Eine schwere Hypothek
Belgien wird in gewisser Weise zu einer Versicherungsgesellschaft, bringt es Gazet van Antwerpen auf den Punkt. Der Staat tritt an allen Fronten als Bürge auf. Da kann Finanzminister Reynders noch so oft wiederholen, dass der Staat für diese Garantien Prämien kassiere - hier bleibt ein enormes Risiko. Hinzu kommt: Die Föderalregierung hat ja auch schon diverse Pensionsfonds übernommen. Belgien spielt ein gefährliches Spiel und belegt unsere Kinder mit einer schweren Hypothek.
Zu behaupten, die Dexia-Rettung werde uns nichts kosten, das ist ein Ammenmärchen, meint auch Le Soir. Nichts ist umsonst. Da muss man nur mal bei den Gemeinden und den Regionen nachfragen. Tatsächlich geraten die Kommunen und auch die Teilstaaten zunehmend unter Druck, wie Le Soir auch auf seiner Titelseite berichtet. Der Dexia-Absturz könnte die Gemeinden bis zu 575 Millionen Euro kosten.
Die sogenannte Gemeindeholding, die die Dexia-Beteiligungen der Kommunen zusammenfasst steht am Abgrund. Und für eben diese Gemeindeholding haben die Regionen und die Gemeinschaften gebürgt. Es droht also ein Domino-Effekt. Die politisch Verantwortlichen wären denn auch gut beraten, nicht ihre Zeit damit zu verschwenden, den Deal schön zu reden, um die Märkte zu beruhigen, mahnt Le Soir. Dazu bedarf es allein eines glaubwürdigen Budgets.
Ähnlich sieht es Het Belang van Limburg. Gerettet ist ein großes Wort, meint das Blatt. Mehr denn je riskiert Belgien eine Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit. Die kommende Regierung - wahrscheinlich unter Elio Di Rupo wird den Karren aus dem Dreck ziehen müssen und das geht nur über einen glaubwürdigen Haushalt mit einschneidenden strukturellen Reformen.
Wer ist schuld?
Wie konnte es soweit kommen, fragen sich nach wie vor viele Blätter. De Standaard präsentiert auf seiner Titelseite eine mögliche Erklärung für das Dexia-Debakel. Demnach war es anscheinend so: Die Dexia-Spitze soll bei hochriskanten Geschäften handwerkliche Fehler gemacht haben. Hier geht es aber offenbar um Geschäfte, die vor dem Amtsantritt der heutigen Verantwortlichen eingefädelt wurden.
Die heutigen Verantwortlichen, das sind Geschäftsführer Pierre Mariani und Verwaltungsratspräsident Jean-Luc Dehaene. Und beide stehen enorm in der Kritik wie L'Echo auf seiner Titelseite hervorhebt. Die Betroffenen selbst plädieren auf unschuldig, verweisen auf die Fehler ihrer Vorgänger.
Und Het Laatste Nieuws stellt sich auf ihre Seite. Es wäre falsch, Dehaene und das heutige Management für das Drama verantwortlich zu machen. Es waren ihre Vorgänger, die dem Größenwahn verfallen waren, die zur weltweiten Nr. 1 der Finanzierer von öffentlichen Behörden aufsteigen wollten, die sich gigantische Bonuszahlungen zugeschustert haben. Dehaene und Mariani hatten damit begonnen, die Dexia von dem toxischen Erbe zu säubern. Ihnen fehlte aber die Zeit. Die Dexia wurde am Ende zum Opfer des Unvermögens der EU-Staaten, die Schuldenkrise zu stoppen.
… Mariani und Dehaene , oder doch ihre Vorgänger?
Mit dieser Einschätzung steht Het Laatste Nieuws jedoch ziemlich alleine da. Wie lautet denn bitte die Antwort auf die Frage nach der Schuld an dem Debakel, fragt sich etwa La Libre Belgique. Soll man sagen: "Schicksal" oder etwa: "Dumm gelaufen"? Hier geht es nicht darum, mit dem Finger auf Dehaene und Mariani zu zeigen, dennoch darf es dem belgischen Steuerzahler erlaubt sein, sich die Frage zu stellen, warum offensichtlich die belgischen Banken buchstäblich verflucht sind. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre eine Entpolitisierung der Verwaltungsräte.
Mariani und Dehaene flüchten vor der Verantwortung, notiert L'Echo. Ihre Zeit an der Dexia-Spitze ist längst nicht ohne Makel. Jean-Luc Dehaene fehlte es an Fachkenntnisse, Mariani hat die Befehle seines Mentors, des französischen Präsidenten Sarkozy, eins zu eins umgesetzt, und vor allem französischen Interessen gedient.
Mariani hat Geld aus dem belgischen Zweigstellennetz an die Holding transferiert - und das belgische Geld diente zur Aufrechterhaltung der alten, größenwahnsinnigen Träume, meint De Morgen. Am Ende musste Dexia ein zweites Mal gerettet werden - aus der Krise von 2008 hat man also offensichtlich nichts gelernt. Angefangen damit, dass auch Mariani fürstlich entlohnt wurde. Kleines Beispiel: Er wohnte seit drei Jahren in einem Brüsseler Luxushotel für über 500 Euro die Nacht.
Wer so viel verdient, der kann nicht, wenn's schief geht, darüber lamentieren, wie kompliziert doch sein Job ist, bemerkt Het Nieuwsblad. Die heutigen Dexia-Verantwortlichen sollten bitte die Sache noch statthaft abwickeln und sich dann diskret und demütig zurückziehen. Was den Spitzenbankern fehlt, ist Schuldbewusstsein.
Und wie soll man die Sache aufarbeiten? De Morgen plädiert für die Schaffung eines Untersuchungsausschusses. De Standaard glaubt demgegenüber nicht, das wir danach schlauer wären. Die Lösung läge wohl auch auf europäischer Ebene. Und die Rezepte sind bekannt: Es bedarf endlich einer Regulierung der Finanzmärkte.
"Unmöglich, das ist nicht belgisch"
Die Staatsreform wurde bei alldem übrigens buchstäblich in den Schatten gestellt. Der Stand der Dinge bei der Regierungsbildung wird zwar von vielen Zeitungen beleuchtet, allerdings erst nach den zahllosen Sonderseiten über die Dexia-Krise.
Die "Roten Teufel" haben es demgegenüber aber doch auf einige Titelseiten geschafft. "Ganz Belgien hofft auf Sieg gegen Deutschland", titeln fast gleichlautend Gazet Van Antwerpen und Het Nieuwsblad; mit einem Sieg gegen das Nachbarland könnte sich die Fußballnationalmannschaft ja doch noch für die EM qualifizieren. Und La Dernière Heure gibt den Mutmacher: "Unmöglich, das ist nicht belgisch", schreibt das Blatt.
Archivbild: Bruno Fahy (belga)