"Ein Wunder ist geschehen", titelt Het Belang van Limburg. Nach 458 Tagen Dauerkrise haben die acht Parteien einen Kompromiss erzielt. La Libre Belgique schreibt "Di Rupo entschärft die BHV-Bombe". De Standaard meint, die Unterhändler haben den Sprung gewagt, Gazet van Antwerpen spricht von einer historischen Einigung, L'Avenir titelt "Weißer Rauch über BHV" und De Morgen fasst nüchtern zusammen, "Der Wahlkreis Brüssel-Halle-Vilvoorde ist geteilt".
Es ist vollbracht, meint Le Soir: Flamen und Französischsprachige haben sich endlich geeinigt über die Teilung eines Wahlbezirks, der schon Regierungen zum Stürzen gebracht hat, Premierminister zum Rücktritt gezwungen und die Neue Flämische Allianz hervorgerufen hat. BHV hätte Belgien sogar fast in den Abgrund getrieben.
Geheimwaffe König
Het Laatste Nieuws erklärt, wie Regierungsbildner Di Rupo den Durchbruch erzwungen hat. Die Geheimwaffe heißt König Albert. Den hat der Regierungsbildner aus dem Urlaub in Südfrankreich zurückfliegen lassen. Zuvor hatte Di Rupo in einem dramatischen Aufruf klar gemacht, "Jetzt oder nie". Die Lage schien festgefahren. In der Nacht dann die Einigung.
De Standaard fragt: Musste das ganze Theater sein? Die Zeitung bezweifelt, dass die Lage wirklich so aussichtslos war. Ein bisschen sei das Ganze schon inszeniert gewesen. Die Zeitung hält aber fest: Der theatralische Appell von Regierungsbildner Di Rupo hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die letzte Chance auf Einigung war die Richtige. Den Durchbruch haben aber die flämischen Parteien möglich gemacht. Sie hätten gestern ein neues, letztes Angebot vorgelegt.
Endlich vollbracht
Het Nieuwsblad meint: Nach dem Theater folgte der Kompromiss. Die Zeitung beschreibt ihn in Großbuchstaben als historisch. Seit fast 50 Jahren sorgt BHV für schwere Verstimmungen zwischen Flamen und Wallonen. Bislang hatte niemand das Problem lösen können. Kompromisse waren immer wieder gescheitert. In den 70er Jahren misslang der Egmont-Pakt. Auch 2005 reichte es nicht für eine Einigung. Nach den Wahlen vom Juni 2010 brauchte es 458 Tage und insgesamt acht Versuche. Zuerst Bart De Wever, dann Elio Di Rupo, dann Danny Pieters und André Flahaut, anschließend wieder Bart De Wever. Der Fünfte im Bund hieß Johann Vande Lanotte, dann kam Didier Reynders, anschließend Wouter Beke. Und jetzt die Einigung mit Elio Di Rupo. Het Nieuwsblad weiß aber auch: Das ist nur der Anfang. BHV war der Sand im belgischen Getriebe. Mit der jetzt erzielten Einigung sind noch nicht alle Steine aus dem Weg geräumt. Es gibt noch viel zu tun und es liegen knifflige Akten auf dem Tisch. Doch die Zeitung hofft, dass es jetzt Klick gemacht hat, dass das erste Ergebnis den Auslöser für weitere bildet.
Nationalisten üben Kritik
Nach der Ansicht von De Morgen wird der Wahlkreis relativ "sauber" geteilt, ohne große Zugeständnisse an die Französischsprachigen - so wie die flämischen Parteien es gefordert hatten. Gazet van Antwerpen allerdings sieht das anders und befürchtet neue Probleme, vor allem innerhalb der flämischen Regierung. Denn dort sind die Nationalisten vertreten. Die Einigung kann nicht als flämischer Sieg betrachtet werden, ist die Zeitung überzeugt. Französischsprachige bekommen noch immer Sonderrechte in Flandern, für die es keine Grundlage gibt. Auch wenn diese Rechte ein für allemal auf die sechs Randgemeinden beschränkt wurden.
La Libre Belgique hält dagegen: Natürlich kann man den Kompromiss kleinreden. Von den flämischen Hardlinern werden die acht Parteien wohl verurteilt werden, weil die Teilung nach ihrem Ermessen nicht weit genug geht. Auch in Brüssel werden einige Bauchschmerzen haben. Aber das spielt keine Rolle, meint die Zeitung. Die acht Parteien haben jetzt einen Pokal, den vor ihnen noch niemand in der Händen halten durfte. Die Flamen dürfen zufrieden sein, und auch die Französischsprachigen.
Erster Schritt …
Le Soir ist überzeugt: Bei dieser Einigung haben die Frankophonen den größten Schritt gemacht, deshalb lobt das Blatt auch den Mut von Charles Michel, dem Vorsitzenden der liberalen MR. Ähnlich wie die CD&V Ende Juli hat er jetzt das größte Risiko auf sich genommen. Er ist es, der sich den Zorn seines kleinen Partners FDF anhören muss. Doch die MR hat sich für den Fortschritt entschieden, mit oder ohne Olivier Maingain, schlussfolgert Le Soir.
In einem Punkt sind sich heute alle Zeitungen einig: Nach dem Durchbruch und dem historischen Kompromiss in der Symbolakte Brüssel-Halle-Vilvoorde ist das Spiel noch nicht gewonnen. Ein Problem ist gelöst, doch jetzt gilt es die weiteren Modalitäten der großen Staatsreform zu definieren und möglichst schnell zu den eigentlichen Problemen des Landes und seiner Einwohner zu kommen. In den Bereichen Wirtschaft und Soziales warten große Herausforderungen auf Belgien. Das Wunder ist noch nicht vollbracht aber wir sind auf dem Weg dorthin.
Bild: Dries Luyten (belga)