"Unwetter schlägt wieder zu", titelt heute Het Belang van Limburg. "Noch mehr Regen als vorige Woche", schreibt Het Laatste Nieuws in Blockbuchstaben auf Seite 1. Gestern wurde das Land gleich von einer ganzen Serie von schweren Gewittern getroffen. Stellenweise fielen über 60 Liter Regen pro Quadratmeter, fast so viel wie normalerweise im gesamten Monat August. Das Königliche Meteorologische Institut hat insgesamt 87.000 Blitze gezählt, wie Het Laatste Nieuws berichtet. 12.000 davon trafen den Boden, die übrigen 75.000 Entladungen ereigneten sich in der Luft, was für ein beeindruckendes Schauspiel sorgte.
Unwetterschäden und die Frage nach der Ursache
Und wieder waren erhebliche Schäden zu beklagen. Unzählige Keller liefen voll, Straßen verwandelten sich in reißende Flüsse.
La Libre Belgique berichtet, dass sich die Rechnung für die Unwetter der letzten Tage auf über 70 Millionen Euro belaufen könnte. Auch für die Landwirtschaft entwickelt sich 2011 zum Katastrophenjahr, wie Gazet van Antwerpen hervorhebt. Die Folgen dürften unter anderem steigende Brotpreise sein.
Das Regionalblatt L'Avenir beleuchtet seinerseits die Situation in Orp-Jauche bei Jodoigne: Zum vierten Mal in diesem Sommer wurde die Ortschaft von einer Schlammflut heimgesucht. Kommentierend meint das Blatt dazu: Die Unwetter sind laut Experten nicht außergewöhnlich. Das heißt wohl, dass man die Ursachen für die Schäden anderswo suchen muss, mit Namen: die galoppierend fortschreitende Bebauung. Es ist höchste Zeit, dass man sich in der Raumordnungspolitik besinnt. Hinzu kommt die Tendenz in der Landwirtschaft hin zu immer größeren Monokulturen. Unterm Strich muss man feststellen: Den Mangel an langfristigen Visionen müssen wir alle teuer bezahlen.
Inge Vervotte: "Zeit für etwas anderes"
Ausnahmslos alle flämischen Zeitungen widmen sich heute ausgiebig dem beruflichen Schicksal der noch amtierenden Föderalministerin für Staatsbetriebe, Inge Vervotte. Die 33-Jährige will der Politik bis auf weiteres den Rücken zukehren. Die CD&V-Politikerin will stattdessen die Leitung der VoE Emmaus übernehmen, unter deren Dach 20 Vereinigungen zusammengefasst sind, die im Gesundheits- und Pflegebereich aktiv sind und die insgesamt 5.600 Mitarbeiter beschäftigen.
"Nach gut zehn Jahren in der Spitzenpolitik ist es Zeit für etwas anderes", so die Begründung Vervottes für ihren Schritt. Weil sie in Flandern ungemein populär ist, schlug die Entscheidung wie eine Bombe ein. "Vervottes Abgang ist ein herber Schlag für ihre Partei, die CD&V", titeln denn auch heute De Standaard und Het Nieuwsblad. Viele Zeitungen bringen zudem ausgewachsene Porträts von der jungen Frau, die bekannt wurde als CSC-Gewerkschafterin im Jahr 2001, nach der Pleite der Nationalfluggesellschaft Sabena.
Wirklich alle Leitartikler in der flämischen Presse verlieren sich in Lobeshymnen über Inge Vervotte. "Vervotte wird eine große Lücke hinterlassen", meint etwa Gazet van Antwerpen. Und das nicht nur bei ihrer Partei, sondern in der Rue de la Loi insgesamt. Vervotte gehörte zu den wenigen, die es schafften, dem Durchschnittsbürger ein positives Bild von der Politik zu vermitteln. Ihre durchgehend positive Umfragewerte hatte sie wohl nur einem Faktor zu verdanken: ihrer Glaubwürdigkeit.
Und sie hat das Vertrauen, das die Wähler in sie gesteckt hatten, nie enttäuscht, notiert auch De Standaard. Inge Vervotte war immer gradlinig: Weil sie den Rücktritt ihrer Parteikollegen Leterme und Vandeurzen im Zuge der Fortisgate-Affäre so ungerecht fand, nahm sie selbst den Hut. Zugleich war Vervotte bekannt als Dossierkennerin und nicht als eine Politikerin, die aus Berechnung Aufmerksamkeit sucht. Gerade für die CD&V ist ihr Abgang ein herber Verlust. Und das zeugt zudem von der Blutarmut der flämischen Christdemokraten.
Vervottes Abgang - Ein Symptom?
Vervotte steht aber längst nicht alleine da, bemerkt Het Nieuwsblad. Sie reiht sich ein in eine ganze Serie von jungen Politikern, die nach zehn Jahren der Politik den Rücken zuwenden. Allen voran etwa die SP.A-Vorsitzende Caroline Gennez. Wer aber glaubt, dass das eine Eigenheit junger Menschen wäre, die sich auf Dauer nicht für die Politik motivieren können, der irrt. Vielmehr weisen die Abgänge darauf hin, dass in der Politik etwas gehörig schief läuft. Seit 2007 herrscht Stillstand, geprägt ist die Rue de la Loi allenfalls von parteipolitischen Spielchen.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Inge Vervotte gehört zu den Politikern, die lösungsorientiert arbeiten. Das ist im derzeitigen Kontext allerdings schwierig bis unmöglich. Vervotte hat sich nie in die Niederungen der politischen Schlammschlacht begeben. Sie hat diskrete Arbeit immer krakeligen Debatten vorgezogen.
Und es ist eigentlich dieser Menschenschlag, den die Politik in diesen unruhigen Zeiten bitter nötig hätte, fügt Het Belang van Limburg hinzu: konsensorientiert statt großspurig, zerbrechlich und doch stark.
DSK: Zweifel bleiben
Auch für einen anderen ist gestern ein Kapitel zu Ende gegangen: der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn wird sich wohl nie vor einem Strafgericht wegen der Vergewaltigungsvorwürfe eines Zimmermädchens verantworten müssen. DSK ist vielleicht ein freier Mann, aber dafür wohl immer noch nicht rehabilitiert, notiert dazu La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Vielleicht muss er nicht mehr mit einer Strafverfolgung rechnen, doch es bleiben Zweifel.
Ähnlich sieht das Le Soir. Dominique Strauss-Kahn wird sein Leben lang Handschellen tragen. Schuld ist auch die amerikanische Justiz, die sich viel zu schnell und viel zu konsequent auf DSK eingeschossen hatte. Festhalten muss man aber auch: Der Mann wurde nicht für unschuldig erklärt, es ist nur so, dass man ihn nicht für schuldig erklären kann.
Bild: Siska Gremmelprez (belga)