Die Titelseite von De Standaard ist heute ungewöhnlich bunt. Zu sehen sind unzählige Fotos von beunruhigten Börsianern.
Sie schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, sind fassungslos, verstehen die Welt nicht mehr. Und die Schlagzeile fasst zusammen: "Das alles sieht nach dem Beginn eines Crashs aus".
In nur einer Woche hat der belgische Aktienindex Bel20 zehn Prozent verloren. "22 Milliarden Euro haben sich in Brüssel in Luft aufgelöst", bemerkt De Morgen auf Seite 1. Die letzten fünf Tage waren die schlimmsten an der Brüsseler Börse seit der Weltwirtschaftskrise 2008.
"Woche des Grauens an den Börsen", titelt das Grenz-Echo. "Die Finanzwelt steuert auf ein Debakel zu", schreibt Le Soir auf seiner Titelseite. Für das Wirtschaftsblatt L'Echo und Gazet van Antwerpen macht sich die Angst vor einem Einbruch der Wirtschaft breit. Betroffen sind dabei nicht nur Europa und die USA, auch die Börsenplätze in Fernost erleben dramatische Talfahrten.
"Wegen seines enormen Schuldenbergs gerät Belgien jetzt immer mehr ins Visier", schreibt L'Echo auf Seite 1.
Schuldenkrise hat Einfluss auf Verhandlungen in Belgien
Für La Libre Belgique hat die Schuldenkrise bereits jetzt Einfluss auf die ruhenden Koalitionsverhandlungen. Auch wenn seine Arbeit offiziell erst in zehn Tagen wieder beginnt, dürfte Regierungsbildner Elio Di Rupo wohl keine ruhige Nacht mehr haben. Der Chef der belgischen Notenbank Luc Coene hatte gestern erklärt, die politische Sommerpause sei in diesen Tagen sehr lang.
Urlaub hin oder her, meint La Libre Belgique, Belgien muss auf die negative Entwicklung auf den Finanzmärkten reagieren und zwar so schnell wie möglich. Denn BHV und die Staatsreform sind den Spekulanten ziemlich egal. Sie wollen nur eins, und zwar verlässliche Zahlen sehen.
Auch Het Laatste Nieuws meint: Nach über 400 Tagen der Blockade braucht unser Land eine neue, funktionsfähige Regierung. Wie schwer der Kompromiss zur Bildung einer neuen Koalition auch sein mag, das spielt im Moment überhaupt keine Rolle, denn schließlich gehe es darum, unser Land vor dem Absturz zu retten.
Belgien braucht dringend neue Regierung
De Standaard stellt fest, es gibt zurzeit keine vollwertige Regierung. Das scheidende Kabinett von Premierminister Leterme beschleunigt jetzt zwar das Tempo bei der Vorbereitung des Haushalts 2012. Auch das soll die Märkte beruhigen und verhindern, dass die Spekulationen gegen belgische Wertpapiere zunehmen.
Viel mehr könne eine scheidende Regierung aber nicht tun. Es sei denn, sie bezieht das Parlament mit ein. Sollten die Zeiten noch unruhiger werden, müssten die Abgeordneten ihren Urlaub unterbrechen, fordert De Standaard und warnt zugleich: "Schnallen Sie sich an, meine Damen und Herrn Parlamentarier. Es könnte ganz schön stürmisch werden."
Für Het Belang van Limburg hat Belgien zwei große Probleme: die hohe Staatsschuld und sein strukturelles Haushaltsdefizit. Alle Parteien, die in den letzen zehn Jahren an der Macht waren, tragen dabei eine Mitschuld. Im Kommentar spricht die Zeitung sogar von "kollektiver Schlamperei". Schließlich wussten alle Politiker von allen Parteien, wie schlecht es um unsere Staatsfinanzen bestellt ist.
Gazet van Antwerpen meint in diesem Zusammenhang: Jetzt ist es an der Zeit, dass die Regierenden ganz bewusst umgehen mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Jede einzelne Ausgabe müsse ganz genau überprüft werden. Dass Ministerien Geld aus den Fenstern werfen, nur damit ihre Mittel im kommenden Jahr nicht gekürzt werden, damit müsse jetzt Schluss sein.
Warum?
L'Avenir versteht die weltweite Wirtschaftskrise nicht. Was rechtfertigt diese drastischen Talfahrten an den Börsen? Die wirtschaftliche Grundlage sei doch im Grunde genommen dieselbe wie noch vor ein paar Monaten. Die Finanzmärkte funktionierten von Krise zu Krise nach dem gleichen Muster: Schlechte Neuigkeiten sorgen für Zweifel, und Zweifel wiederum für schlechte Ergebnisse und die lösen eine Kettenreaktion aus und zum Schluss: Panik.
Vieles dabei sei aber rein psychologisch und zum Teil auch irrational. Angefeuert werde das Ganze durch die Kakofonie der europäischen Politiker. Was wir jetzt brauchen, ist eine starke, gemeinsame europäische Politik. Das meint auch das Wirtschaftsblatt L'Echo in seinem Leitartikel.
Solange die Euro-Zone nicht einen eigenen Finanzminister habe, der gemeinsame Euro-Bonds herausgebe, solange werde die Spekulation gegen einzelne Euro-Länder anhalten. Die Zeit sei reif für wichtige Veränderungen. Spitzenpolitiker wie Van Rompuy und Merkel könnten jetzt in die Geschichtsbücher eingehen.
Schulbeginn
Knapp vier Wochen vor dem Schulbeginn werfen La Dernière Heure und L'Avenir schließlich einen Blick auf die Ausrüstung der ABC-Schützen. Die Regale der Supermärkte seien bereits dicht gefüllt. Über 60 Prozent der belgischen Familien würden schon jetzt nach einem neuen Schulranzen, Heften und bunten Stiften Ausschau halten.
Bild: Andrew Gombert (epa)