"Weniger Züge bei der SNCB" titelt heute La Libre Belgique. Het Laatste Nieuws ist präziser: "Die SNCB streicht 1.000 Jobs und 193 Züge".
Der Verwaltungsrat der Nationalen Eisenbahngesellschaft SNCB hat gestern die Sparpläne für den Staatsbetrieb bekannt gegeben. Demnach werden knapp 200 nicht rentable Züge gestrichen. Das ist weniger als ursprünglich befürchtet.
Nach Schätzungen der Gewerkschaften sind damit rund 1.000 Arbeitsplätze bedroht. Rund 2.800 Zugreisende werden sich ab Dezember 2012, wenn die Sparpläne greifen, nach einer neuen Fahrgelegenheit umsehen müssen.
Welche Verbindungen konkret betroffen sein werden, ist noch nicht bekannt. La Dernière Heure bringt heute aber schon mal eine Liste der Züge, die am ehesten von einer Streichung bedroht sind.
SNCB-Sparpläne: nun die halbe Miete?
L'Echo spricht in seinem Leitartikel von einer mutigen Entscheidung. Die SNCB hatte keine andere Wahl. Ohne Sparprogramm hätte am Ende gar eine Pleite gedroht. Der Verwaltungsrat hat aber die ursprünglichen Pläne deutlich korrigiert und weniger Züge gestrichen als ursprünglich geplant. Das ist aber bislang nur die halbe Miete. Jetzt bedarf es einer tiefgreifenden Reform der Strukturen bei der SNCB.
Het Belang van Limburg und La Libre Belgique sehen das ähnlich. Die dreiköpfige Struktur aus SNCB, Infrabel und SNCB Holding funktioniert nicht, meint La Libre. Die SNCB braucht zudem endlich klare Ziele und auch das nötige Geld.
Die SNCB muss unbedingt wieder auf Kurs gebracht werden, mahnt auch Het Belang van Limburg. Seit der Aufspaltung in drei Unternehmensteile ist die Lage bei der Bahn nur noch schlimmer geworden. Die neue Regierung hat die Aufgabe, endlich wieder Ordnung in den Staatsbetrieb zu bringen.
Haushalt: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Stichwort: neue Regierung. Sozialisten, Christdemokraten und Liberale beraten derzeit unter der Ägide von Regierungsbildner Di Rupo über den Haushaltplan 2012. Insgesamt müssen rund zehn Milliarden Euro gefunden werden, um den Etat auf Kurs zu halten.
"Di Rupo muss mit heftigen Protesten rechnen", zitiert das Wochenmagazin Knack auf seiner Titelseite den Chef des wallonischen Flügels der FGTB, Thierry Bodson. Es kann nicht sein, dass die Bürger und insbesondere die Schwächsten unter ihnen allein die Zeche zahlen müssen, heißt es beim sozialistischen Gewerkschaftsbund.
Doch wo soll das Geld herkommen? Wie Le Soir auf seiner Titelseite berichtet, plant die Regierung offenbar eine Erhöhung der Quellensteuer auf Bankkonten. Auch die Abgabe auf Dividenden, die sogenannte Wertpapierertragssteuer, könnte erhöht werden. Das liefe de facto auf eine gewisse Art von Reichensteuer hinaus, da etwa in puncto Quellensteuer die kleineren Sparguthaben ausgeklammert würden.
Doch was spricht eigentlich gegen eine Reichensteuer?, fragt sich L'Avenir in seinem Leitartikel. Parteien wie die MR und die cdH sind quasi "von vornherein dagegen". Dabei denkt man in anderen Ländern wie Frankreich oder den USA längst über eine Sonderabgabe für Superreiche nach. Hierzulande hingegen trägt die Diskussion die Züge eines reinen ideologischen Grabenkrieges.
Man wird sich wohl das Geld da holen, wo es ist, glaubt De Standaard. Einsparungen von zehn Milliarden Euro, das entspricht im Durchschnitt 1000 Euro pro Kopf. Sprich: rund 4000 Euro für eine Durchschnittsfamilie. Die Zeche wird wohl die Mittelklasse zahlen. Die Verarmung dürfte uns alle betreffen. Menschen, die unternehmen. Menschen, die arbeiten. Menschen, die von Sozialleistungen leben. Menschen, die konsumieren. Und Menschen, die sparen. Ein schmerzloses Budget gibt es nicht.
