"Endlich gemeinsam an den Start", mit dieser Balkenüberschrift macht De Morgen heute auf und meint, dass nach 404 Tagen ohne Regierung sieben Parteien und die CD&V in Koalitionsverhandlungen einwilligten. Regierungsbildner Elio Di Rupo habe den Bemühungen, eine Koalition auf die Beine zu stellen, neues Leben eingehaucht. Dennoch bleibt der Leitartikler in De Morgen äußerst skeptisch. Sollte es tatsächlich so sein, dass man auf dem Weg zu echten Verhandlungen ist? Nach einem Jahr, in dem die politische Debatte zu einem absurden und zynischen Vakuum wurde? Man müsse sich noch daran gewöhnen, vom Denkschema der Aussichtslosigkeit zu einem ergebnisversprechenden Rahmen zu finden, der die Aussicht auf die Bildung einer demokratisch legitimierten Regierung bringt.
Endlich: Acht Parteien am Verhandlungstisch
Dass die flämischen Christdemokraten der CD&V die N-VA jetzt fallen lassen, macht Le Soir heute dann auch zur Aufmacherschlagzeile. Das Palavern, also die Koalitionsverhandlungen, würde, so meint die Brüsseler Tageszeitung, Mitte August anlaufen. Im Leitartikel kommt Le Soir auf die Rede des Königs zum Nationalfeiertag zurück und schreibt, dass allgemein erwartet wurde, dass Albert II. am 402. Tag nach den Wahlen die politische Krise wohl ansprechen würde, der Ton aber, in dem dies dann geschah, war deutlich weniger vorhersehbar. Es war, so meint der Leitartikler, als sei das Staatsoberhaupt aus sich herausgegangen. Das war nicht der König, der normalerweise unter dem Ballast des Protokolls spricht. Es war ein bisschen mehr Albert, ein ehrlicher und aufgebrachter Mann.
Doch diejenigen, die sich daran erfreuen, dass Belgien ein Staat geworden ist, der in der Klemme sitzt, dürften die Königsrede als Panikschrei einer bedrohten Institution gewertet haben. Ja, die Rede sei obligatorisch gewesen, - aber auch unnötig, schließt der Leitartikler in Le Soir.
"König schüttelt die Politik wach", mit diesem Titel macht Het Nieuwsblad auf. Das Treffen der CD&V mit den sieben anderen verhandlungsbereiten Parteien, das am Donnerstagabend bei Redaktionsschluss der Zeitungen noch andauerte, könnte ein möglicher Durchbruch in den politischen Verhandlungen sein, meint die Zeitung und kommentiert, dass nach zwei Tagen des Pokerns und der Hochspannung der Ausgang dieses Treffens, das bis in die Nacht dauerte, unsicher war.
Die Perspektive eines Scheiterns habe im Raum gestanden. Die flämischen Parteien hielten nämlich noch immer an der Staatsreform, der Spaltung von BHV und einer ordentlichen Politik für die Staatsfinanzen fest. Die Französischsprachigen, so der Leitartikler in Het Nieuwsblad, müssten wissen, dass, selbst wenn die N-VA vom Verhandlungstisch verschwinde, nicht alle Probleme weggezaubert seien.
CD&V droht die Absorption
"48 surrealistische Stunden" titelt La Libre Belgique im gleichen Zusammenhang. Das Ultimatum von Di Rupo, die Wut des Königs und die Kapriolen der CD&V: drei Akte in einem zweitägigen Politdrama. Im Leitartikel geht La Libre Belgique heute hart mit der CD&V ins Gericht und meint, dass es schwierig sei, nicht zu lachen oder zu heulen, wenn man sehe, wie die CD&V die Politik in den Sandkasten geholt habe. Ein Nein, das "ja" meinte, und ein Ja, hinter dem sich ein Nein verbarg. Wenn das so weitergehe, werde die CD&V im Bauch der N-VA landen: Fusion durch Absorption. Ein trauriges Spektakel, meint der Leitartikler.
Erleichternd sei es dagegen gewesen, den König zu lesen, beziehungsweise zu sehen. Es müsse zu einer sauberen politischen Linie zurückgefunden werden. Fraglich nur, ob man in der Lage sein wird, einen neuen Ankerpunkt für ein Gleichgewicht und mehr Kohärenz zu finden.
Ungehaltener König hält Rede seines Lebens
Dass König Albert die Rede seines Lebens zum diesjährigen 21. Juli gehalten hat, meint auch Het Laatste Nieuws. Im Leitartikel heißt es, dass nach der Königsrede die Regierungsbildung eine neue Wendung genommen habe. Es bestehe wieder Hoffnung für das Land. Regierungsbildner und französischsprachige Parteien hätten große Schritte auf die CD&V zu gemacht. Das sei nötig gewesen, und die flämischen Christdemokraten hätten dann auch ihrerseits das getan, was eine Partei mit einer wichtigen Rolle in der Geschichte unseres Landes gezwungen ist, zu tun: in schwierigen Momenten Verantwortung zu übernehmen.
Nutzt Beke die Gelegenheit?
Dennoch, so titelt Gazet van Antwerpen, herrsche "nur wenig Optimismus und noch weniger Vertrauen". Für den Leitartikler der Antwerpener Tageszeitung kann CD&V Parteichef Beke jetzt aber durch den Umstand, dass die N-VA nicht mit am Verhandlungstisch sitzt, bei den Französischsprachigen so einiges herausholen und diese Gelegenheit ausbeuten, denn für eine Regierung ohne die N-VA würden die Französischsprachigen ihre Seele verkaufen. Trotzdem müsse jetzt erst einmal dafür gesorgt werden, dass BHV sauber gespalten würde.
Viel Skepsis, wenig Vertrauen
Auch De Standaard glaubt, dass das gefundene Gleichgewicht in den Verhandlungen von Regierungsbildner Di Rupo prekär ist. Der Leitartikler in diesem Blatt kommt überdies zu dem Schluss, dass die Französischsprachigen eine Einigung ohne die N-VA wohl genauso viel kosten wird, wie eine mit ihr.
Skeptisch, was die Erfolgsaussichten der jetzt anstehenden Koalitionsverhandlungen angeht, ist auch der Leitartikler in Het Belang van Limburg. Er fragt sich nämlich, ob eine Einigung zum Thema BHV mit dem Kartell MR/FDF wohl möglich ist und gibt zu verstehen, dass er nicht daran glaubt.
Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)