"Nach 2 mal Ja für Di Rupo warten jetzt alle auf De Wever", meint Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. "Die N-VA übt scharfe Kritik an der Di Rupo Note", titelt Het Belang van Limburg. "De Wever muss sich aus dem Fenster lehnen", schreibt De Morgen auf Seite 1.
Spätestens am Donnerstagabend müssen alle neuen beteiligten Parteien ihr Urteil über den Kompromissvorschlag von Regierungsbildner Elio Di Rupo bekannt gegeben haben. Nach der MR hatte am Mittwoch ja schon die Open-VLD ihre Bereitschaft signalisiert, auf der Grundlage der Note wieder Verhandlungen aufzunehmen. "Allerdings war es ein kleines Ja, mit einem umso größeren aber", wie La Dernière Heure feststellt.
Zwischen "Ja, aber" und "Nein, es sei denn"
Von den meisten Parteien wird ein derartiges "Ja, aber" erwartet. Bei der N-VA ist nicht auszuschließen, dass man am Ende "Nein, es sei denn" sagt, fasst es Gazet van Antwerpen in seiner Schlagzeile zusammen. Will heißen: es könnte sein, dass die N-VA erst Nachbesserungen verlangt, bevor sie sich zu Verhandlungen bereit erklärt.
Bart De Wever steht unter erheblichem Druck, sind sich alle Zeitungen einig. Auf der einen Seite hat die N-VA inhaltlich aus ihrer Sicht gute Gründe, den Di Rupo-Vorschlag zurück zu weisen. Auf der anderen Seite droht der N-VA im Falle eines "Nein" die Isolation, analysiert etwa De Morgen.
Jetzt ist De Wever am Zug, konstatieren fast gleichlautend Het Belang van Limburg und Het Laatste Nieuws. Der N-VA-Chef steht wohl vor der schwierigsten Entscheidung seiner Karriere, notiert Het Laatste Nieuws. Willigt er Verhandlungen ein, dann brüskiert er seine angestammte Basis. Lehnt er den Kompromissvorschlag von Di Rupo ab, dann stellt er sich selbst ins Abseits und zwingt di Rupo förmlich dazu, eine Koalition ohne die N-VA zu bilden. Di Rupo hat gezeigt, dass er eigene Tabus brechen kann. Die Frage ist jetzt, ob De Wever zu etwas Vergleichbarem in der Lage ist.
Hier geht es auch, latent um die Frage, ob die N-VA überhaupt ein Abkommen will, glaubt Het Belang van Limburg. Wenn die Nationalisten selbst unter Vorbehalten "Ja" zu Di Rupo sagen, dann signalisieren sie damit, dass sie den Willen haben, an einer Einigung mitzuarbeiten. Anderenfalls droht De Wever wie ein Yves Leterme zu enden, der sich als unfähig erwies, die in ihn gesteckten Erwartungen zu erfüllen.
Ein klares Signal
Viele Leitartikler erhoffen sich in jedem Fall ein deutliches Signal. Selbst wenn am Ende alle "Ja" sagen, dann wohl nur mit einer ganzen Latte von Einwänden, meint etwa Het Nieuwsblad. Die Frage ist, wie lang eine solche Beschwerdenliste sein muss, bis sie eigentlich ein "Nein" kaschiert. Wer zustimmt, der muss das ernst meinen. Man kann nicht ein bisschen schwanger sein. Ein "Ja" bedeutet, dass man zumindest alles dran setzen will, um ein Abkommen zu erzielen.
De Standaard gibt sich betont pragmatisch: Es wäre vielleicht besser, wenn jeder klare Farbe bekennt. Wenn jeder mit einer endlosen Liste von Einwänden ankommt, dann drohen wieder endlose Verhandlungen. Und das wäre doch eigentlich das Undankbarste, was Di Rupo passieren könnte. Wer legitime Gründe hat, den Kompromissvorschlag zu verwerfen, der sollte das tun. Sein Platz ist dann in der Opposition.
Wenn auch Di Rupo's Anlauf scheitert, dann sieht es für Belgien düster aus, warnt indes L'Avenir. Verläuft auch dieser Versuch im Sande, dann drohen Neuwahlen in deren Mittelpunkt die Spaltung des Landes wohl stehen dürfte. Doch selbst diese Spaltung würde Verhandlungen voraussetzen, das darf auch die N-VA nicht vergessen. Insofern haben die Nationalisten jetzt schon mal die Gelegenheit zu beweisen, dass sie für einen gesunden und demokratischen Dialog reif genug ist.
Die (zu große) Macht der Ratingagenturen
Zweites großes Thema ist die harsche Kritik der EU am jüngsten Verhalten der Ratingagenturen. Erst hatte ja das Büro Standard&Poors Zweifel an den europäischen Rettungsplänen für Griechenland geübt, dann stufte die Agentur Moody's die Kreditwürdigkeit Portugals deutlich herunter. Damit hat Moody's Portugal KO geschlagen, notiert Le Soir. Die Entscheidung von Moody's sorgte denn auch für einen Sturm der Entrüstung, wie unter anderem La Libre Belgique auf seiner Titelseite festhält. EU-Kommissionspräsident Barroso und auch der deutsche Finanzminister Schäuble drohten den Agenturen: Deren Monopol müsse gebrochen, ihr Einfluss begrenzt werden, hieß es da.
Gazet van Antwerpen findet die Entscheidung von Moody's nachvollziehbar. Wer wie Portugal am Tropf von EU und IWF hängt, der liegt erwiesenermaßen auf der Intensivstation. Es ist der Job der Ratingagenturen, Anleger vor derartigen Risiken zu warnen. Und es ist Sache der Anleger, ob sie die Warnungen nun ernst nehmen oder nicht, betont auch das Börsenblatt L'Echo. wenn die Investoren vorsichtig werden, dann muss man dafür nicht Rating-Büros verantwortlich machen.
Andere Leitartikler sehen das ganz anders. Wenn eine Ratingagentur die Kreditwürdigkeit Portugals um gleich vier Stufen senkt, dann sind wir im Königreich des Irrsinns angelangt, meint etwa La Libre Belgique. Es kann doch nicht sein, dass das Schicksal ganzer Nationen in den Händen einiger weniger Analysten liegt. Fragen, bei denen es um Geld geht, sind viel zu wichtig, als sie allein Denkern zu überlassen.
Die Moody's-Entscheidung ist der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat, meint auch Le Soir. Dabei sind die drei maßgeblichen Rating-Agenturen längst nicht über jeden Verdacht erhaben. Nicht nur, dass alle drei angelsächsischer Prägung sind, ihnen werden auch Interessenverquickungen etwa mit den großen Geschäftsbanken nachgesagt. Aber eins darf man nicht vergessen: Europa hat die Agenturen viel zu lange gewähren lassen und sich deren Urteil unterworfen.
Archivbild: Julien Warnand (belga)