"Familiendrama - zwei Kinder ermordet", titelt heute La Dernière Heure. "Kinderleichen in Aalst gefunden", schreibt das Grenz-Echo auf Seite 1. "Zu Hause getötet durch die Eltern", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
In Aalst hat sich am Freitag eine Tragödie ereignet mit der sich fast alle Zeitungen beschäftigen. Zwei sechs- und sieben-jährige Jungen wurden getötet - die Eltern stehen unter drängendem Tatverdacht.
Und noch ein weiteres Drama beschäftigt die Zeitungen heute: in Kessel bei Mechelen wurden in einer Plastiktüte die Überreste eines Kleinkindes entdeckt. Deponiert wurde die Leiche offenbar durch eine 47-jährige Frau, die vor rund 10 Jahren schon wegen einer vergleichbaren Tat verurteilt wurde.
CD&V - Geburtstag und Existenzkrise
Im Mittelpunkt der Kommentare insbesondere in der flämischen Presse steht aber heute der Geburtstag der flämischen Christdemokraten. Vor genau zehn Jahren wurde aus der CVP die CD&V. Die Partei reagierte mit dieser Umbenennung auf die herbe Wahlschlappe von 1999, als die Christdemokraten erstmals seit 1958 in der Opposition landeten. Die CD&V ist aber nach wie vor auf der Suche nach ihrer Identität, analysiert La Libre Belgique. Und indem sich die Partei an den Brüsseler Verhandlungstisch gesetzt und damit den Windschatten der N-VA verlassen hat, pokert sie hoch.
Einige Zeitungen bringen zum Anlass des Jubiläums Interviews mit bekannten CD&V-Größen. In Gazet van Antwerpen übt der CD&V- Politiker Rik Torfs unter anderem harsche Kritik an der N-VA: er habe generell ein Problem mit Rechtspopulisten, dazu zähle er auch die N-VA. Mit der Partei von Bart De Wever sei zudem nicht zu verhandeln. Für die N-VA ist jede Form von Kompromiss verwerflich. Ähnliche Töne vom amtierenden Justizminister Stefaan de Clerck in La Dernière Heure. Er sei davon überzeugt, dass Christdemokraten und Nationalisten zusammenrücken müssten. Das sei auch Sinn und Zweck des Kartells mit der N-VA gewesen: Belgien tiefgreifend umzuformen. Die N-VA habe diesen Deal aber nicht eingehalten, weil sie einfach kompromissunfähig sei, sagt de Clerck, unter dessen Führung die CD&V vor zehn Jahren ja aus der Taufe gehoben worden war.
Dunkler Schatten
Fast alle flämischen Zeitungen widmen dem 10-Jährigen der CD&V ihren Leitartikel. Die CD&V steht heute vor der schwersten Existenzkrise ihrer Geschichte, notiert etwa De Morgen. Die Atmosphäre wird zusätzlich gedrückt durch die jüngsten Abgänge, insbesondere von CD&V-Jungtalent Inge Vervotte. Die Christdemokraten tun sich vor allem schwer damit, ihrem Anspruch, eine Volkspartei zu sein, gerecht zu werden. Man kann über De Wever sagen, was man will: Der N-VA-Chef weiß, Volkes Seele zu erfassen und zu übersetzen. Die CD&V erscheint demgegenüber ängstlich und isoliert.
Über dem Jubiläum der CD&V hängt ein dunkler Schatten, meint auch Gazet van Antwerpen. Die CD&V steht am Abgrund. Wenn die Partei kein akzeptables Abkommen über eine neue Staatsreform an Land ziehen kann, dann droht eine neue Bestrafung durch den Wähler. Die Scharfrichter stehen bereit.
Het Belang van Limburg sieht nicht ganz so schwarz: Wenn die Brüsseler Verhandlungen von Erfolg gekrönt sind und eine Regierung zustande kommt, dann kann die noch drei Jahre lang regieren. Und danach spricht niemand mehr von der N-VA. Und sollte es am Ende doch kein Abkommen über eine neue Staatsreform geben, dann können die Christdemokraten immer noch erhobenen Hauptes in die nächsten Wahlen gehen, nach dem Motto: Im Gegensatz zur N-VA haben wir es wenigstens versucht.
