"Dreifacher Ausbruch aus der Haftanstalt von Jamioulx" titelt heute L'Avenir. "Auf der Flucht mit einer Geisel" schreibt Het Belang van Limburg auf Seite 1. Und Het Nieuwsblad hebt hervor: "Gefängniswärterin stundenlang in der Gewalt der Ausbrecher."
Drei Männern ist gestern Abend die Flucht aus der Haftanstalt von Jamioulx bei Charleroi gelungen. Die Ausbrecher brachten eine Gefängniswärterin in ihre Gewalt. Die Frau wurde erst knapp fünf Stunden später wieder freigelassen. Sie ist offenbar wohlauf, steht aber unter Schock.
Ausbrüche aus Verzweiflung?
Damit gelang bereits 16 Häftlingen in diesem Jahr die Flucht aus einem belgischen Gefängnis, rechnet Het Nieuwsblad vor. Noch vor ein paar Monaten hob Justizminister Stefaan De Clerck lobend hervor, dass die Zahl der Ausbrüche zurückgegangen sei. Dieser Trend scheint sich wieder umzukehren.
Betroffen sind vor allem Haftanstalten in der Wallonie. Die Ausbrüche seien unter anderem ein Zeichen für die Verzweiflung der Gefängnisinsassen, zitiert De Standaard den Vorsitzenden der frankophonen Gefängnisdirektoren. Die Haftstrafen würden immer länger, die Chance auf vorzeitige Entlassung immer geringer. Und deswegen suchten immer mehr Häftlinge ihr Heil in der Flucht.
Koekelberg-Karussell dreht sich wieder
Zweites großes Thema ist das juristische Hickhack um den ehemaligen Generalkommissar der föderalen Polizei, Fernand Koekelberg. Der sollte eigentlich heute seinen neuen Job als Koordinator der Verbindungsoffiziere bei den Regionen des Landes übernehmen. Der 56-Jährige wurde aber zunächst suspendiert, nachdem seine frühere Lebensgefährtin Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet hatte. Der Staatsrat hob am Freitag besagte Suspendierung auf. Einen Tag später erneuerte der diensttuende Generalkommissar Paul Van Thielen aber die Maßnahme.
Het Laatste Nieuws bringt das Karussell mit seiner Schlagzeile auf den Punkt: "Innerhalb von 24 Stunden suspendiert, nicht suspendiert und dann erneut suspendiert". Le Soir spricht in diesem Zusammenhang von einem Kräftemessen an der Spitze der föderalen Polizei. Koekelberg betrachtet das Ganze nämlich als Vorwand: Er will für die eigene Nachfolge an der Spitze der föderalen Polizei kandidieren. Die Bewerbungsfrist läuft an diesem Mittwoch aus. Koekelberg hatte ja vor einigen Monaten als Generalkommissar den Hut nehmen müssen, nachdem Einzelheiten über eine überteuerte Dienstreise ans Licht gekommen waren.
Die Flamen sind wütend
Fast alle flämischen Zeitungen widmen den neuerlichen Ereignissen um Fernand Koekelberg ihren Kommentar. Koekelberg steckt in einer Negativspirale, und er schafft es nicht, daraus auszubrechen, konstatiert etwa Gazet van Antwerpen. Gehen musste er wegen der Dienstreise nach Katar, die den Steuerzahler rund 100.000 Euro kostete, Delvaux-Koffer inklusive.
Man ließ ihn aber nicht auf dem Trockenen sitzen und hat eigens für Koekelberg einen neuen Job erfunden. Hinzu kommen jetzt aber die Vorwürfe seiner Ex-Freundin und Ermittlungen wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung des Generalkommissariats. Währenddessen spielt die Politik mit der Wohlfahrt des Landes, nicht zu vergessen die Ermittlungen gegen den Chef von Belgacom. Was ist das nur für ein Land?
Auch Het Laatste Nieuws ist wütend. Fernand Koekelberg und Belgacom-Chef Didier Bellens haben nicht nur ihr Alter gemeinsam: Beide haben ihren Job der PS zu verdanken. Beide haben Sekretärinnen mit unverhofften Talenten, die auch entsprechend entlohnt werden. Und beide klammern sich an ihren jeweiligen Job, wobei ihnen offensichtlich nicht klar ist, wie sehr sie ihrer jeweiligen Einrichtung schaden. Ihre Arroganz ist abstoßend, ihre Schamlosigkeit ist widerlich.
Unschuldsvermutung - ja, aber…
Gerade ein vernünftiger Mann wie Fernand Koekelberg muss doch einsehen, dass es nicht möglich ist, jemanden zum obersten Chef der Polizei zu machen, dessen Image dermaßen beschädigt ist, meint auch Het Belang van Limburg. Was treibt diesen Mann, fragt sich das Blatt.
Klar gilt auch für Fernand Koekelberg die Unschuldsvermutung, nimmt De Standaard Koekelberg in Schutz. Er selbst sieht sich als das Opfer eines Komplotts, das von der flämischen Seite ausgeht. Über die Schuldfrage kann sich derzeit niemand aussprechen. Doch eins muss klar sein: Wer einen Spitzenjob ausüben will, der muss eine weiße Weste haben. Leider kann niemand Koekelberg klarmachen, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im Amt bleiben oder gar wieder zum Generalkommissar ernannt werden kann, wenn er ständig mit neuen Vorwürfen konfrontiert wird.
Schuld und Schulden
Fast alle Zeitungen sorgen sich um das Schicksal der USA, die ja nur knapp an der Zahlungsunfähigkeit vorbeigeschlittert sind. Die Einigung zwischen Demokraten und Republikanern in der Nacht kam für die Zeitungen zu spät. Ungeachtet dessen dürfte aber jetzt jedem klar sei: das Ganze wird Spuren hinterlassen, notiert La Libre Belgique. Die Glaubwürdigkeit der USA hat einen fetten Kratzer abbekommen. Auch die Amerikaner müssen einsehen, dass sie viel zu lange auf Pump gelebt haben, auch Washington muss seine Staatsfinanzen in den Griff bekommen. Für Barack Obama geht es auch auf diesem Terrain um seine Wiederwahl.
Massaker in Syrien
De Morgen blickt erschrocken nach Syrien, wo allein gestern 136 Menschen bei Straßenprotesten von der Armee getötet wurden. Kommentierend meint das Blatt dazu: Wenn der Rest der Welt schon aus geopolitischen oder anderen Gründen tatenlos zuschauen will oder muss, dann kann man nur hoffen, dass die Syrer es auch ohne Hilfe schaffen, das Regime zu stürzen, und dass der Diktator nicht in einem goldenen Käfig landet, sondern da wo er hingehört: vor einem Gericht.
Bild: Cedric Houben (belga)