"Terror in Oslo", titeln heute gleichlautend De Standaard und De Morgen. Gazet van Antwerpen spricht von einem Inferno. Het Laatste Nieuws fasst die Ereignisse in Norwegen in seiner Schlagzeile zusammen: "Schießerei nach Bombenanschlag".
In Norwegen ist gestern Nachmittag buchstäblich die Hölle losgebrochen. Erst wurde die Hauptstadt Oslo von einem verheerenden Bombenanschlag erschüttert. Wenig später eröffnete ein Mann auf einer norwegischen Insel das Feuer auf die Teilnehmer eines Jugendcamps. Inzwischen ist von über 80 Toten die Rede. Ein Zusammenhang zwischen beiden Taten gilt als wahrscheinlich.
Blinder Terror in Norwegen
Die meisten Zeitungen veröffentlichen drastische Fotos, insbesondere aus Oslo, wo blutverschmierte Menschen sich verzweifelt in Sicherheit zu bringen versuchen. "Chancenlos gegen blinden Terror", bringt es denn auch Het Nieuwsblad mit seiner Headline auf den Punkt. "Wieder ein Land, das seine Unschuld verloren hat", meint De Morgen in seinem Kommentar.
Norwegen ist seit dem 11. September 2001 das letzte Land in der langen Liste derer, die das Opfer terroristischer Anschläge wurden. Zwar sind die Hintergründe bislang noch unklar, doch ist schon jetzt deutlich: Es wird nie mehr so sein wie früher. Norwegen war bislang eine fast schon demonstrativ offene Gesellschaft, jetzt dürfte der Ruf nach schärferen Sicherheitsmaßnahmen lauter werden.
Von Mut und Zurückhaltung
Die frankophonen Zeitungen widmen sich natürlich auch den Ereignissen in Norwegen, konzentrieren sich aber auf ihren Titelseiten noch einmal auf die innenpolitische Lage nach dem Abkommen vom Donnerstagabend. Die acht Parteien hatten sich auf eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage verständigt, die N-VA bleibt außen vor.
"Zum Erfolg verdammt", titelt denn auch Le Soir. La Libre Belgique zeigt ihrerseits auf der Titelseite einen heruntergelassen Rollladen mit der Aufschrift: "Geschlossen vom 22. Juli bis zum 15. August". Gemeint ist damit die Tatsache, dass sich die Parteien gleich nach dem Startschuss für die Verhandlungen in den Urlaub verabschiedet haben.
Fast alle Zeitungen widmen den innenpolitischen Ereignissen der letzten 24 Stunden ihren Kommentar. Und fast alle heben den Mut von CD&V-Chef Wouter Beke hervor, der sich nach langem Taktieren von der N-VA loseisen ließ. Die CD&V geht damit ein erhebliches Risiko ein, sind sich alle einig. Das gilt aber offensichtlich auch für die frankophonen Parteien. "Wir sind den flämischen Parteien etwas schuldig", zitiert De Standaard die PS-Spitzenpolitikerin Laurette Onkelinx. Indem sie die N-VA außen vor lassen, haben die flämischen Parteien Mut bewiesen. Die Frankophonen dürfen sie jetzt nicht enttäuschen.
Ähnlich äußert sich cdH-Chefin Joëlle Milquet auf der Titelseite von L'Echo: "Wir müssen jetzt der CD&V beistehen", wird Milquet zitiert. Die Frankophonen sollten es jedenfalls tunlichst vermeiden, jene flämischen Parteien zu schwächen, die vernünftig sind.
Man sollte jetzt jeden Triumphalismus vermeiden, meint auch Le Soir in seinem Leitartikel. Man mag es begrüßen, dass die N-VA jetzt in der Opposition gelandet ist, man sollte sich aber vornehm zurückhalten, um die Nationalisten nicht weiter zu reizen. Dies, zumal noch ein weiter Weg vor den Parteien liegt. Die N-VA wird keine Gelegenheit auslassen, um die Verhandlungen von außen zu torpedieren. Jetzt sind guter Wille und Verantwortungsbewusstsein gefragt. Ein Tipp an die Vertreter der acht Parteien: Sie sollten sich die Ohren zuhalten und den Moment der Stille nutzen.
