. Viele Leitartikler sind eher pessimistisch, dass es der EU wirklich gelingen wird, die Schuldenkrise ein für alle Mal einzudämmen.
Zweites großes Thema sind die erneut festgefahrenen Koalitionsverhandlungen; und das vor dem Hintergrund, dass das Land seit nunmehr 500 Tagen keine handlungsfähige Regierung hat.
"Eurozone: Gipfel der letzten Chance", titelt heute La Libre Belgique. "Letzte Hilfe für den Euro", meint L'Echo auf Seite 1. Und De Morgen spricht nicht vom D-Day, sondern vom €-Day in Brüssel.
In Brüssel kommen heute die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem wohl entscheidenden Gipfel zusammen. Dabei gilt es, Maßnahmen zu ergreifen, um die Schuldenkrise endlich einzudämmen. Grob zusammengefasst: Es muss eine dauerhafte Lösung für Griechenland gefunden werden, ebenso Möglichkeiten zur Stützung der europäischen Banken, außerdem muss der Rettungsfonds gestärkt werden. Dabei droht jetzt zu allem Überfluss ein Italien-Problem, wie unter anderem De Morgen hervorhebt. Die EU-Staaten erwarten von Rom glaubwürdige Sanierungsmaßnahmen. An dieser Frage droht aber die italienische Regierung zu zerbrechen.
Eurozone am Abgrund
Der EU-Gipfel ist das beherrschende Thema in den heutigen Leitartikeln. Alle Kommentatoren sind sich einig: Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen unbedingt Nägel mit Köpfen machen. Es ist buchstäblich ein Gipfel am Rande des Abgrunds, bringt es Gazet van Antwerpen auf den Punkt. Die Krise ist längst nicht mehr ein griechisches Problem. Das haben sich die Europäer selbst zuzuschreiben, die allzu sehr auf den eigenen Nabel gestarrt und zu wenig die Interessen Europas vor Augen hatten. Die Glaubwürdigkeit der europäischen Spitzenpolitiker ist im Keller. Dabei geht es längst auch um den Wohlstand des gesamten Kontinents.
L'Avenir fällt bei all dem nur noch ein Wort ein: lächerlich. Die Europäer führen ein Schmierentheater auf, allen voran Silvio Berlusconi, der sich längst als Meister der "commedia dell'arte" entpuppt hat. Europa ist ohnehin nur so eine Art Frankenstein, zusammengeschustert über institutionelle Basteleien. Ein solches Gebilde kann man in den Augen der Märkte nicht über Nacht in einen Märchenprinzen verwandeln.
Ein Italien-Problem?
Den EU-Entscheidungsträgern fehlt es schlichtweg an Kragenweite, urteilt Het Laatste Nieuws. Angela Merkel ist nun mal nicht Helmut Kohl und Nicolas Sarkozy kann François Mitterand nicht das Wasser reichen. Zu allem Überfluss stehen die Zauderer aus Berlin und Paris möglicherweise bald noch vor einem viel größeren Problem als der griechischen Krise, mit Namen Italien. Fällt Italien, dann fällt der Euro.
L'Echo sieht das genauso. Für die EU wäre es schlichtweg unmöglich, einen italienischen Kreditausfall aufzufangen. Rom sitzt auf einer Staatsschuld von mehr als 1900 Milliarden Euro. Ein italienisches Debakel könnte sogar die Weltwirtschaft ins Wanken bringen. Die EU erwartet von Italien ein ehrgeiziges Reformprogramm. Kommt Berlusconi heute ohne einen solchen Plan nach Brüssel, dann betritt die EU endgültig Terra incognita.
Für La Libre Belgique gibt es aber wenig Anlass zu Optimismus. Frankreich und Deutschland liegen in entscheidenden Punkten nach wie vor über Kreuz. Dabei gilt eigentlich die Order: Scheitern verboten. Die Frage ist wirklich erlaubt, ob die EU-Staats- und Regierungschefs ihrer Verantwortung gerecht werden.
Panzerfaust und Demokratie
Auch De Morgen zweifelt am Mut und an der Entschlossenheit der EU-Entscheidungsträger. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy will, dass die EU die Panzerfaust hervorzaubert, um die Märkte ein für allemal abzuschrecken. Es steht aber zu befürchten, dass sich besagte Panzerfaust am Ende als Wasserpistole entpuppt. Die EU-Staaten glauben immer noch, dass sie mit dem kleinstmöglichen Aufwand die Krise eindämmen können. Sie haben immer noch nicht gemerkt, dass diese Vorgehensweise die Finanzmärkte bislang nicht im Geringsten beeindruckt hat.
Für De Standaard und Het Nieuwsblad steht die EU noch vor einem ganz anderen Problem. Um die Eurozone zu retten, wird man wohl neue Wege beschreiten müssen. Derlei Entscheidungen entziehen sich aber der demokratischen Kontrolle. Allen voran das EU-Parlament droht, von den Notmaßnahmen überrollt zu werden. Irgendwie tragisch, so sind sich beide Leitartikler einig: Sollte die Eurorettung gelingen, dann stellt sich sogleich ein Legitimitätsproblem.
In einem Punkt darf es allerdings keinen Zweifel geben, mahnt L'Avenir auf seiner Titelseite. Eine Rückkehr zu den alten Währungen, also etwa zum belgischen Franken, das ist unrealistisch und wäre zudem total verrückt.
Hat auch Belgien geschummelt?
Unter anderem L'Echo berichtet heute auf seiner Titelseite über einen unheimlichen Verdacht. Demnach wollen deutsche Ökonomen festgestellt haben, dass Belgien möglicherweise, wie seinerzeit Griechenland, seine Haushaltszahlen frisiert hat. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man die belgischen Zahlen in das Rechenmodell eines amerikanischen Forschers eingibt. Mit Hilfe dieser Formel war man auch schon auf die Unregelmäßigkeiten in der Athener Buchhaltung gestoßen.
"Rien ne va plus"
Apropos Belgien: Viele Zeitungen heben heute hervor, dass das Land genau seit 500 Tagen ohne Regierung ist. Und das Schlimme ist: Dieser Albtraum ist immer noch nicht vorbei, ereifert sich La Dernière Heure. Es kann offensichtlich in der Welt passieren, was will: Die Brüsseler Politik verhält sich so, als gäbe es eben diese Welt nicht. Offensichtlich ist es ja so, dass sich die Brüsseler Koalitionsverhandlungen erneut festgefahren haben.
"Rien ne va plus", nichts geht mehr, so bringt es Le Soir auf den Punkt. Überworfen hat man sich ja in der Frage, inwieweit sich die Teilstaaten an den Sparanstrengungen beteiligen müssen. Hier stehen sich Liberale auf der einen Seite, Christlich-Soziale und Sozialisten auf der anderen Seite nach wie vor unversöhnlich gegenüber, wie auch La Libre Belgique feststellt.
Unscharf
Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad machen mit der Meldung auf, dass ein jugendlicher Unruhestifter vor Gericht freigesprochen wurde, obwohl er einen Mann so verletzt haben soll, dass er bleibende gesundheitliche Schäden behalten hat. Der Grund für den Freispruch: Zwar gab es Bilder einer Überwachungskamera, die waren aber unscharf. So unscharf, dass man den Täter nicht zweifelsfrei identifizieren konnte.
Bild: Jens Buettner (epa)