Belgacom-Aufsichtsrat: Bellens kann bleiben
"Der der passiven Korruption verdächtigte Bellens kann vorerst bleiben" titelt Het Laatste Nieuws heute. Trotz der Anschuldigungen sich beim Verkauf einer Immobilie des Unternehmens - an dessen Spitze Bellens steht - bereichert zu haben, sehen die Aufsichtsgremien von Belgacom vorerst keinen Grund, den Chef des Telekom-Dienstleisters zu feuern. Im Leitartikel heißt es, zweieinhalb Millionen Euro habe Bellens letztes Jahr als Belgacom-Chef verdient.
Mit einem solchen Gehalt sollte man meinen, müsste man zufrieden sein. Jetzt aber steht Bellens im Verdacht, dass er sich passiv hat bestechen lassen und dies ausgerechnet beim Verkauf einer Immobilie in Mons, der Stadt von Elio Di Rupo, dessen Partei, die PS Bellens als Protegé unterstützt. Unangenehm für den Regierungsbildner, meint der Leitartikler. Dennoch sei Di Rupo der einzige, der den von ihm protegierten Bellens zum Rücktritt zwingen könnte.
Und der Stuhl des Belgacom-Chefs wanke. Auch bei der PS würden die Sympathien für ihn schwinden. Die Frage sei sowieso, ob der Mann bei den derzeitigen Anschuldigungen noch am richtigen Platz sei.
Bellens Position geschwächt
Auch das Wirtschaftsblatt L'Echo meint, dass Bellens wohl nicht mehr all zulange an der Spitze von Belgacom stehen könne. Seine Position sei jedenfalls geschwächt, auch wenn er vorerst noch im Chefsessel sitze. Wenn die Aufsichtsgremien von Belgacom ihn gestern nicht gefeuert hätten, dann auch weil es schwierig sei, eine Person zu entlassen, die von der Regierung eingesetzt wurde, schreibt L'Echo.
Belgacom Chef nicht bis 2014 im Amt?
Deshalb, so meint De Morgen, bleibe der Belgacom-Chef noch im Sattel. Dennoch, so heißt es im Leitartikel, sei die Chance, dass Didier Bellens den Vertrag, der ihn bei Belgacom bis 2014 in der Chef-Position hält, bis zum letzten Tag erfüllt, eher gering. Vor allem, weil er in der Rue de la Loi auf immer weniger Unterstützung zählen könne.
Bei den Koalitionsverhandlungen käme die Zukunft von Belgacom sicherlich zur Sprache, meint der Kommentator. Eine vollständige Privatisierung des Unternehmens würde Bellens im Chefsessel vermutlich nicht überleben.
Staatsbetrieb Belgacom kein Vorbild
Vorerst aber wolle Bellens nicht weichen, titelt auch Het Nieuwsblad. Was, so fragt sich der Leitartikler indes, tue ein an der Börse notiertes Staatsunternehmen, wenn dessen Chef der passiven Korruption beschuldigt wird? Nicht viel, meint der Kommentator. Belgacom habe nur eine interne Untersuchung angeordnet. Darin sieht der Leitartikler eine verpasste Chance, denn in Staatsbetrieben hätte die Politik die Gelegenheit, das gute Beispiel zu geben. Tut sie das nicht, was bleibe dann als Botschaft für die Privatindustrie? Mit dem schwindelerregenden Gehalt und überproportionalen Abfindungen, die das Unternehmen zahlt, ist Belgacom in diesem Bereich auf jeden Fall kein Vorbild, meint der Leitartikler in Het Nieuwsblad.
Scheidender Regierung sind im Fall Bellens die Hände gebunden
Doch selbst wenn Didier Bellens jetzt wieder unter Feuer gerät, würde der Aufsichtsrat des Telekom-Unternehmens ihn vorläufig nicht fallen lassen, schreibt De Standaard. Bellens aus dem Sattel zu heben sei auch schwierig. Für die nur noch die Amtsgeschäfte führende Regierung praktisch unmöglich, meint das Blatt. Ihr fehle nämlich die Befugnis einen Nachfolger für das Staatsunternehmen zu berufen, so De Standaard.
Sollte Bellens aus eigenen Stücken zurücktreten?
"Muss der Belgacom-Chef nicht aus eigenen Stücken zurücktreten?" fragt sich der Kommentator in Le Soir. Es sollte nichts überstürzt werden, noch sei Bellens nicht der passiven Bestechlichkeit auch für schuldig befunden worden; deshalb gelte das Unschuldsprinzip. Dennoch zeige Belgacom in der Führung Risse. Zusätzlich fehle es dem Unternehmen an einer Vision. Das wiederum würde einige Mitglieder der scheidenden Regierung befürchten lassen, dass das Staatsunternehmen möglicherweise verkauft werden könnte. Vielleicht an die Deutsche Telekom, die Interesse geäußert hatte. Wenn Bellens das Steuer nicht herumreißen könne, dann müsse die Regierung oder er selber die sich daraus ergebenden Konsequenzen jedenfalls ziehen, meint der Leitartikler in Le Soir.
Die Brüsseler Tageszeitung hat auch noch ein anderes Thema auf der Titelseite: die Probleme beim Informatikunterricht in den Schulen der französischen Gemeinschaft und der wallonischen Region nämlich. Zwar hätten die Computer in den dortigen Schulen Einzug gehalten, mit der Pädagogik in diesem Bereich hapere es aber, meint Le Soir.
Sprachungleichgewicht in staatlichen Verwaltungen?
Het Belang van Limburg kommt heute im Leitartikel auf das angebliche Sprachungleichgewicht in den Verwaltungen der föderalen Ebene zurück. Nur 35,7 Prozent der höheren Beamten soll noch französischsprachig sein, meldete Le Soir. Das Gesetz aber sehe eine fifty-fifty-Verteilung vor. Es sei richtig, so der Kommentator, dass dieses Gleichgewicht nicht respektiert werde, doch sei dies nur übergangsweise so. Zudem würde das Verhältnis zwischen französischsprachigen und flämischen hohen Beamten in den föderalen Verwaltungen auch nicht dem Verhältnis entsprechen, das durch den Proporz der Bevölkerung 60 Prozent Flamen, 40 Prozent Französischsprachige abzuleiten wäre.
Archivbild: Julien Warnand (belga)