"Nein". Dieses Wörtchen prangt mal auf Französisch, mal auf Niederländisch, auf allen Titelseiten. Es ist das Nein, das deutlicher nicht sein könnte, von Bart De Wever auf den Kompromissvorschlag von Elio Di Rupo. "Meneer Neen" nennt ihn heute Het Laatste Nieuws, für L'Echo ist es "Monsieur Non".
De Morgen bringt seinerseits seine Desillusion zu Ausdruck: Die Titelseite ist quasi weiß. Auch im Untertitel sind sich viele Zeitungen einig: Was jetzt?, so lautet die bange Frage. Die meisten, allen voran La Libre Belgique, Le Soir, Het Nieuwsblad und Het Laatste Nieuws glauben die Antwort zu kennen: Es wird wohl Neuwahlen geben. Wahrscheinlich im Herbst, wie Het Laatste Nieuws vermutet, wobei man festhalten muss, dass keine einzige Partei das Wort Neuwahlen bislang in den Mund nehmen wollte.
Es ist vor allem die Art und Weise, wie Bart De Wever die Di Rupo-Note abgeschossen hat, die viele Zeitungen hervorheben. Het Nieuwsblad spricht von "Mülleimer", De Standaard von einer "Exekution", für Het Laatste Nieuws waren "Panzerfaust und Maschinengewehr" im Spiel.
Von Verständnis bis Ablehnung
Ausnahmslos alle Leitartikler widmen dem jüngsten Paukenschlag in der Rue de la Loi zum Teil ausgebreitete Analysen. Allein Gazet van Antwerpen bringt Verständnis für die Haltung von Bart De Wever auf. Der N-VA eine Strategie der Verrottung vorzuwerfen, sei zu kurz gegriffen. Jede politische Partei habe das Recht, einen wie auch immer gearteten Vorschlag abzulehnen. Niemand könne dazu gezwungen werden, sein Parteiprogramm zu vergewaltigen.
Für einige frankophone Zeitungen hingegen ist jetzt endgültig die Maske gefallen. "Endlich der Beweis!", meint etwa La Dernière Heure. Das, was man im Grunde schon immer gewusst hat, ist jetzt deutlich: Die N-VA will kein Abkommen. Den flämischen Nationalisten ist nicht an einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in diesem Land gelegen, vielmehr lassen sie keine Gelegenheit aus, um das Ende des Landes zu herbeizuführen.
Ähnlich sieht das La Libre Belgique. Seit mehr als einem Jahr fragen wir uns, ob Bart De Wever und seine N-VA zu Verhandlungen beziehungsweise dann auch zu Zugeständnissen überhaupt in der Lage sind. Jetzt ist es amtlich: Die Antwort ist Nein. Seit 390 Tagen hält die N-VA das Land in Geiselhaft. Es wird Zeit, dass man diese Spirale durchbricht.
Auch in Flandern wächst die Kritik an Bart De Wever. Man kann objektiv feststellen, dass die N-VA nicht an Verhandlungen teilnehmen will, meint etwa das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws. Dabei geht die politische Bilanz von Bart De Wever gegen null. Von all seinen vollmundigen Versprechen hat er noch keines eingelöst. Niemand, der zu verhandeln beginnt, bekommt eine Erfolgsgarantie. Doch wer sich weigert, überhaupt zu verhandeln, der will schlicht und einfach kein Abkommen.
De Wever hinterlässt verbrannte Erde, konstatiert ihrerseits die Zeitung De Standaard. So wie er die Note von Elio Di Rupo abgeschossen habe, habe er eigentlich alle Türen zugeschlagen. Zugleich schwinge er sich in Flandern nicht nur zum Fürsprecher aller Nationalisten, sondern zudem zum Schutzpatron der flämischen Portemonnaies auf. Der 7. Juli 2011 ist zu Belgiens 11. September geworden. Und auch in Flandern ist die Welt nicht mehr dieselbe.
Totengräber CD&V
Doch trägt für viele die CD&V eine erhebliche Mitschuld an der neuerlichen Zuspitzung. Die CD&V hat gestern ein absolutes Trauerspiel geboten, notiert etwa De Morgen. Inhaltlich hat sie kein Problem mit dem Di Rupo-Vorschlag, verhandeln will sie aber nur, wenn die N-VA mit am Tisch sitzt. Selten hat sich eine Partei dermaßen vor einer anderen auf die Knie geworfen. Geleitet werden die Christdemokraten nicht mehr durch Überzeugungen, sondern durch die nackte Angst vor Stimmenverlusten. Mit ihrem jetzigen Verhalten erreicht die CD&V aber das Gegenteil: Das ist reiner Selbstmord.
Dabei hatte die CD&V eine einmalige Chance, meint L'Avenir. Hätte sie sich an den Verhandlungstisch gesetzt, dann hätte die Partei an einer Staatsreform mitwirken können, die unter anderem eine Spaltung von Brüssel-Halle-Vilvoorde beinhaltet hätte. Bei den nächsten Wahlen hätte man sich dann mit einer ansehnlichen Bilanz den Wählern stellen können. Stattdessen zieht die Partei es vor, auf Gedeih und Verderb im Windschatten der N-VA zu bleiben. Diesmal heißt der Totengräber nicht De Wever, sondern Wouter Beke.
Zeit für Plan B?
Doch wie soll es jetzt weiter gehen? Neuwahlen erscheinen als die einzigmögliche Alternative, sie würden das Problem aber nur noch vergrößern, glaubt L'Echo. Eine andere Option wäre, die N-VA ins Abseits zu stellen, das scheitert aber leider an der CD&V.
So kann es nicht mehr weiter gehen, analysiert derweil Het Nieuwsblad. Ein Abkommen erreicht man nicht, indem man sich gegenseitig Kompromissnoten um die Ohren haut, und bestimmt nicht, wenn man sich weigert, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Nachdem De Wever dem Regierungsbildner, mit Verlaub, "den Mittelfinger gezeigt" hat, müssen wir einsehen: Es bedarf einer anderen Methode.
Le Soir kommt auch zu dem Schluss, dass der bisherige Rahmen wohl an seine Grenzen gestoßen ist, denkt diesen Gedanken dann aber zu Ende. "Ceci n'est plus un pays", meint das Blatt frei nach Magritte. Dies ist kein Land mehr. Wenn De Wever Di Rupos Vorschlag abschmettert, dann schon allein deshalb, weil ihm die Hypothese nicht gefällt: Die Beibehaltung des belgischen Staates nämlich.
Es wird Zeit, dass man in diesem Land Ross und Reiter nennt. Dann organisieren wir eben Neuwahlen. Zur Abstimmung sollten aber dann die wahren Absichten der N-VA stehen: Der Wähler hat dann das letzte Wort. Und dann verhandeln wir eben über die eigentlichen Kernpunkte, wird nicht mehr um den Brei herum geredet.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich. Gibt es nicht noch ein Wunder, dann gibt es nur eine Alternative, nämlich Neuwahlen. Der Einsatz wäre wohl allen voran die Spaltung des Landes, in der Hoffnung, dass der Wähler in dem Moment ein klares Zeichen gibt.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)