"Zum Erfolg verdammt"
Gazet van Antwerpen sieht in der MR und vor allem in deren Bündnispartner FDF den gefährlichsten Störfaktor. FDF-Chef Olivier Maingain kann die Verhandlungen über BHV vergiften. Hinzu kommt, dass die MR der PS nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt. Das Opfer von all dem kann die CD&V werden: Erreichen die acht Parteien am Ende kein Abkommen, dann wird die These von N-VA-Chef Bart De Wever bestätigt, der ja der Ansicht ist, mit den Frankophonen sei kein Abkommen zu machen.
Het Belang van Limburg sieht das genauso: Die Verhandlungen müssen von Erfolg gekrönt sein, es gibt keine Alternative. Bei eventuellen Neuwahlen wäre der Sieger von vorneherein bekannt. Es steht also zu hoffen, dass die Frankophonen das auch verstanden haben. Es sei denn, die Französischsprachigen selbst legen es auf das Ende des Landes an.
Der Erfolgszwang kann aber auch ein Motor für die Verhandlungen sein, glaubt L'Echo. Nur wer eine Einigung erreichen muss, ist dazu imstande, widersprüchliche Positionen zu überwinden. Die acht Parteien können zusammen weiterkommen oder geschlossen untergehen.
Ein dunkler Wald mit zahllosen Fallstricken
De Standaard blickt mit gemischten Gefühlen auf die jüngste Entwicklung. Es gibt keinen Grund für Euphorie, aber auch keinen Anlass zur Verzweiflung. In eine vollkommen blockierte Situation ist jetzt zumindest eine minimale Bewegung gekommen. CD&V-Chef Wouter Beke hat jetzt einen dunklen Wald betreten, und hinter jedem Baum droht Gefahr. Doch es gibt keinen Weg mehr zurück. Die N-VA ist jetzt zum schlechten Gewissen der CD&V geworden. Wer am Ende wahltaktisch besser dastehen wird, sei dahingestellt. Es zählt ohnehin in erster Linie das Ergebnis.
Die Entscheidung, jetzt doch zu verhandeln, ist in jedem Fall ehrbar und mutig, meint Het Nieuwsblad. Die N-VA mag enttäuscht sein, sie konnte aber nicht den anderen Parteien das Recht absprechen, in Ehre und Gewissen nach einer Alternative zur Blockade zu suchen, um vielleicht etwas zu erreichen, das dem, was man dem Wähler versprochen hat, zumindest sehr nah kommt. Nur wer am Verhandlungstisch sitzt, kann etwas verändern. Funkstille ist keine Option. Es ist aber nur der Anfang, hebt auch noch einmal La Dernière Heure hervor. Man kann allenfalls behaupten, dass eine wichtige Hürde genommen wurde.
Die Situation bleibt prekär, warnt auch L'Avenir. Die Verhandlungen stehen noch auf äußerst wackligen Beinen. Es fängt ja schon damit an, dass das Abkommen vom 21. Juli unterschiedlich interpretiert wird. Es gibt noch zahllose Fallstricke, fasst es Het Laatste Nieuws zusammen. Stichwort Maingain, Stichwort De Wever, der zwar mit seiner Kritik gnadenlos übertrieben, sein Pulver aber noch nicht verschossen hat. Er weiß genau: Kommt es zu einer Einigung über BHV, dann verliert er einen wichtigen Motor für seinen Erfolg. Das beste Mittel gegen all diese Widrigkeiten wäre es eigentlich, schnelle Fortschritte zu erzielen. Insofern stellt die dreiwöchige Pause ein großes Risiko dar.
Die Tour de France steht schließlich heute auch bei vielen Blättern im Fokus. "Unglaubliche Spannung", titelt etwa La Dernière Heure. Tatsächlich ist ja seit gestern der Luxemburger Andy Schleck in Gelb, sein schärfster Widersacher Cadel Evans hat aber nur knapp eine Minute Rückstand. Heute wartet auf die Fahrer noch ein Zeitfahren, und das ist die Spezialität von Cadel Evans.
Bild: Thomas Winje (epa)