"Bange Blicke auf die Börsen", titeln heute fast gleichlautend Het Laatste Nieuws und Het Belang van Limburg. "Angst vor einer finanziellen Weltkatastrophe", formuliert es Het Nieuwsblad schon drastischer. De Morgen nennt Ross und Reiter: "Angst vor einem Börsencrash". Und auf der Titelseite von La Libre Belgique, zwei Worte: "Schwarzer Montag?". Noch steht ein Fragzeichen dahinter. Noch.
Der große Knall?
Diese Schlagzeilen fassen das allgemeine Unbehagen zusammen. Nachdem die Börsen die ganze vergangene Woche über ungebremst auf Talfahrt waren, befürchten Experten für heute den großen Knall. Hintergrund ist die Entscheidung der Rating-Agentur Standard & Poor's, die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen. Von Tripel A auf AA+, das ist das belgische Niveau. Diese Entscheidung kommt einem Erdbeben der Stärke 9 gleich, so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Standard & Poor's sorgt für Panik an den Börsen, fasst es L'Avenir zusammen.
In La Libre Belgique warnt ein Experte davor, dass die Herabstufung der USA möglicherweise vergleichbare Folgen haben kann wie die Pleite der US-Geschäftsbank Lehman Brothers im September 2008, die ja die Welt in eine schwere Finanzkrise stürzte.
"Die Schuldenkrise spaltet die Welt", titelt indes De Standaard. Auf der einen Seite reagiert Amerika geschockt auf den Verlust des Tripel A, auf der anderen Seite kritisiert China das amerikanische Konsummodell, wo ja nach wie vor ungehemmt auf Pump gelebt wird.
Die Macht der Ratingagenturen
Die Brüsseler Zeitung Le Soir kritisiert ihrerseits die Macht der Ratingagenturen. Diese Unternehmen tragen zumindest eine Mitschuld an der Finanzkrise von 2008. Und jetzt schüren sie mit ihren Gutachten schon die nächste Krise. Mit welchem Recht, fragt sich das Blatt. Dies, zumal sich Standard & Poor's im Zusammenhang mit der US-Bewertung auch noch gehörig verrechnet hat: Der Schuldenberg wurde mal eben um 2.000 Milliarden Dollar überbewertet.
Auch De Standaard stellt sich die Frage der Legitimität der Ratingagenturen. Die Bewertung der Vereinigten Staaten fußt weniger auf Zahlen sondern vor allem auf einer politischen Analyse. Im Prinzip hat sich eine Ratingagentur nicht mit den Entscheidungen einer demokratisch legitimierten Regierung zu befassen. Allerdings muss man zugeben: So ganz aus heiterem Himmel kommt die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA nicht: Der Schuldenberg der USA hat in der Tat ein beängstigendes Ausmaß erreicht.
Hier geht es jedenfalls um mehr als nur um symbolische Buchstabenspielchen, warnt La Libre Belgique. Ob nun Tripel A oder AA+, das mag für den Laien keinen Unterschied machen. Das wäre aber zu kurz gedacht. Die Herabstufung der USA ist wohl viel mehr ein Omen: Es ist ein Anzeichen mehr für den drohenden Niedergang der USA und auch Europas.
Apropos Europa: Wegen der Unruhe an den Börsen befürchten Analysten ja insbesondere einen neuen Angriff auf die Euro-Zone.
"Wie kann man einen Börsencrash verhindern", fragt sich Le Soir. Das Blatt hebt hervor, dass Deutschland und Frankreich und auch die Europäische Zentralbank in den letzten Stunden versucht haben, beruhigende Signale an die Märkte zu senden. Es geht darum, ein finanzielles Armageddon zu verhindern, bringt es Het Belang van Limburg auf den Punkt. Vor allem muss man versuchen, Wackelkandidaten wie Italien oder Spanien aus der Schusslinie zu bringen. Hier bedarf es aber endlich einmal klarer und einmütiger Entscheidungen. Wie in den USA ist auch die Krise in der Euro-Zone vor allem eine Folge von politischem Zaudern.
In Belgien: (fast) alle Mann an Bord!
Auch für Belgien wächst die Gefahr, in den Abwärtstrudel hineingezogen zu werden. Belgien hat schon viel zu viel Zeit verloren, warnt der renommierte Experte Etienne de Callataÿ in La Dernière Heure und La Libre Belgique. Belgien brauche demnach strukturelle Reformen. Stattdessen trete das Land auf der Stelle. Und man müsse nicht erwarten, dass sich die Märkte mit belgischer Innenpolitik auskennen. Ähnlich sieht das ein Analyst der ING-Bank in L'Avenir. Spätestens seit der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit sollte man in Belgien äußerst wachsam sein.
Vor diesem Hintergrund hat der amtierende Premier Yves Leterme am Wochenende "die Alarmglocke gezogen", wie es viele Zeitungen formulieren: Das Parlament soll seine Sommerpause abkürzen und Anfang September wieder zusammenkommen, also rund einen Monat früher als geplant. Das ist eigentlich nur normal, meint Gazet van Antwerpen. Selbst wenn die Parlamentarier ihre Sommerferien abkürzen, hatten sie immer noch sechs Wochen Urlaub - davon können die meisten Durchschnittsbelgier nur träumen.
In Het Nieuwsblad übt der frühere langjährige Kammerpräsident Herman de Croo indes Kritik an dem Leterme-Appell: Das Parlament verfrüht aus dem Urlaub zurückzurufen, das sei nicht mehr als eine billige Show-Einlage. In seinem Kommentar kann Het Nieuwsblad dem nicht beipflichten: Es ist genau dieses Show-Element, das den Appell von Leterme so wichtig macht: Es bedarf eines starken Signals an die Märkte.
Primäre Aufgabe des Parlaments wird es sein, am Schnüren eines Haushaltspakets mitzuwirken. Die Frage ist nur, wer da die Richtung vorgeben soll. Man sollte sich da nicht auf Regierungsbildner Elio Di Rupo verlassen, meint De Standaard. Ob er und die acht Parteien am Ende eine neue Regierung bilden können, ist nach wie vor völlig offen. Vielmehr sollte man der amtierenden Regierung das Feld überlassen. In diesem Zusammenhang vermissen einige Zeitungen aber eben diesen Elio Di Rupo. Leterme war anscheinend so überzeugend, dass er sogar Di Rupo, Beke und co. in Sicherheit gewogen hat, meint etwa Het Laatste Nieuws. Di Rupo reagiert nach dem Motto: "Nach Ihnen, lieber Premierminister".
Auch De Morgen wünscht sich ein Lebenszeichen in der Rue de la Loi aber vor allem vom Regierungsbildner. Herr Di Rupo, es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln, so das Blatt. Denn: Ein Sturm zieht auf.
Bild: Dean Lewins (epa)