"Di Rupo muss zehn Milliarden Euro finden", titeln fast gleichlautend De Morgen und das Grenz-Echo. "Auf der Suche nach 8,5 Milliarden Euro", meint dagegen Le Soir auf Seite 1.
Diese Schlagzeilen illustrieren schon die derzeitige Verwirrung über die Haushaltszahlen. Tatsächlich ist es so: Das so genannte Planbüro und auch die Nationalbank haben unlängst das Sparvolumen für das kommende Jahr auf 5,7 Milliarden Euro beziffert.
Das so genannte Monitoring-Komitee, das für die Regierung ebenfalls die Haushaltsentwicklung im Auge behält, sprach demgegenüber von zehn Milliarden Euro, die es zu finden gilt, um die von der EU vorgegebenen Haushaltsziele zu erreichen.
Surrealistisches Jojo-Spiel: "Wer bietet mehr?"
Zwar gibt es anscheinend Erklärungen - unter anderem buchhalterischer Art - für die gewaltige Schere zwischen den jeweiligen Haushaltsschätzungen. Le Soir spricht in diesem Zusammenhang dennoch von einem "surrealistischen Jojo-Spiel". Wo liegt die Wahrheit? fragt sich das Blatt. Und die Antwort steht eben in Blockbuchstaben auf Seite 1: Es dürften am Ende wohl 8,5 Milliarden Euro sein, die die künftige Regierung finden muss, um das Budget 2012 in der Spur zu halten.
"Wer bietet mehr?", fragt sich derweil Het Laatste Nieuws in seinem Kommentar. Anfang September spricht man von 5,7 Milliarden Euro, am Montag von acht und jetzt von zehn Milliarden. Da blickt doch keiner mehr durch, am wenigsten der Bürger. Vielleicht, so mutmaßt das Blatt, werden hier ja nur Zahlen aufgeblasen, um die Bevölkerung auf schmerzliche Einschnitte vorzubereiten.
Gazet Van Antwerpen macht das Theater um die Haushaltszahlen richtig wütend. All diese Experten, die da die unterschiedlichsten Zahlen vorlegen, arbeiten doch für ein und dieselbe Regierung, oder etwa nicht? Das Ganze sorgt doch nur für Besorgnis bei den Bürgern. Kein Wunder, dass das Verbrauchervertrauen im Keller ist.
L'avenir vergleicht das Ganze mit Monopoly. Hier wird munter mit Zahlen um sich geworfen, mal sind es 5,7, dann wieder zehn Milliarden Euro, als wäre es nichts. Das ist doch unseriös, meint das Blatt. Schlimmer ist allerdings noch, dass man sich in der Rue de la Loi mal wieder über ganz andere Dinge streitet, etwa über die Spaltung des Gerichtsbezirks BHV.
Zahlen hin oder her, meint derweil La Dernière Heure: Eins ist sicher - Die Rechnung wird für die Bürger gesalzen ausfallen. BHV, das war im Grunde nur die kalte Vorspeise.
Doch gilt: Was sein muss, muss sein, so die Kernforderung im Leitartikel von La Libre Belgique. Seit mehr als 30 Jahren sind die belgischen Staatsfinanzen im Minus. Bis heute stellt die Staatsschuld eine Zentnerlast dar. Wenn man also nicht den kommenden Generationen ein ausgeblutetes Land hinterlassen will, dann müssen die Brüsseler Verhandlungspartner jetzt Nägel mit Köpfen machen: Ein strikter Sparkurs muss gesetzt werden, und zwar auf allen Ebenen. Und hier darf es nicht um Ideologie gehen, hier ist nur Mut gefragt. Die Entgleisungen von heute sind die Steuern von morgen.
Ehrgeizige Pläne unter düsteren Vorzeichen
Apropos Regierungsprogramm: La Libre Belgique bringt heute ein großes Interview mit der amtierenden Vizepremier- und Arbeitsministerin Joëlle Milquet. Die plädiert für einen veritablen Beschäftigungspakt: Ab dem kommenden Jahr müssten jährlich 56.000 neue Jobs geschaffen werden.
Dabei haben die belgischen Unternehmen an der Börse in letzter Zeit mächtig einen auf die Mütze bekommen, wie L'Echo feststellt. Innerhalb von drei Monaten verlor der Bel-20-Index 18 Prozent an Wert. Dabei steht der Finanzplatz Brüssel aber im Vergleich zu vielen anderen noch ganz gut da. Geht es noch schlimmer? fragt sich das Blatt in seinem Leitartikel. "Ja, durchaus", so die beängstigende Antwort. Die Eurokrise ist noch nicht vorbei, zugleich steuert die Welt auf eine neue Rezession zu. Beides kann an den Börsen noch für mächtig Wirbel sorgen.
