Viele Leitartikler üben dabei harsche Kritik an der nach wie vor zögerlichen Haltung insbesondere von Frankreich und Deutschland. Viele Zeitungen kommen zudem noch einmal auf die Entscheidungen vom Wochenende über das Schicksal der so genannten Gemeindeholding zurück.
"Der Euro ist noch nicht gerettet", titelt heute Het Belang van Limburg. Für De Morgen tickt die Uhr: "Noch 72 Stunden um den Euro zu retten" und De Standaard kann auf seine Titelseite nur feststellen: "Europa steht gespalten vor der letzen Hürde". Der EU-Gipfel von diesem Wochenende war im Vorfeld als "alles entscheidend" bezeichnet worden. Im Endeffekt wurde entschieden, zunächst nichts zu entscheiden.
Der amtierende Premier Leterme sagte sogar sein traditionelles Presse-Briefing ab: Er wolle nichts sagen, wenn es nichts zu sagen gebe, zitiert Het Belang van Limburg den Pressesprecher des Premiers. Jetzt sollen am Mittwoch die Entscheidungen zur Rettung der Euro-Zone festgeklopft werden. Das Problem: Man bewege sich auf unbekanntem Terrain, wie De Morgen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zitiert.
Erbärmlich
Selten wohl war das Wort "Deadline" so treffend, konstatiert Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Es ist von alles entscheidender Bedeutung, dass die EU-Staaten in den nächsten Tagen einen Ausweg aus der Krise finden. Wobei der Begriff "alles entscheidend" inzwischen zugegebenermaßen inflationär ist.
Het Nieuwsblad nennt die Brüsseler Hängepartie "erbärmlich". Man könnte meinen, die EU-Politiker versuchten ihren belgischen Kollegen nachzueifern. Denn die Probleme sind ähnlich gelagert. Auch auf EU-Ebene geht es um die Frage, wie weit Solidarität gehen darf, gehen muss. Dabei haben Länder wie Deutschland oder Frankreich zunehmend eigene Interessen im Fokus. Die Antwort auf die Krise kann aber nur lauten: mehr Europa.
Europa in Not - Italien am Pranger
Auch L'Avenir geht mit den EU-Staats- und Regierungschefs hart ins Gericht. Ursprünglich sollte beim EU-Gipfel am Wochenende ein ehrgeiziger Rettungsplan präsentiert werden. Staatdessen gab es am Ende ein paar lose Floskeln. Anscheinend haben die Europäer immer noch nicht verstanden, dass es um ihr wirtschaftliches Überleben geht.
Da kann man nur hoffen, dass die EU-Staats- und Regierungschefs im Laufe dieser Woche doch noch zur Vernunft kommen, notiert De Morgen. Das Schlimme ist: Der gemeine Belgier hat darauf ohnehin keinen Einfluss. Es gibt für uns kein demokratisches Mittel, um Merkel oder Sarkozy auf andere Gedanken zu bringen. Deutschland und Frankreich wollen allein den Ton angeben, sind aber gespalten. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass man am Ende wohl wieder halbgare Zwischenlösungen verabschieden wird.
Doch wer weiß, gibt sich Gazet van Antwerpen optimistisch: Vielleicht ist der größte Verlierer am Ende doch der größte Gewinner, mit Namen: Europa. Mit jeder Reaktion auf die Schuldenkrise wurde die europäische Ebene gestärkt. Das dürfte auch dieses Mal so sein.
In der Zwischenzeit steht nach Griechenland erstmal Italien am Pranger. "Die Euro-Zone setzt Italien unter Druck", titelt La Libre Belgique. Le Soir sieht den italienischen Ministerpräsident Berlusconi von seinen Kollegen Merkel und Sarkozy "umzingelt". Italien hat sich zum schwarzen Schaf entwickelt, notiert auch das Brüsseler Blatt. Viele EU-Staaten werfen Italien vor, die Krise nicht ernst zu nehmen.
Gemeindeholding - eine "Naturkatastrophe"?
Viele Leitartikler beleuchten heute noch einmal das Schicksal der Gemeindeholding. Am Wochenende wurde beschlossen, die Gemeindeholding abzuwickeln. In der Praxis bedeutet das, wie L'Avenir hervorhebt, dass man eine Notlandung einem Absturz vorzieht. Anders gesagt: Es wird vermieden, dass die Gemeindeholding schlicht und einfach bankrottgeht.
Für den Steuerzahler kommt das aber auf dasselbe heraus, meint Het Laatste Nieuws. Bezahlen tut er am Ende sowieso. Vier Milliarden für die Übernahme von Dexia und noch einmal eine Milliarde für die Abwicklung der Gemeindeholding. Fakt ist: Die Einlagen der Gemeinden in Form von Dexia-Anteilen sind futsch. Dabei tun die Politiker, die bei Dexia oder bei der Gemeindeholding in den Führungsgremien saßen, immer noch so, als wären sie das Opfer einer unvorhersehbaren Naturkatastrophe geworden.
Die Vertreter der Gemeinden bei Dexia oder in der Gemeindeholding sind immer wieder vor ihrer Verantwortung geflohen, kritisiert auch La Libre Belgique. Sie machen die Föderalregierung für das Debakel verantwortlich. Das ist zu einfach. Spätestens jetzt wissen wir: Die Gemeinden hatten einfach nicht die erforderliche Kragenweite, um als Aktionär einer Großbank aufzutreten. Es waren Zauberlehrlinge, vielmehr "Bankerlehrlinge".
Deswegen darf man jetzt auch nicht die Seite umblättern, meint De Standaard. Es gibt Gemeinden, die sich auf ein gewagtes Pokerspiel eingelassen haben, andere nicht. Solidarität wäre aber hier deplatziert. Wer durch die Schuld anderer einen Schaden erleidet, hat ein Recht auf Entschädigung und sollte das auch einklagen.
Apropos Dexia, Het Laatste Nieuws befasst sich heute mit dem Gesundheitszustand der europäischen Banken und stellt fest: Dexia dürfte wohl nicht die letzte Bank gewesen sein, die ins Taumeln gerät.
Rentner ersticht Einbrecher
Het Laatste Nieuws und Gazet van Antwerpen befassen sich auf ihren Titelseiten mit einem Drama, das sich im Antwerpener Vorort Borgerhout ereignet hat. Dort hat ein 86-jähriger Rentner einen 17-jährigen Einbrecher erstochen.
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit dem so genannten Asbest-Prozess, der heute in Brüssel beginnt. Zum ersten Mal steht eine Firma wegen der gesundheitlichen Folgen der Asbestverarbeitung vor Gericht. L'Avenir macht daraus seine Titelgeschichte.
De Morgen schließlich hat N-VA-Chef Bart De Wever nach Schottland begleitet, wo De Wever vor nationalistischen Gesinnungsgenossen von der Scottish National Party eine Rede gehalten hat. Eine von Bart De Wevers Kernaussagen: Belgien ist keine Demokratie mehr.
Bild: Benoit Doppagne (belga)