"Wir führen völlig nutzlose Gespräche" zitiert De Morgen auf seiner Titelseite aus dem Brief. Caroline Gennez schreibt weiter: "Die CD&V wird niemals so weit gehen".
"Es gibt wieder Spannungen am Verhandlungstisch, und gestern sind sogar die Fetzen geflogen", wissen gleich mehrere Blätter zu berichten. Zankapfel ist weiterhin die Spaltung des Wahl- und Gerichtsbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde. Die liberale MR will im Gegenzug Entschädigungen für die Französischsprachigen erhalten.
Pessimistische Schoß-Notizen
Doch Het Belang van Limburg meint: Damit steht Charles Michel allein auf weiter Flur. Die MR ist bei den Beratungen offenbar isoliert. Philippe Moureaux von der PS richtete gestern einen Appell an die Frankophonen, einer Einigung zuzustimmen. Sollten die Gespräche nämlich scheitern, wird Bart De Wever wieder auftauchen.
Gazet van Antwerpen kommt auf die Schoß-Notiz von Caroline Gennez zurück und zeigt, dass belgische Politiker in Zeiten der Zurückhaltung oft mit Briefen auf ihren Knien nach außen kommuniziert haben. Die Zeitung listet Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit auf und zeigt noch einmal Jean-Luc Dehaene, Elio Di Rupo und Bart De Wever mit ihren nur dürftig versteckten Botschaften auf dem Schoß.
Gute Gründe für einen notwendigen Kompromiss
De Morgen notiert: Das alles ist nur Folklore. Vor allem die Verantwortlichen der flämischen Sozialisten sollte man mal zu einem Medientraining schicken. Bei ihnen gibt es immer wieder Briefe, Telefonate und geheime E-Mails, die in die Öffentlichkeit gelangen.
Auch Le Soir meint: Schluss mit dem Kinderquatsch und ran an den Verhandlungstisch! Die Parteien beraten seit hunderten von Tagen. Man traut sich mittlerweile sogar nicht mehr, die echte Zahl zu nennen. Flamen und Französischsprachige müssen gemeinsam zu einem Kompromiss gelangen. Es gibt genügend Gründe dafür, und die müssten eigentlich nicht mehr aufgezählt werden. Überall in Europa spricht man von Krise, der Euro ist kurz vor seinem Tod gerettet worden, die Angst vor einem Rückgang der Wirtschaft wird immer größer, und der amerikanischen Produktionsmaschine droht der Stillstand. Also bitte: Tut etwas!
"Trop flamand - te franstalig", fasst La Libre Belgique das Dilemma auf seiner Titelseite zusammen. 452 Tage nach der Wahl sind die Streitpunkte zwischen Flamen und Wallonen weiterhin ungelöst. Die Zeitung meint, Di Rupo hatte vor einem Jahr schon mal dasselbe gesagt: Er müsse das Unvereinbare vereinen.
Pflichtbewusster Di Rupo in griechischer Tragödie
Het Laatste Nieuws spricht von einer "griechischen Tragödie", sieht aber durchaus noch Hoffnung. Gemeinschaftspolitische Verhandlungen waren in Belgien noch nie einfach. Sie waren immer langwierig, zäh und dramatisch. Trotzdem gibt es derzeit auch positive Signale. Die sieht das Blatt beim flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters, der mit seinen Äußerungen eine Öffnung erkennen ließ.
De Standaard titelt auf Seite 1: Weitermachen trotz aller Schwierigkeiten. Im Kommentar findet das Blatt nur lobende Worte für Regierungsbildner Elio Di Rupo. Dessen ältester Bruder war gestern gestorben, die Verhandlungen gingen aber fast ganz normal weiter. Keine Zeit, um zu trauern, das ruft Bewunderung hervor. Di Rupo verhält sich wie ein Staatsmann, ist pflichtbewusst. Es geht um seinen politischen Auftrag, nicht um persönliche Befindlichkeiten. Doch das muss nicht so sein, meint De Standaard, und deswegen verdient Di Rupo unseren Respekt.
Belgische Wettbewerbsfähigkeit verbessert
"Nach der Eurorettung durch das deutsche Bundesverfassungsgericht atmen die Märkte auf", meint das Wirtschaftsblatt L'Echo und veröffentlicht positive Zahlen für Belgien. Unser Land ist wettbewerbsfähiger geworden. Beim Ranking des Weltwirtschaftsforums kann Belgien vier Plätze gutmachen und landet auf Rang 15, überholt damit sogar Frankreich. Doch die gute Neuigkeit verdeckt auch einige Schwächen: einen enormen Steuerdruck, die hohe Staatsverschuldung, die Unbeweglichkeit auf dem Arbeitsmarkt und zu viel Bürokratie. Das sind alles Faktoren, die die Wirtschaft bremsen. Die Probleme können nur durch tiefgreifende Reformen gelöst werden. Darum wird sich die nächste Regierung kümmern müssen. Noch ein Grund mehr, warum die Akte BHV so schnell wie möglich vom Tisch muss, meint L'Echo.
Polizeipräsenz und Wachsamkeit vor 11. September
Gazet van Antwerpen bemerkt auf Seite 1: Aus Angst vor neuen Terroranschlägen vor dem 11. September hat die Polizei ihre Präsenz auf den Straßen deutlich erhöht. Das gilt vor allem für den Großraum Brüssel. In Zug- und U-Bahnhöfen und am Flughafen, die Polizisten sind überall zu sehen. Auch die amerikanische und die britische Botschaft, das NATO-Hauptquartier und das Europaviertel stehen an diesem Wochenende unter besonderem Schutz.
Bild: Benoit Doppagne (belga)