In Belgien und Frankreich richten sich indes mehr und mehr besorgte Blicke auf die Dexia-Bank. Faule Kredite, insbesondere in Frankreich, können die Dexia schon bald ins Wanken bringen, so die allgemeine Befürchtung. Dexia macht die Rue de la Loi nervös, stellt De Morgen fest. Le Soir widmet dem Schicksal der Bank seinen Leitartikel. Das Blatt plädiert vor allem für eins: Transparenz - Es bedarf endlich klarer Aussagen von Seiten der Verantwortlichen.
Ab wann ist eine Revolution "kopernikanisch"?
Einer dieser Verantwortlichen, das ist Alt-Premier Jean-Luc Dehaene, der Verwaltungsratsvorsitzender von Dexia ist. Und der ließ gestern mit einer klaren Aussage aufhorchen, allerdings in einem ganz anderen Kontext. In einem Zeitungsinterview erklärte Dehaene, die derzeit verhandelte Staatsreform sei zwar gewichtig, laufe aber eben doch nicht auf die von Flandern geforderte "kopernikanische Revolution" hinaus. Zwar ruderte Dehaene später zurück, bei der flämischen Regierung hat die Aussage dennoch für Unruhe gesorgt. Die Equipe um den flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters wird die Staatsreform ja am Ende an den eigenen Forderungen messen müssen.
Ab wann ist eine Revolution kopernikanisch? fragt sich denn auch De Standaard in seinem Leitartikel. Es wäre in jedem Fall falsch, wenn man in solchen Fragen weiterhin wie schon so oft zwischen "guten" und "schlechten Flamen" unterscheidet. Auch sollte man nicht immer mit Zahlen argumentieren, die beweisen sollen, wie viel Geld oder wie viele Zuständigkeiten an Flandern gehen. Hier geht es nicht um Zahlen, sondern um Emotionen: Das neue Belgien muss nicht die Köpfe, sondern die Herzen überzeugen.
Auch Het Belang Van Limburg mahnt zur Besonnenheit. Womöglich hat Dehaene sogar Recht, womöglich wird es tatsächlich keine kopernikanische Revolution. Nun, man kann es bedauern, aber wir haben derzeit auch noch andere Sorgen. Erstmal muss der Haushalt in die Spur gebracht werden, hier geht es schließlich auch um die Zukunft Flanderns. Und kurzfristig ist das wichtiger als eine kopernikanische Revolution.
Beide Blätter sind sich einig: Die Aussage von Dehaene hat vor allem N-VA-Chef Bart De Wever in die Karten gespielt. De Wever übt denn auch in einem Interview mit Het Laatste Nieuws harsche Kritik an den bislang erzielten Abkommen: Von einer kopernikanischen Revolution könne keine Rede sein, es sei allenfalls eine Pirouette. Und die Zeche zahlt am Ende Flandern. Er sei richtig wütend, fasst Het Laatste Nieuws denn auch den Gemütszustand von De Wever zusammen.
Postenkarussell
De Morgen ärgert sich über einen - wie das Blatt titelt - "Postenschacher" bei den Staatsbetrieben. Beim Unternehmen "Brussels-Airport", dem Betreiber des Landesflughafens Zaventem, soll der scheidende Geschäftsführer Luc Van den Bossche durch den Kabinettschef des amtierenden Premierministers Leterme ersetzt werden. Bei Belgacom ist der scheidende CD&V-Staatssekretär Schouppe als möglicher neuer Verwaltungsratschef im Gespräch. Auch La Libre Belgique widmet dem Postenkarussell seine Titelseite.
Justiz und Presse
Insbesondere Het Belang van Limburg und De Morgen befassen sich heute mit den Spannungen zwischen Justiz und Presse, die im Zuge des Prozesses gegen den mutmaßlichen Serienmörder Ronald Janssen vor dem Schwurgericht von Tongeren zutage getreten sind. Der vorsitzende Richter wirft der flämischen Fernsehanstalt VRT vor, unbefugt Bilder von einer Hausdurchsuchung veröffentlicht zu haben. Kommentierend meint De Morgen dazu: Der vorsitzende Richter hantiert da mit Vorwürfen, die er nicht beweisen kann. Ohnehin gilt, dass Gerichtsprozesse öffentlich sind, dass also durchaus auch Dinge aus dem Gerichtssaal nach außen dringen dürfen. Und das ist auch gut so.
No smoking
Gazet Van Antwerpen befasst sich mit den Folgen des Rauchverbots in Kneipen und stellt auf seiner Titelseite fest: Wegen des Verbots haben die Gaststätten ein Viertel ihrer Kundschaft verloren.
Verkehrstote
La Dernière Heure schließlich stellt sich die Frage, warum es in der Wallonie verhältnismäßig mehr Verkehrstote als in Flandern gibt. Zwei mögliche Erklärungen: erstens - der Straßenzustand. Und zweitens - die Tatsache, dass es in der Wallonie längst nicht so viele Kontrollen gibt wie in Flandern.
Bild: belga