Die Rettung der Dexia Bank an diesem Wochenende steht ganz klar im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare in der Tagespresse. Viele Leitartikler kritisieren die Verantwortlichen der Bank, die es offensichtlich nicht geschafft haben, die Dexia nach einer ersten Rettung durch den Staat im Jahr 2008 zu stabilisieren. Und viele Zeitungen warnen: Der belgische Staat geht mir der Dexia-Rettung ein enormes Risiko ein.
"Der Staat kauft Dexia Belgien", titeln heute gleichlautend La Libre Belgique, L'Avenir und das Grenz-Echo. Andere Blätter nennen den Preis: Vier Milliarden Euro legt Belgien für Dexia auf den Tisch, wie Le Soir, Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen auf Seite 1 hervorheben. Das ganze Wochenende über war es ein Rennen gegen die Zeit. Die Rettung der Dexia musste stehen, bevor die Märkte heute wieder öffneten. Doch es ist eine "teure Rettung", wie De Standaard hervorhebt.
Het Laatste Nieuws rechnet vor: "Der Rettungsplan für Dexia kann 5.300 Euro pro Belgier kosten". Es ist ja so: Nicht nur, dass Belgien 100 Prozent der Anteile von Dexia Belgien übernimmt - der Staat bürgt auch zu rund 60 Prozent für die so genannte Bad Bank, also die Struktur, in der die toxischen oder faulen Papiere beziehungsweise die unrentablen Unternehmensteile geparkt werden sollen. Belgien übernimmt hier eine Garantie in Höhe von rund 54 Milliarden Euro. De Morgen spricht auf Seite 1 denn auch von einem "Pokerspiel mit Steuergeldern".
"Keine andere Wahl"
Der amtierende Premier Leterme und Finanzminister Reynders hatten sich gestern mit ihren Amtskollegen aus Frankreich und Luxemburg über die Verteilung der Risiken verständigt. Leterme sprach im Anschluss von einem "fairen Deal", wie unter anderem das Grenz-Echo und De Standaard hervorheben.
Der Rettungsplan für Dexia steht naturgemäß auch im Mittelpunkt der Kommentare. Es wäre müßig, sich die Frage zu stellen, ob die Entscheidungen vom Wochenende nun gut oder schlecht sind, meint etwa La Dernière Heure. Vielmehr ist es so: Belgien hatte keine andere Wahl. Eine mögliche Pleite von Dexia wäre noch viel teuer geworden.
Dexia, das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Staatsaffäre, notiert La Libre Belgique. Klar: Der Staat ist kein Bankier. Sein Engagement bei Dexia ist nicht für die Ewigkeit. Jetzt gilt es aber in erster Linie, die geeigneten Leute an die Spitze der Bank zu setzen, Experten, die im Gegensatz zu den heutigen Verantwortlichen ihr Handwerk verstehen.
Auch Gazet van Antwerpen übt Kritik an der bisherigen Führungsspitze von Dexia. Die Verantwortlichen wurden fürstlich entlohnt. Und wenn's schief geht, dann wird die Rechnung dem Steuerzahler präsentiert. Das ist gesellschaftlich unverantwortlich.
"Bürger zahlt die Zeche"
L'Avenir kann sich nur wundern. In einer Welt, in der knallharter Liberalismus Trumpf ist, geht "Verstaatlichung" allenfalls als Schimpfwort durch. Aber anscheinend eben nicht immer. Wenn sich eine Bank verzockt, dann darf plötzlich der Staat den Kopf hinhalten. Ist das nicht ein bisschen zu einfach?, fragt sich L'Avenir. Die Gewinne werden unter Aktionären aufgeteilt - und wenn's eng wird, dann übernimmt der Staat die Verluste.
"Herzlichen Glückwunsch", wendet sich derweil Het Nieuwsblad an seine Leser. "Herzlichen Glückwunsch, Sie haben an diesem Wochenende eine Bank gekauft". Und gleich, was die Politiker Ihnen erzählen: Den Deal vom Wochenende, den werden Sie bezahlen. Zunächst ist da der Kaufpreis für Dexia Belgien von vier Milliarden. Darüber hinaus übernimmt der Staat milliardenschwere Garantien. Und nicht zu vergessen: Auch die so genannte Gemeindeholding, die ja die Beteiligung der Gemeinden an Dexia zusammenfasst, steht am Abgrund. Auch einige Gemeinden könnten dazu gezwungen werden, ihre Verluste über die Steuerschraube auszugleichen. Ergo: Der Bürger muss wieder einmal die Zeche zahlen für die Fehler von einer Handvoll gut bezahlter Banker.
Apropos Gemeindeholding: L'Avenir bringt heute eine Liste der wallonischen Gemeinden, die am schlimmsten von dem Dexia-Debakel betroffen sind. Auf Platz 1 steht die Stadt Charleroi, die über Dexia-Anteile im Gesamtwert von über 35 Millionen Euro verfügt. Die Stadt Eupen steht übrigens in dieser Liste auf Platz 48.
Ein enormes Risiko
Vielleicht ist Dexia gerettet, Belgien dafür aber nicht unbedingt, meint Het Laatste Nieuws in einem düsteren Leitartikel. Während viele Gemeinden mitunter viel Geld verlieren, übernimmt Belgien ein enormes Risiko. Die Bürgschaft für die Bad Bank, das ist ein Damoklesschwert. Zum zweiten Mal zeigt sich, dass einige belgische Banken gemessen an der Wirtschaftsleistung des Landes zu groß waren. Jetzt muss die Zeit gekommen sein, um endlich die Probleme bei der Wurzel zu packen und Maßnahmen zur Regulierung des Bankensektors zu ergreifen.
Ja, die Dexia war zu groß, konstatiert auch De Morgen. Sie war "too big to fail", zu groß, um sie pleitegehen zu lassen. Und das hat die Regierung wiederum dazu genötigt, ein enormes Risiko einzugehen. Im schlimmsten Fall könnte die Dexia-Rettung 60 Milliarden Euro kosten, nämlich dann, wenn sich die Papiere und Beteiligungen in der Bad Bank allesamt als Ramsch erweisen würden. Da bleibt nur "Daumen drücken" dass dem nicht so ist, ansonsten landet Belgien schnell auf dem Niveau von Griechenland oder Irland.
Durch die Dexia-Rettung gerät Belgien jetzt schon unter Druck, weiß seinerseits De Standaard. Jetzt erst recht werden die Märkte Belgien kritisch beäugen. Vor diesem Hintergrund ist Regierungsbildner Elio Di Rupo jetzt dazu verdammt, einen glaubwürdigen Haushalt zu präsentieren, um vor allem die gefürchteten Rating-Agenturen günstig zu stimmen. Nur durch drastische Sparmaßnahmen kann eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes verhindert werden.
Das Ende einer Ära
Das Dexia-Debakel dürfte für das Ende eines ganzen Systems stehen, orakelt derweil Le Soir. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren müssen die Staaten ihre Banken retten. Dexia ist wohl nur der Anfang. Das Problem: Diesmal stürzen die Banken ab, weil sie zu viele Staatsanleihen besitzen, die wegen der Euro-Krise zusehends an Wert verlieren. Und wenn die Staaten ihren Banken helfen, müssen sie sich weiter verschulden und geraten an den Finanzmärkten noch mehr unter Druck. Das ganze System steckt in einem Teufelskreis. Die einzige Lösung ist, dass die Bürger selbst ihre Staatsschuld übernehmen. Nur so kann man dem Diktat der Ratings-Agenturen entgehen.
Bild: Bruno Fahy (belga)