"Wärmster Tag des Jahres gipfelt in Unwetter" titelt heute Gazet van Antwerpen. "Albtraumnacht in der Provinz Wallonisch Brabant" schreibt heute La Dernière Heure auf Seite 1. In einigen Regionen des Landes haben schwere Gewitter am Dienstag zum Teil erhebliche Schäden angerichtet. Besonders betroffen war Jodoigne im Osten der Provinz Wallonisch-Brabant. Auch die Provinz Limburg hat es erwischt: "In Genk wurden bei den dortigen Ford-Werken tausende Neuwagen durch einen Hagelschauer schwer beschädigt", notiert heute Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite.
"Die SNCB ist eine Katastrophe"
Das große Thema in den Berichten und Kommentaren ist aber heute die Nationale Eisenbahngesellschaft SNCB. "Es bedarf dringend einer Reform bei der SNCB", konstatiert Le Soir in Blockbuchstaben auf seiner Titelseite. Het Laatste Nieuws formuliert es noch drastischer: "Die Staatsbahn ist eine Katastrophe". Hintergrund ist ja der Chaostag am vergangenen Montag, wo eine Serie von Pannen für Monsterverspätungen auf dem ganzen Netz sorgte. Viele Bahnreisende mussten in überhitzten Zügen oder in Bahnhöfen ausharren. Und am Dienstag gab es die Fortsetzung, wie Het Laatste Nieuws feststellt: So blieb zum Beispiel ein Eurostar-Zug liegen.
Das Urteil ist einhellig: So kann's nicht weitergehen". Jeder Belgier zahlt im Durchschnitt pro Monat 25 Euro für die SNCB, weiß etwa Het Laatste Nieuws. In schrillem Kontrast dazu stehen die Probleme bei der Bahn, die jeder Pendler nur allzu gut kennt. Insofern war das Chaos vom Montag vorprogrammiert, notiert L'Avenir. Die zuständige Föderalministerin Inge Vervotte musste sich am Dienstag im Parlament den wütenden Fragen der Abgeordneten stellen. Den allgemeinen Tenor fasst Het Nieuwsblad in seiner Schlagzeile zusammen: Die Zustände bei der Bahn seien "verwerflich, amateuristisch, unannehmbar". Vervotte verteidigte zwar die Arbeit der drei Bahnchefs, räumte aber ein, dass Reformen überfällig sind, wie unter anderem Le Soir berichtet. Das Problem sei allerdings, dass die Regierung nur geschäftsführend im Amt sei. Wenn sich das bis September nicht ändere, werde sie aber trotz allem die Reformen anstoßen.
"Jetzt reicht es!"
"Schluss mit lustig", donnert denn auch Gazet van Antwerpen in ihrem Kommentar. SNCB-Chef Descheemaeker lebt wohl auf einem andere Planeten, wenn er das Chaos vom Montag mit einer Verkettung unglücklicher Umstände begründet. Ist es denn normal, dass die belgischen Züge nur bei Außentemperaturen zwischen 10 und 20 Grad vernünftig funktionieren? Ist es denn normal, dass man die Fahrgäste im Zug austrocknen lässt, statt einfach mal die Türen zu öffnen? Ist es normal, dass die SNCB nicht über einen Notfallplan verfügt und es nicht mal schafft, die gestrandeten Reisenden adäquat zu informieren? Wenn die SNCB-Manager diese und andere Fragen nicht nachvollziehbar beantworten können, dann sollten sie bitte abtreten.
Die Bahnchefs machen es sich zu einfach, urteilt auch Het Laatste Nieuws. Es ist jedes Mal das Gleiche: Bei jedem Zwischenfall schanzen sie sich gegenseitig die heiße Kartoffel zu. Niemand ist wirklich verantwortlich. Dabei sind einige Probleme bei der Bahn längst bekannt und himmelschreiend, etwa die Notwendigkeit, Bahnreisende korrekt zu informieren. Von Managern, die zusammen rund eine Millionen Euro verdienen, kann man mehr erwarten.
Der Gipfel war dann ein Ausspruch von SNCB-Chef Descheemaeker, bemerkt De Standaard. Der erklärte, die SNCB müsse künftig den Reisenden in den Mittelpunkt stellen. Es ist erstaunlich, so etwas vom Chef eines Unternehmens zu hören, dessen Aufgabe es ist, Menschen von A nach B zu befördern. Die SNCB hat ein Führungsproblem. Die Dreierspitze sorgt für verschwommene Verantwortlichkeiten. Geschäftsführende Regierung hin oder her: Wenn wir in den Krieg ziehen können, dann können wir auch die Probleme bei der Bahn lösen.
Einige Leitartikler sehen die Probleme auch anderswo begründet. Bei der Bahn läuft erwiesenermaßen so einiges schief. Das aber allein der Bahn und ihren Verantwortlichen vorzuwerfen, wäre zu kurz gegriffen, sind sich Het Belang van Limburg und L'Avenir einig. Vielmehr ist die SNCB seit Jahr und Tag unterfinanziert. Die Probleme von heute sind auch die Folge eines Investitionstaus.
Ghislenghien - strengeres Urteil
Viele Zeitungen widmen sich heute auch der juristischen Aufarbeitung der Katastrophe von Ghislenghien. Bei der Explosion einer Gaspipeline waren indem Industriebgebiet bei Ath vor fast genau sieben Jahren 24 Menschen getötet und über 130 zum Teil schwer verletzt worden. Der Appellationshof von Mons hat jetzt das Urteil der Ersten Instanz verschärft. Demnach trägt unter anderem auch der Betreiber der Unglückspipeline, also das Unternehmen Fluxys, eine Mitschuld an der Katastrophe. "Für die Opfer hat es sich gelohnt, in Berufung zu gehen", konstatiert denn auch La Libre Belgique, und De Morgen führt aus: Durch die Tatsache, dass jetzt auch finanzkräftige Unternehmen wie Fluxys aus juristischer Sicht eine Mitschuld tragen, steigt für die Opfer und deren Angehörige die Aussicht auf einen angemessenen Schadensersatz.
"Die Griechen haben es in der Hand"
Auch heute blicken viele Zeitungen schließlich wieder auf Griechenland. "Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit", bemerkt etwa La Libre Belgique. "Und was ist, wenn die Griechen am Ende das Sparprogramm ablehnen?" fragt sich beunruhigt das Börsenblatt L'Echo. In den nächsten Stunden muss das Parlament in Athen ja über die neue Rosskur abstimmen, die die Regierung unter Druck von EU und IWF dem Land verordnen will. Viele Zeitungen bringen Fotos von den Protesten der Griechen gegen den drakonischen Sparkurs.
"Die Griechen haben nur die Wahl zwischen trockenem Brot und der Pleite", notiert Le Soir. Doch es gibt keine Alternative, meint La Libre Belgique in ihrem Kommentar. Die EU will Griechenland nicht hängen lassen. Im Gegenzug muss Griechenland endlich Verantwortungsbewusstsein und Vertrauenswürdigkeit an den Tag legen. Hier geht es nämlich nicht mehr nur um das Schicksal ihres Landes, sondern das der Eurozone insgesamt.
Archivbild: Kurt Desplenter (belga)