"Rosenmarsch gegen Gewalt" titelt heute Het Belang van Limburg. In der norwegischen Hauptstadt Oslo sind gestern 150.000 Menschen auf die Straße gegangen, um der 76 Opfer der Anschläge vom Freitag zu gedenken. Viele von ihnen hatten eine Rose in der Hand, um damit ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen.
Der mutmaßliche Täter, Anders Behring Breivik, ist gestern erstmals einem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Der 32-Jährige hat die Taten gestanden. Er betrachtet sie aber nicht als Verbrechen, wie Het Nieuwsblad und La Dernière Heure auf Seite 1 festhalten. "Ich wollte Europa retten" zitiert ihn auch De Morgen auf seiner Titelseite.
Psychogramm eines Killers
Viele Zeitungen versuchen denn auch, ein Psychogramm von Anders Behring Breivik zu erstellen. "Der Lebensweg eines Killers", fasst es Le Soir in seiner Schlagzeile zusammen. Das Blatt analysiert unter anderem das angebliche Manifest, das Breivik verfasst hat und das seinen ideologischen Unterbau darstellen soll. Das Urteil von Le Soir: Das Manifest ist ein Sammelsurium von wirren Ideen.
In besagtem Manifest nimmt Anders Behring Breivik auch die Lage in anderen Ländern unter die Lupe, darunter auch Belgien. Breivik nennt unter anderem auch potentielle Ziele, die mögliche Mitstreiter ins Visier nehmen könnten.
Das Manifest wird von den belgischen Sicherheitsdiensten eingehend untersucht, hebt unter anderem De Standaard hervor. Eine Verbindung zu angeblichen Gesinnungsgenossen, wie von Breivik suggeriert, konnte aber bislang nicht nachgewiesen werden. Fest steht, dass Breivik vor seiner Tat besagtes Manifest an eine Reihe von rechtsextremen Politkern in Westeuropa per Email geschickt hatte.
Unter den Adressaten war auch ein Parlamentarier des Vlaams Belang, wie unter anderem De Morgen unterstreicht. In dem Begleitschreiben wird deutlich, dass Breivik den Vlaams Belang als Gesinnungsgenossen betrachtet. Het Laatste Nieuws hat vor diesem Hintergrund den Vlaams Belang-Spitzenpolitiker Filip Dewinter nach einer Einschätzung gefragt. Het Laatste Nieuws wörtlich: Während Dewinter jeden Moslemterroristen als typischen Vertreter seiner Glaubensgemeinschaft stigmatisiert, geht er nun, da es sich um einen rechtsextremen Terroristen handelt, auf Abstand.
Täter "unter Einfluss" oder einfach geistesgestört?
Was hat Anders Behring Breivik zu seinen Taten getrieben? In dieser Frage sind die Leitartikler unterschiedlicher Meinung. Es mag stimmen, dass es keine strukturelle Verbindung zwischen dem Killer und einer rechtsextremen Partei gab, konstatiert L'Avenir. Fakt ist aber, dass sich Anders Behring Breivik auf nationalistische und fremdenfeindliche Ideen bezog, die von populistischen und extremistischen Parteien in Europa transportiert werden.
Solche Parteien bieten einen idealen Nährboden, der die Entstehung von Gruppen oder Individuen begünstigt, die sich von einer göttlichen Mission beseelt sehen und deren Ziel es ist, den Marxismus oder den Islam zu bekämpfen. Die europäischen Staaten sollten schnellstens diese neue Geißel erkennen und dem Aufkommen populistischer rechtsextemer Parteien entgegenwirken.
Le Soir ist da anderer Meinung: Man sollte keine Politik sehen, wo keine ist. Anders Behring Breivik war bis zum Beweis des Gegenteils alleine. Er war nicht Mitglied irgendeiner faschistischen Miliz. Sein ideologischer Unterbau ist nicht mehr als ein wirrer Flickenteppich, gespickt mit Fehlschlüssen und Dummheiten. Zwar darf die Gefahr, die von rechtsextremen Kräften ausgeht, bestimmt nicht unterschätzt werden. Anders Behring Breivik ist jedoch allenfalls ein Fall für den Psychiater.
Das mag sein, meint De Standaard. Nichtsdestotrotz sollte man sich mal die Frage stellen, wie wir denn reagieren würden, wenn es sich bei dem Täter um einen Moslemfanatiker gehandelt hätte. Man darf davon ausgehen, dass viele Staaten die Sicherheitsvorkehrungen als Folge der Anschläge von Oslo drastisch verschärft hätten.
Jetzt, da es sich um einen Täter aus der rechtskonservativen Ecke handelt, reagieren wir offensichtlich anders. Es ist beinahe so, als würde in gewissen Kreisen die Gewalt in Oslo zwar einerseits verurteilt, aber doch bis zu einem gewissen Maß Verständnis dafür aufgebracht, nach dem Motto: Da sieht man mal, was die Zuwanderung in den Köpfen der Menschen auslösen kann. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, und das ist sowohl scheinheilig als auch gefährlich. Politische Gewalt muss immer und kompromisslos verurteilt werden.
In jedem Fall sollte auch bei uns die Gesellschaft einmal in sich gehen, mahnt Het Nieuwsblad. Anders Behring Breivik steht für Ideen, die in vielleicht etwas geschönter Form inzwischen auch von politischen Parteien transportiert werden. Hier geht es nicht um die politische Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links, zwischen sozialistisch, nationalistisch und populistisch, hier geht es nur um die demokratischen Grundwerte und den Respekt Andersdenkenden gegenüber.
"Sohn von..", die dritte
Einige flämische Zeitungen beleuchten die anstehende Wahl zum neuen Vorsitzenden der flämischen Sozialisten SP.A. "Eine Wahl, die keine ist" wie Het Belang van Limburg notiert. Tatsächlich hat sich einzig der Vorsitzende der SP.A-Kammerfraktion Bruno Tobback für die Nachfolge von Caroline Gennez beworben.
Das wäre dann schon der dritte "Sohn von..", der, wie schon sein Vater, zum Parteivorsitzenden gemacht wird, konstatiert Het Laatste Nieuws, nach Charles Michel bei der MR und Alexander De Croo bei der OpenVLD.
Tobback verfügt aber nicht nur über den richtigen Nachnamen, urteilt De Morgen: Er hat sich längst seine Sporen verdient. Auf ihn wartet aber viel Arbeit: Tobback muss seine Partei aus einem historischen Tief herausführen.
Bild: Jörg Carstensen (epa)