Die Zeitungen stehen auf ihren Titelseiten ganz im Zeichen des scheidenden Premierministers Yves Leterme. Ihm gehören die Schlagzeilen, denn er verlässt die belgische Politik, um spätestens gegen Jahresende beigeordneter Generalsekretär der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zu werden.
"Bye bye Belgium " titelt dazu La Libre Belgique. Und in De Standaard lautet die Schlagzeile: "Leterme findet den Ausgang". Kommentierend heißt es dazu in La Libre Belgique: Leterme ist der richtige Mann für sozialwirtschaftliche sowie Haushaltsfragen. Für die belgische Gemeinschaftspolitik fehlte ihm eine gewisse Dosis Strategie, Geschick und Phantasie. Was sein Erbe betrifft, so hinterlässt er uns eine N-VA mit einem Stimmenanteil von rund 30 Prozent. Leterme war es, der die Idee hatte, ein Kartell zwischen seiner Partei, der CD&V, und der N-VA zu bilden, in der Hoffnung, De Wever unter seine Kontrolle zu bekommen. Das ist ihm jedoch nicht gelungen, indessen ist De Wever zu einem Dinosaurier geworden, während Dompteur Leterme sich aus dem Staub macht.
Le Soir schreibt, dass Leterme sich für die OECD entscheidet, dagegen ist nichts zu sagen. Doch das Timing und die Umstände hätten wirklich nicht schlechter sein können. Der geschäftsführende Premierminister verlässt die Politik gerade jetzt, wo niemand weiß, ob und wann Belgien eine neue Regierung bekommt, wie es um den Haushalt steht, und ob unser Bankensystem die nächsten Monate überleben wird. Wie kann man von den Belgiern verlangen, so fragt abschließend Le Soir, noch an ihr Land zu glauben, wenn der geschäftsführende Premierminister sie fallen lässt?
Neuer OECD-Job passt besser zu Leterme
Gazet van Antwerpen sieht das alles weniger dramatisch, sondern stellt fest: Der neue Job bei der OECD in Paris passt besser zu Leterme. In Belgien war und ist er politisch beschädigt. Trotzdem erntete er in den vergangenen Monaten viel Applaus für den belgischen Vorsitz bei der Europäischen Union und seine Antikrisenpolitik. Immerhin hat Belgien die Wirtschaftskrise bisher besser überstanden als die meisten Nachbarländer. Auf jeden Fall ist er mehr Techniker und Aktenkenner als politischer Führer. Bei der OECD wird er sicherlich mehr Erfolg haben als auf der politischen Bühne in Brüssel.
Vor dem letztem Verhandlungsversuch: Eile ist geboten
Das zweite große Thema des Tages findet in den Zeitungen noch kein Echo, denn als Regierungsbildner Di Rupo letzte Nacht bekanntgab, dass die Verhandlungen zur Regierungsbildung sich an BHV total festgefahren haben, und er heute noch einen allerletzten Versuch unternehmen will, da waren die Zeitungen bereits im Druck.
Trotzdem kommentieren einige, wie Het Laatste Nieuws, die Verhandlungen zwischen Di Rupo und den acht Parteien, um vor allem auf Eile zu drängen: Während sie über BHV und die Ernennung von einigen Bürgermeistern verhandeln, steht die Welt nicht still. Es ist höchste Zeit, mehr Kompromissbereitschaft zu zeigen. Viele Bürger machen sich zu recht darüber Sorgen, wie sicher ihr Erspartes ist, wie es um ihre Renten steht, oder ob sie morgen noch einen Job haben werden.
Het Nieuwsblad weist in diesem Zusammenhang auf die dringende Notwendigkeit eines schlüssigen Haushalts für das kommende Jahr hin. Die dafür erforderlichen Einsparungen werden so bedeutend und wahrscheinlich auch schmerzvoll ein, dass man den Haushalt nicht einer geschäftsführenden Regierung überlassen kann. Würde man das wirklich tun, dann müsste sie einen der schwierigsten Haushalte der letzten Jahre ausarbeiten, während die Leute, die die neue Regierung bilden sollen, sich um zweitrangige gemeinschaftspolitische Themen kümmern. Dass Belgien surrealistische Züge aufweist ist bekannt, doch dies wäre ein bisher nie erlebter Höhepunkt der Absurdität.
Belgien stimmt umstrittenem Griechenland-Hilfspaket zu
Verschiedene Zeitungen kommentieren die Zustimmung des belgischen Parlaments zum europäischen Hilfspaket für Griechenland. Dazu schreibt Het Belang van Limburg: Dieses Projekt kann erst starten, wenn alle Mitgliedsländer der Eurozone es gutgeheißen haben. Genau dies geht in gewissen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland und den Niederlanden, nicht so glatt über die Bühne wie in Brüssel. Deutsche und Niederländer sind allem Anschein nach nicht länger bereit, die Verschwendungssucht der Griechen zu bezahlen. Sie verlangen von Athen einen drastischen Sparkurs und vergessen dabei, dass die Griechen sich damit kaputtsparen würden.
Zum gleichen Thema schlussfolgert De Morgen: In der Eurozone wagt zwar noch niemand, den Bankrott Griechenlands anzukündigen, doch bereiten einige sich auf das Schlimmste bereits vor.
Archivbild: Julien Warnand (belga)