De Standaard nimmt den angekündigten Rückzug der CD&V-Ministerin Inge Vervotte aus der Politik zum Anlass, um sich die Frage zu stellen, ob die Politik ein Nachwuchsproblem hat. Nun, so meint das Blatt: Man muss festhalten, dass die junge Generation es nun mal nicht auf eine lebenslange Laufbahn in einem Betrieb anlegt, sondern immer mal wieder nach neuen Herausforderungen Ausschau hält. Allerdings steht die res publica, also die Arbeit für das Allgemeinwohl, bei der jungen Generation hoch im Kurs. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsbedingungen stimmen. Auf Belgien übersetzt heißt das, seit vier Jahren ist das Land politisch blockiert. Das macht langfristige Arbeit unmöglich. Und hier bedarf es einer schnellen aber nichtsdestotrotz einer guten Lösung.
Reichen-Steuer - Illusion von Solidarität?
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit der möglichen Einführung einer Reichen-Steuer in Belgien. Der bekannte Industriekapitän Etienne Davignon hatte ja am Freitag seine Bereitschaft signalisiert, an der Sanierung der Staatsfinanzen mitzuwirken. Davignon spricht für sich, reagiert dazu insbesondere auf den flämischen Geschäftsmann und Präsident von Standard Lüttich, Roland Duchâtelet, unter anderem in Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad.
Andere Unternehmer zeigen sich prinzipiell offener für eine Reichen-Steuer, wobei für sie gewisse Grundbedingungen erfüllt sein müssen. Reichen-Steuer: Ja oder nein, De Standaard konfrontiert die Standpunkte eines Vertreters der linksgerichteten PTB einerseits mit der Meinung eines bekannten Firmenchefs auf der anderen Seite.
In Gazet van Antwerpen rechnet ein Fachmann vor, dass eine Reichen-Steuer nach dem Vorbild dessen, was Davignon vorschlägt, nicht sehr viel bringen würde: Der Ertrag beliefe sich auf 1,5 Millionen Euro.
Genau das macht Het Laatste Nieuws denn auch richtig wütend: Davignon will das kleine Volk mit Peanuts abspeisen. Der Mann sitzt nach wie vor in der Chef-Etage von GDF-Suez, das ja insbesondere Electrabel kontrolliert. Wenn Davignon wirklich zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen will, dann sorgt er dafür, dass Electrabel jedes Jahr 500 Millionen Euro mehr an den belgischen Staat abführt statt die belgischen Verbraucher zu schröpfen. Davignon vermittelt allenfalls die Illusion von Solidarität.
Und da ist auch noch Eigeninteresse im Spiel, fügt L'Avenir hinzu. Die Industriekapitäne haben kein Interesse daran, dass die Wirtschaft gegen die Wand fährt. Schließlich ist das die Quelle ihres Reichtums. Was allerdings wirklich revoltierend ist: Anscheinend ist es tatsächlich so, dass die Reichen darum bitten müssen, besteuert zu werden.
Man muss Acht geben, sich nicht in der Debatte zu irren, fasst es Le Soir zusammen. Klar klingt es dem gemeinen Volk wie Musik in den Ohren, wenn jemand vorschlägt, die Reichen zu besteuern. Das ändert aber nichts an der galoppierenden Steuerungerechtigkeit: Es bedarf einer strukturellen Neuordnung der Besteuerungssysteme. Kleine, punktuelle aber medienwirksame Maßnahmen bringen nichts.
Apropos Geld: "Kann man an den Börsen noch etwas verdienen?", fragt sich La Libre Belgique auf Seite 1. Hintergrund ist natürlich die rasende Talfahrt an den Märkten in den letzten Wochen. Die Antwort ist mehr denn je: Wer an den Börsen Geld verdienen will, der muss grundsätzlich Geld zu verlieren haben, meint das Blatt in seinem Kommentar. Wir haben vorschnell geglaubt, die Krise sei vorbei. Hinzu kommt, dass die Staaten jetzt sparen müssen, und damit ihr Wachstum abwürgen. Dass in Belgien die Wachstumszahlen noch stimmen, hat damit zu tun, dass wir noch nicht sparen. Aber keine Angst: Das kommt noch.
Bild: Marc Gysens (belga)