In jedem Fall wäre es schön, wenn's endlich einen Haushalt gäbe, ärgert sich Gazet van Antwerpen. Die Belgier sind doch total unglaubwürdig. Eigentlich, wäre der EU-Gipfel nicht verschoben worden, hätte der Etat am Montag stehen müssen. In jedem Fall sind die Parteien gut beraten, jetzt bei ihren Haushaltsberatungen ideologische oder parteitaktische Erwägungen beiseite zu lassen.
"Erpressung"
Die Regierung hat noch eine andere mögliche Geldquelle im Auge: Man erwägt, den Stromversorger Electrabel wegen der verlängerten Nutzung der Kernkraftwerke stärker als bisher zur Kasse zu bitten. Die Abgabe auf den sogenannten Atomertrag würde demnach von bisher 250 auf bis zu 750 Millionen Euro erhöht.
Der französische Mutterkonzern GDF Suez reagierte pikiert: "GDF Suez droht Belgien mit Vergeltung", so denn auch die Schlagzeile von L'Echo. Tatsächlich hat die französische Multinationale schon damit gedroht, die Investitionspolitik in Belgien zu überdenken.
Gazet van Antwerpen spricht denn auch auf seiner Titelseite von "Erpressung". Le Soir wendet sich in seinem Leitartikel in Form eines offenen Briefs an GDF Suez. Belgien auf diese schamlose Art und Weise erpressen zu wollen, ist eines Unternehmens unwürdig, das in Europa eine Schlüsselrolle einnehmen will, meint das Blatt. Man sollte nicht vergessen, dass die Wiege des Erfolgs von Suez in Belgien steht.
Gemeindeholding: unfähige Politiker?
Einige Blätter befassen sich auch weiter mit dem Schicksal der so genannten Gemeindeholding. De Morgen stellt auf seiner Titelseite fest: Die Politik hat sich nie wirklich mit der Gemeindeholding auseinandergesetzt, man beschränkte sich aufs Kassieren. Das gilt mit Blick sowohl auf die Bezüge der Verwaltungsratsmitglieder als auch auf die Gemeinden, die jahrelang fette Dividenden einstrichen.
Das Grenz-Echo bringt in diesem Zusammenhang ein Interview mit dem ehemaligen Eupener Bürgermeister Fred Evers, der seit Jahren dem Verwaltungsrat der Gemeindeholding angehört. Der will sich den Schuh nicht anziehen. Dexia und die Gemeindeholding, das seien jahrelang Erfolgsgeschichten gewesen. Jetzt alles und jeden zu verdammen, sei unlauter.
Het Laatste Nieuws sieht in seinem Leitartikel dagegen durchaus die Verantwortung bei den Verwaltungsräten. Wenn Politiker jetzt behaupten, sie hätten nicht die Risiken gekannt, etwa als sie einer Kapitalerhöhung zustimmten, dann seien sie nicht fähig, ein Land oder eine Gemeinde zu führen.
De Morgen sieht das ähnlich. Die Mitglieder der Verwaltungsräte der Dexia und der Gemeindeholding haben sich jahrelang einlullen lassen, geblendet durch den scheinbar nicht enden wollenden Strom von Dividenden. Hinzu kommt: Eben weil die Gemeinden einst viel Geld von der Dexia bekamen, waren die Verwaltungsräte keine Kontrollinstanz mehr, sondern vielmehr "interessierte Parteien". Das sollte uns jedenfalls eine Lehre sein, wenn man jetzt für mehr staatliche Kontrolle über die Finanzmärkte plädiert.
Bild: Eric Vidal (belga)
Die Rettung der Bank kostet Belgiens Steuerzahler Milliarden. Pierre Mariani, der das Unternehmen führt, aber lebt seit drei Jahren in einer Herberge der Extraklasse - auf Firmenkosten und zusätzlich zum Bonus.
http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/:topmanager-im-tophotel-dexia-chef-lebt-seit-drei-jahren-im-luxushotel/60115121.html