"Game-over, Scheidung, vorbei": Das Bündnis zwischen MR und FDF steht vor dem Aus. Zwischen Olivier Maingain und Charles Michel geht nichts mehr, schreibt Le Soir. Nach 18 gemeinsamen Jahren folgt jetzt das brutale Ende, meint La Libre Belgique. Die FDF fordert eine Neuverhandlung des Abkommens über BHV, die MR dagegen hat die Einigung geschlossen begrüßt. Damit steht so gut wie fest: Auf ihrem Parteikongress am Sonntag wird die FDF den Ausstieg aus dem Bündnis mit den Liberalen beschließen.
Wer bisher noch nicht verstanden hatte, warum der Fall Brüssel-Halle-Vilvoorde so kompliziert ist und warum er so viele Regierungen zum Sturz gebracht hat, der bekommt jetzt einen besseren Einblick, findet Le Soir. Für den Kompromiss mussten zwei politische Bündnisse platzen. Im Sommer lösten sich die flämischen Christdemokraten von den Nationalisten, jetzt gehen auch MR und FDF wieder getrennte Wege. Het Laatste Nieuws stellt fest: Es ist das Ende der Kartelle.
Bündnisse vor dem Aus
Auch Het Belang van Limburg meint: Die Zweckbündnisse haben ausgedient. Gegründet wurden sie meistens aus der finanziellen Not heraus wegen des neuen Parteiengesetzes und nach der Einführung der Fünf-Prozent-Hürde. In Zukunft wird es wieder mehr Parteien geben. Das erschwert das politische Leben, doch für den Wähler wird einiges klarer: Er weiß jetzt wieder genau, wem er seine Stimme gibt. De Morgen schreibt, die Trennung von MR und FDF könnte für beide Parteien schwerwiegende Folgen haben. Die Liberalen werden mit allen Mitteln versuchen, die Vormachtstellung der FDF in Brüssel zu beenden. Offenbar feilen die Liberalen schon an einem Plan, um den einzigen FDF-Staatssekretär aus der scheidenden Föderalregierung herauszuwerfen.
MR-Chef Charles Michel nimmt ein großes politisches Risiko, doch ihm bleibt nichts anderes übrig, meint die Zeitung. Auch La Libre Belgique ist überzeugt, dass die Liberalen bereits die Kommunalwahl 2012 in Brüssel vorbereiten und sich auf einen harten Wahlkampf mit der FDF einstellen.
Gazet van Antwerpen kommt auf das Ende des anderen Kartells zurück und stellt fest: Die N-VA beendet auch die Zusammenarbeit mit den Christdemokraten auf lokaler Ebene. In 20 flämischen Kommunen, in denen CD&V und N-VA 2006 noch gemeinsam angetreten waren, werden beide Parteien jetzt getrennte Wege gehen. Die Zeitung befürchtet, dass die Nationalisten bei der Kommunalwahl nicht so stark punkten werden wie bei der Föderalwahl im vergangenen Jahr. In den Kommunen kann die N-VA ihre gemeinschaftspolitische Trumpfkarte nicht spielen. Auf lokaler Ebene kommt es auf konkrete und bürgernahe Entscheidungen an. Da haben traditionelle Parteien mit ihren über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen eine bessere Ausgangsposition.
Mit oder ohne Grüne?
Le Soir und De Standaard werfen einen Blick auf die aktuellen Beratungen zur Staatsreform. Nach Angaben der französischsprachigen Zeitung könnte eine Einigung bis zum Ende der Woche erzielt werden. Dann würden die echten Koalitionsgespräche über die Zusammensetzung des Kabinetts und das Regierungsprogramm starten. Dass die flämischen Liberalen die Grünen nicht dabei haben wollen, versteht das Blatt nicht. Auch De Standaard meint, ein Großteil der Bevölkerung kann das nicht nachvollziehen. Die Grünen haben in den letzten Monaten fleißig mitgearbeitet, und jetzt soll man sie einfach daneben setzen?
Het Nieuwsblad gibt zu bedenken, eine Regierung ohne Groen! hätte keine eigene Mehrheit in Flandern. Die flämischen Parteien sollten nicht leichtsinnig einem solchen Kabinett beitreten. Die Kehrseite der Medaille sieht allerdings so aus: Mit den Grünen wären auf französischsprachiger Seite alle Parteien an der Macht. Keine Opposition, auch das keine zufriedenstellende Lösung.
Monsterprozess gegen Janssen
Die meisten Zeitungen berichten über den Start des wohl größten Gerichtsprozesses dieses Jahres, darunter L'Avenir und Het Belang van Limburg. 200 Journalisten, 120 Jurymitglieder und drei Morde: Vor dem limburgischen Schwurgericht in Tongern beginnt ein Monsterprozess. Der mutmaßliche Serienmörder Ronald Janssen muss sich für den Tod von drei Menschen verantworten, außerdem soll er mehr als 20 Frauen vergewaltigt haben. Mehr als 150 Zeugen sollen in den nächsten Wochen gehört werden. Das Urteil wird nicht vor dem 20. Oktober erwartet.
Gespannt blicken alle vor allem auf den Mordfall der jungen Annick Van Uytsel. Bei den Ermittlungen waren zahlreiche Pannen passiert. Justizminister Stefaan de Clerck erklärte sogar, solche fehlerhaften polizeilichen Ermittlungen dürfe es nicht mehr geben. L'Avenir ist überzeugt: Ronald Janssen ist ein Serienmörder. Die Zeitung stellt sich auf spannende Gerichtsverhandlungen ein, denn für L'Avenir steht fest: Janssen hat noch längst nicht alles gesagt.
Auf der Straße
"Schon wieder müssen Kinder auf der Straße schlafen", titelt Het Laatste Nieuws. Mehr als 70 Roma, darunter viele Kinder, waren gestern aus dem Brüsseler Nordbahnhof vertrieben worden. Weil die meisten aus dem EU-Land Tschechien stammen, haben sie kein Anrecht auf eine Asylprozedur. Belgien erlebt ein peinliches Déjà-vu, meint die Zeitung und warnt vor einer neuen Auffangkrise.
Archivbild: Kristof Van Accom (belga)