Stunden wissen wir mehr. De Standaard nimmt seinerseits schon das Ergebnis des Gipfels vorweg. "Viel Hoffnung, wenig Zahlen", titelt das Blatt, und stellt fest: Es wird wohl noch nicht der große Wurf. Beim EU-Gipfel wird allenfalls eine Richtung vorgegeben; eine Reihe von wichtigen Entscheidungen wird aber erst in den nächsten Wochen erwartet.
Europäische Liebeserklärungen
Na ja, es hatte auch niemand allen Ernstes erwartet, dass die EU-Staats- und Regierungschefs beim Brüsseler Krisengipfel eine wirklich endgültige Antwort formulieren würden, notiert Gazet van Antwerpen. Eins darf man aber festhalten: Sie haben den Ernst der Lage erkannt. Endlich! Ob das reicht, darüber werden die Finanzmärkte wohl heute ihr gewohnt hartes Urteil fällen.
Viele Leitartikler heben die Rolle der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hervor und insbesondere die Rede der Kanzlerin am Mittwoch vor dem Deutschen Bundestag. Eigentlich könnte man besagte Rede eins zu eins im Leitartikel abdrucken, meint dazu De Morgen. Es war schlicht und einfach beeindruckend, dieses Bekenntnis der deutschen Bundeskanzlerin zu Europa. Merkel hat sich ihrer Verantwortung gestellt: Sie wolle nicht, dass die EU-Entscheidungsträger des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts am Ende für das Scheitern Europas die Schuld tragen müssen. Doch dürfen besagte Entscheidungsträger eins nicht vergessen, meint De Morgen. Auch die Bürger müssen einen hohen Preis für die Bewältigung der Krise bezahlen. Für alle, auch die Akteure in der Wirtschaft muss gelten: Man darf nicht im Anschluss wieder zur Tagesordnung übergehen.
Auch Het Nieuwsblad ist beeindruckt von den Aussagen Angela Merkels. Wenn eine deutsche Bundeskanzlerin im Deutschen Bundestag die EU als Garanten für Frieden beschwört, wenn sie daran erinnert, dass Frieden in Europa nicht notwendigerweise ewig währen muss, dann verfehlt das nicht seine Wirkung. Klar: Europa ist inzwischen viel mehr als nur der Inbegriff für den Wunsch nach Frieden. Doch auch diese Krise, wo es um den Wohlstand eines ganzen Kontinents geht, zeigt wieder einmal, dass Europa letztlich die Lösung ist. Grundbedingung ist aber, dass Europa dazu in der Lage ist, zu tun, was es tun muss.
Deutschland gibt den Ton an
Andere Zeitungen sprechen indes mehr von deutscher Dominanz. "Deutschland über alles in Europa", bringt es etwa Het Laatste Nieuws sogar auf Deutsch auf den Punkt. Die Einführung des Euro war ja letztlich auch der Versuch, die deutsche Vorherrschaft in Europa etwas zu beschneiden, notiert das Blatt in seinem Leitartikel. Doch jetzt zeigt sich: Am Ende siegt doch die Macht des Geldes. Deutschland ist sich nach Jahrzehnten des Kriegstraumas inzwischen wieder seiner Stärke bewusst. Deutschland regiert Europa, nicht mehr mit Waffen, sondern mit seinem Geld.
Es ist wie im Fußball, meint L'Avenir augenzwinkernd: Auch in Europa ist es so, dass 27 Länder an einem Spiel teilnehmen, und am Ende Deutschland gewinnt. Es war Angela Merkel, die es sich im Vorfeld des Gipfels herausnehmen durfte, die Erwartungen herunterzuschrauben. Es ist Deutschland, das die Regeln vorgibt, das etwa den anderen Euro-Ländern strikte Haushaltsdisziplin auferlegt. Fazit: Deutschland bestimmt, gibt Regeln und Rhythmus vor.
Europa, China und der Platz auf der Weltbühne
Doch hängt inzwischen auch ein "chinesischer Schatten" über der Euro-Zone, wie La Libre Belgique auf ihrer Titelseite hervorhebt. Tatsächlich wollen ja die EU-Staaten an die Schwellenländer herantreten und um Unterstützung bei der Euro-Rettung werben. China hat da offenbar schon Interesse angemeldet. Dieses SOS der Europäer an die Adresse der aufstrebenden Wirtschaftsmächte, das wäre vor einiger Zeit noch unvorstellbar gewesen, notiert dazu La Libre in ihrem Leitartikel. Das ist letztlich der Beweis der Ohnmacht der Europäer. Europa muss sich schnellstens eine neue politische Vision geben, um seinen Platz auf der Weltbühne nicht zu verlieren.
De Standaard ist in diesem Zusammenhang eher optimistisch. Man muss unterscheiden zwischen dem, was man sieht, und den Entwicklungen unter der Oberfläche, in den Köpfen. Nach außen hin erscheinen die Antworten der EU auf Krisensituationen eher zaghaft und träge. Doch mit jeder dieser Krisen reift auch die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, die vielleicht vor einigen Monaten noch undenkbar gewesen wären. Europa kann da von Belgien noch viel lernen. Nicht umsonst hat die Suche nach einem Kompromiss über eine neue Staatsreform fast 500 Tage gedauert.
Und Belgien?
Apropos Belgien: Im Gegensatz zu Italien haben die EU-Staaten Belgien noch nicht auf die Finger geklopft, wie unter anderem Het Nieuwsblad berichtet. Belgien steht nach wie vor vergleichsweise gut da - den übrigen EU-Staaten genügen bislang die Sparversprechen aus Belgien.
Derweil stellt sich bei den Brüsseler Koalitionsverhandlungen weiter die Frage nach der Lastenverteilung. Die Ministerpräsidenten der Regionen haben gestern jedenfalls noch einmal bekräftigt, dass sie sich nicht mehr als bisher vorgesehen an den Sparanstrengungen beteiligen können. Flandern muss hier hart bleiben, mahnt Het Belang van Limburg. Die flämische Regierung hat ihren Haushalt viel früher als alle anderen ins Gleichgewicht gebracht. Man darf dafür nicht bestraft werden. In der Frage der Lastenverteilung den Hohen Finanzrat als Schiedsrichter zu bemühen, ist im Übrigen unlauter. Es ist und bleibt eine rein politische Entscheidung.
Bild: Benoit Doppagne (belga)