"Norwegen nach dem Albtraum", mit dieser Schlagzeile macht De Standaard heute auf. Der Terror, den der Attentäter verursachte, habe die norwegische Gesellschaft mitten ins Herz getroffen, meint das Blatt und schreibt, dass der Täter seinen Anschlag kaltblütig geplant habe. Nicht nur der Umfang des angerichteten Blutbads, sondern auch die bis ins Detail geplante Vorbereitung, der ideologische Unterbau und das gezielte Vorgehen des Täters machen aus dem Anschlag ein Attentat einer neuen Ära, meint der Leitartikler in De Standaard.
Der stellt auch einen Vergleich zu den Anschlägen in London und Madrid und dem Attentat in Oklahoma City 1995 her. Der Täter damals in den USA wollte den Staat angreifen und eine Revolution auslösen. Der gemeinsame Nenner zwischen diesen Taten und dem Anschlag in Norwegen ist die totale Ablehnung des Systems, das moralische Überlegenheitsgefühl des Terroristen. Er braucht sich vor der Gesellschaft nicht zu verantworten, weil er die mit ihren Grundwerten ablehnt und deshalb durch sie auch nicht gerichtet werden kann.
Überlegenheitsgefühl und terroristisches Manifest
Nach dem Terror in Oslo seien die Geheimdienste überall in Europa in Alarmbereitschaft und suchten nach möglichen Gesinnungsgenossen des norwegischen Attentäters. Kurz vor seinen Anschlägen hatte der Täter nämlich im Internet, so schreibt Gazet van Antwerpen, ein 1.500 Seiten starkes Manifest veröffentlicht, in dem auch von Brüdern und Schwestern gleicher Gesinnung in anderen europäischen Ländern die Rede ist. Verwiesen wird dabei auf einen verwüstenden Anschlag, um ein Land wie Belgien zu retten.
Diese Passage ist auch belgischen Geheimdiensten nicht entgangen, meint das Blatt und fragt sich im Kommentar, wie krank ein Gehirn wohl werden kann. Der Leitartikler kommt zu dem Schluss, dass das menschliche Gehirn wohl schrecklich krank werden könne, der Attentäter in Norwegen habe dies bewiesen. Wer blind Terrorismus akzeptiere und ihn gar als notwendig erachte, um die Masse wachzurütteln und seine verwerflichen Ideale zu realisieren, der, so meint der Kommentator, sei seinen Platz in der Gesellschaft aber endgültig los. Das Blutbad in Norwegen zeige erneut, dass keine Gesellschaft imstande ist, sich gegen terroristische Anschläge vollständig zu schützen. Absolute Sicherheit sei und bleibe eine Utopie.
"Tempelritterwahn"
Auch Het Belang van Limburg macht mit möglichen belgischen Zielen von Gesinnungsgenossen des norwegischen Attentäters auf. Diese Zeitung verweist auf einen Belgier, der zusammen mit dem Täter aus Norwegen 2002 den Templerorden wieder ins Leben gerufen haben soll. In seinem im Internet veröffentlichten Manifest beschreibt sich der Täter von Oslo als jemand, der einen Kreuzzug gegen den vielköpfigen Drachen des multikulturellen Europas begonnen hat, schreibt der Kommentator in Het Belang van Limburg. Der Attentäter aus Norwegen wollte sich nach eigenen Angaben für das christliche Europa opfern. In seinem Tempelritterwahn tötete er derweil einen der größten Werte Europas: die Toleranz.
Auch La Libre Belgique hat die Tragödie in Skandinavien auf der Titelseite und skizziert das Porträt eines methodisch vorgehenden Killers. Norwegen, so der Kommentar in La Libre Belgique, stehe in Sachen Lebensfreude weltweit auf Platz 2. Die Presse in dem skandinavischen Land sei eine der freiesten weltweit. Von Zeit zu Zeit mache das kleine Land selbst durch die Verleihung des Friedensnobelpreises von sich reden, trotzdem habe dieses Land mit dem Attentäter von Oslo ein Monster hervorgebracht. Unsere Gesellschaften, so der Leitartikler, müssten über das Heranwachsen solch methodisch vorgehender Mörder, die gegen die Islamisierung Europas, die Multikulturalität, gegen die Linke und gegen Globalisierung einen Kreuzzug veranstalten, nachdenken. Träger dieses Gedankenguts seien mindestens so gefährlich wie islamische Fundamentalisten.
Heilmittel Integration und Toleranz
"Norwegen sucht nach Antworten", titelt De Morgen und meint im Leitartikel, dass keine Gesellschaft gegen Verrückte immun oder gefeit sei. Das habe hierzulande der Anschlag in einer Kindertagesstätte vor einigen Jahren gezeigt. Wann werde endlich etwas am gesellschaftlichen Problem der geringen Bildung einiger Bevölkerungsschichten, die Nährboden für Fremdenhass bieten, getan, fragt der Kommentator? Es sei an der Zeit, mehr als nur Lippenbekenntnisse in Sachen Integration und Zusammenleben zu liefern.
Auch Het Laatste Nieuws macht mit der Gräueltat auf und meint, dass der Täter aufgrund des norwegischen Strafgesetzes höchstens 21 Jahre Gefängnis riskiere. Und das, wie der Leitartikler meint, obwohl es sich wohl um das größte Monster seit dem 2. Weltkrieg handelt.
"Ein Verrückter und 93 Tote" titelt auch Het Nieuwsblad und meint im Leitartikel, dass der Täter ein Terrorist sei, und nicht als ein Verrückter mit einem Gewehr abgetan werden könne.
Lehrkräftemangel in der Wallonie
Le Soir hat sich heute für ein anderes Aufmacherthema entschieden: Die Brüsseler Tageszeitung titelt zum Mangel an Lehrkräften in den Schulen des französischsprachigen Landesteils. Zwar sei das Phänomen nicht neu, doch verschärfe es sich und fehlten vor allem Lehrer für den Sprach-, Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht.
Bild: Thomas Winje (epa)