"Vivant-Gründer Duchâtelet kauft Standard Lüttich", heißt es heute auf der Titelseite des Grenz-Echo. "Flämischer Millionär kauft Standard", titelt heute Le Soir. Het Nieuwsblad klingt in seiner Schlagzeile fast schon triumphalistisch: "Standard in flämischer Hand".
Die Nachricht schlug am Donnerstag wie eine Bombe ein: Der flämische Millionär Roland Duchâtelet kauft alle Anteile von Standard Lüttich und legt dafür 41 Millionen Euro auf den Tisch. Duchâtelet, der als Gründer der Partei Vivant auch schon eine Zeitlang im Senat gesessen hat, gehört zu den 20 reichsten Menschen des Landes, wie unter anderem Het Nieuwsblad hervorhebt. Sein Vermögen wird auf über 500 Millionen Euro geschätzt. Sein Geld verdient hat der Diplom-Ingenieur insbesondere mit Halbleitern und Auto-Elektronik.
Duchâtelet: Der richtige Mann für die Rouches?
Seine Erfolge als Geschäftsmann geben Duchâtelet ein Profil, das zu seinem "Projekt Standard Lüttich" passt, meint lobend La Dernière Heure. Duchâtelet gehört mit Sicherheit zu der Sorte Menschen, die die Kragenweite haben, um einen Verein wie Standard Lüttich zu führen.
La Libre Belgique sieht das ähnlich. Duchâtelet kennt die Welt des Fußballs. Schließlich war er bislang schon Präsident des Erstdivisionärs Sint-Truiden. Das macht aus ihm mit Sicherheit einen zumindest genauso geeigneten Investor wie die anderen Unternehmen und Investmentfonds, die Interesse an Standard Lüttich angemeldet hatten. Auf den ersten Blick gibt es keinen Grund, an den Fähigkeiten und Ambitionen von Roland Duchâtelet zu zweifeln.
Für viele Leitartikler gibt es aber auch eine Reihe von offenen Fragen. "Wie wird man in Lüttich auf den neuen Standard-Boss reagieren?", fragt sich etwa Gazet van Antwerpen. Immerhin geht mit Standard Lüttich einer der wallonischen Kronjuwelen des Fußballs in flämische Hände über. Und das in diesen gemeinschaftspolitisch sensiblen Zeiten. Außerdem hat Duchâtelets Vorgänger Luciano D'Onofrio den Verein wieder auf die Siegerstraße zurück gebracht. Das ist ein schweres Erbe.
"Wie lautet der Plan von Roland Duchâtelet?", fragt sich auch Le Soir. Seine Zeit als Präsident von Sint Truiden war mit Sicherheit nicht vorbildlich. Auf Ebene des Verbands hat er sich zudem als Quertreiber hervorgetan. Duchâtelet wäre gut beraten, sich bei Standard Lüttich zumal in sportlichen Dingen mit ausgewiesenen Fußballkennern zu umgeben. Aber eins muss man bei all dem festhalten: Duchâtelet ist immerhin ein Belgier. Viele Vereine, allen voran Charleroi und Eupen, sind in ausländische Hände übergegangen.
… oder doch nur ein emotionsloser Geschäftsmann?
Die Meldung ist aber nicht nur in Lüttich wie eine Bombe eingeschlagen, sondern auch an Duchâtelets bisheriger Wirkungsstätte, also in Sint-Truiden. "Sint-Truiden steht unter Schock", titelt heute Het Belang van Limburg. Nach der Übernahme von Standard Lüttich wird sich Duchâtelet nämlich auf die eine oder andere Weise von Sint-Truiden trennen müssen. Man kann nicht zwei Fußballklubs besitzen. Duchâtelet ist und bleibt ein Geschäftsmann, notiert denn auch Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Emotionslos tauscht er Sint-Truiden gegen Lüttich aus. Aber immerhin hat er versprochen, seinen bisherigen Verein nicht im Stich zu lassen. Möglich wäre auch, dass er seine Lebensgefährtin als neue Präsidentin bei Sint-Truiden einsetzt.
Griechenland - ein Fanal
Die Übernahme von Standard Lüttich hat beinahe sogar die griechische Schuldenkrise verdrängt. "Die EU-Staaten setzen Griechenland die Pistole auf der Brust", titelt heute sinngemäß das Börsenblatt L'Echo. Tatsächlich hat die EU Griechenland gegenüber noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass das Land sich vor allem selbst helfen muss, wie auch La Libre Belgique hervorhebt. Will heißen: Ohne ein neues Sparprogramm gibt es kein frisches Geld.
Die EU hat dennoch keine andere Wahl, als Griechenland zu retten, bemerkt Het Laatste Nieuws. Ansonsten droht möglicherweise sogar das Ende des Euro oder der EU in ihrer Gesamtheit. Belgien sollte seinerseits Griechenland als Warnung betrachten. Vielleicht gibt es keine unmittelbare Bedrohung. Doch muss auch Belgiens schnellstens tiefgreifende Reformen auf den Weg bringen, ansonsten geraten wir in absehbarer Zeit selbst in die Gefahrenzone.
"Offener Krieg"
Einige Blätter kommen noch einmal auf die Streitigkeiten zwischen den Sprachenparteien FDF und N-VA zurück. Zwischen beiden herrscht inzwischen "offener Krieg", bemerkt etwa De Standaard. FDF-Chef Olivier Maingain hatte seinen N-VA-Amtskollegen Bart De Wever unlängst sogar indirekt mit Jörg Haider verglichen und später auch des Revisionismus bezichtigt. De Wever platzte daraufhin der Kragen: Den politischen Widersacher zum Kriminellen zu stempeln, das gehe definitiv zu weit.
Das Resultat dieser neuerlichen Querelen ist aber allenfalls, dass sich die FDF - und damit die MR insgesamt - selbst ins Abseits stellt, glaubt Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Die frankophonen Liberalen sind zudem der beste Beweis dafür, wie wenig man in der Rue de la Loi noch an ein Abkommen glaubt.
Belgien exportiert gemeinschaftspolitische Probleme
L'Avenir hat einen anderen gemeinschaftspolitischen "casus belli" ausgemacht: Auf der Luftfahrtschau im französischen Le Bourget hat eine föderale Delegation, angeführt von den beiden CD&V-Ministern De Crem und Schouppe, belgischen Unternehmen einen Besuch abgestattet. Das Problem: Sieben der besuchten Firmen kommen aus Flandern, nur eine aus der Wallonie. Dabei sind 70 Prozent der belgischen Luftfahrtindustrie in der Wallonie angesiedelt. Für L'Avenir ist das keine Anekdote. Wieder wurde Flandern in flagranti dabei erwischt, wie es flämische Interessen, selbst im Rahmen einer föderalen Mission, über alles andere stellt.
Archivbild: Yorick Jansens (belga)