Ein historischer Sieg
Kommen wir zunächst zur guten Nachricht, dem ersten Sieg eines Belgiers seit 30 Jahren bei einer Bergetappe der Frankreich-Rundfahrt.
Het Laatste Nieuws spricht von einem "historischen Sieg" und laut Grenz-Echo hat Vanendert am Samstag Radsportgeschichte geschrieben. Het Belang van Limburg beschreibt seinen Fahrstil als eine Kombination von Geschmeidigkeit und Kraft.
Die Tour de France wird der Limburger wohl nicht gewinnen, denn dafür müsste er ein besserer Zeitfahrer sein. Doch auf die Fahrer warten noch diese Woche die Alpen und bei einer solchen Etappe könnte Vanendert durchaus noch einmal als erster über die Ziellinie fahren. Das gepunktete Trikot des Bergsteigerkönigs dürfte ihm so gut wie sicher sein.
De Morgen bringt diesen Sieg in Verbindung mit einer schweren Hypothek, die den Radsport seit Jahren belastet, nämlich mit den zahllosen Doping-Skandalen, die schon so manchen Tour de France-Gewinner im Nachhinein vom Siegerpodest geholt haben. Man denke nur an Armstrong, Jan Ullrich oder Alberto Contado: Einst bejubelt und nach dem Ergebnis des Doping-Tests auch von den Medien verurteilt.
Heute ist man vorsichtiger geworden. Heute wird der Verdacht auf verbotene Aufputschmittel schneller untersucht und das ist gut so. Nur auf diese Weise erhält ein Jelle Vanendert die Glaubwürdigkeit und die Ehre, die er zweifellos verdient.
Seit genau 400 Tagen Krise
Politisch läuft es hierzulande längst nicht so gut, denn heute ist, wie mehrere Zeitungen hervorheben, genau der 400. Tag seit den Wahlen vom Juni vergangenen Jahres und genauso lange wartet Belgien vergeblich auf eine neue Regierung.
La Dernière Heure spricht in diesem Zusammenhang wahrscheinlich aus, was viele Landsleute denken, wenn sie schreibt: "Seit 400 Tagen hält man uns zum Narren". In einem Interview der Zeitung mit dem Verfassungsrechtler Christian Behrendt von der Universität Lüttich fällt erneut das Wort "Regimekrise". Der Politologe ist jedoch der Meinung, dass die geschäftsführende Regierung Leterme, auch wenn sie rein theoretisch vielleicht nicht das Recht dazu hat, alles tun wird, um die sozialwirtschaftliche Stabilität des Landes zu gewährleisten.
Flämische Forderungen lassen Di Rupo kaum eine Chance
La Libre Belgique zufolge ist das Ende des Tunnels noch immer nicht in Sicht. Im Gegenteil: Es sieht ganz danach aus, dass auch der Regierungsbildungsauftrag von Elio Di Rupo, der heute übrigens seinen 60. Geburtstag feiert, scheitern wird. Die Schuld daran liegt nach der Ansicht der Zeitung bei den flämischen Christdemokraten von der CD&V, die ihre Forderungen in Sachen BHV und auch in anderen gemeinschaftspolitischen Fragen einfach zu hoch geschraubt haben.
Mit anderen Worten: Sie verlangen von den Frankophonen die Erfüllung aller flämischen Forderungen, praktisch ohne Gegenleistung. Es ist kaum vorstellbar, dass Elio Di Rupo und mit ihm die französischsprachigen Parteien darauf eingehen können. CD&V-Präsident Beke müsste einsehen, dass eine so tiefgehende Staatsreform, wie Flandern sie verlangt, keine politische Einbahnstraße ist.
Gazet van Antwerpen äußert sich ebenfalls skeptisch, wenn sie schreibt: Selbst wenn die Frankophonen den Forderungen der Flamen in Sachen Brüssel-Halle-Vilvoorde zustimmen, haben wir längst nicht gleich eine neue Regierung. Dazu ist viel mehr nötig, unter anderem tiefgreifende sozialwirtschaftliche Reformen, Einsparungen und dergleichen mehr. Man kann sich durchaus vorstellen, dass darüber noch monatelange Verhandlungen ins Land gehen und zwar ohne Garantie auf Erfolg.
Ein Nationalfeiertag ohne Nation
In diesem Kontext einer tiefen Krise, so heißt es auf der Titelseite von Le Soir, begeht Belgien am kommenden Donnerstag seinen Nationalfeiertag. "Hat es überhaupt noch einen Sinn?" fragt sich die Zeitung, die von einem Festtag ohne Nation spricht und zugleich den König bedauert, der wahrscheinlich nicht weiß, was er in seiner traditionellen Ansprache zum Nationalfeiertag noch sagen kann.
In seinem Kommentar vergleicht Le Soir die belgische Krise mit der europäischen Währungs- und Eurokrise. Wenn Belgien und Europa überleben wollen, dann gilt es, das Prinzip Solidarität zum obersten Gebot zu machen, denn es ist die einzige Möglichkeit, bei der Globalisierung nicht unterzugehen. Sowohl Belgien als auch Europa brauchen tiefgreifende Reformen, um weiter funktionieren zu können. Im Grunde müssen sich beide selbst neu erfinden.
Auch De Standaard schlägt den Bogen von der belgischen zur europäischen Krise, denn beide suchen zurzeit das richtige Gleichgewicht zwischen Solidarität und Effizienz. Wenn sie allerdings aufhören, an sich selbst zu glauben, ist das Ende nur eine Frage der Zeit.
Bild: Guillaume Horcajuelo (epa)