Fast alle Zeitungen berichten heute über die jüngsten Entwicklungen in der Griechenland-Krise, nachdem sich ja Deutschland und Frankreich auf die Grundzüge eines neuen Rettungsplans für das Land geeinigt haben. Innenpolitisches Blickpunktthema sind neben den traditionellen Samstags-Interviews die parteiinternen Querelen beim rechtsextremen Vlaams Belang. Ebenfalls im Fokus: die Sicherheitslage in Brüssel insbesondere in Molenbeek und der nun definitive Abstieg der AS Eupen in die zweite Division.
"Sarkozy und Merkel wollen den griechischen Brand ersticken", titelt heute L'Echo. "Deutsch-französischer Deal rettet die Griechen", meint heute De Morgen auf Seite 1. La Libre Belgique macht heute mit einem Zitat des luxemburgischen Premiers und Vorsitzenden der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker, auf. Dessen Botschaft: In Griechenland bedarf es strengerer Haushaltsführung, das Land braucht aber auch Hoffnung.
Griechenland und die Europäische Idee
Nach langem Ringen haben sich Deutschland und Frankreich gestern auf die Grundzüge eines neuen Rettungsplans für Griechenland verständigt. Die Einigung kommt keine Sekunde zu früh, bemerkt insbesondere Gazet van Antwerpen. Angesichts des erneuten Zögerns der EU hatte sich nämlich an den Finanzmärkten Unruhe und Nervosität breit gemacht. Europa sollte jetzt endlich die Lehren aus der Krise ziehen. Eine gemeinsame Währung braucht eine gemeinsame politische Grundlage. Der EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel ist denn auch von historischer Bedeutung.
Am Ende werden die EU und IWF über 200 Milliarden Euro in die Rettung Griechenlands gepumpt haben, konstatiert La Libre Belgique. Das ist nun mal der Preis, um ein Katastrophen-Szenario zu verhindern, betont man in Brüssel. Die Einheit der Euro-Zone müsse um jeden Preis erhalten bleiben. Fachleute befürchten derweil ein Fass ohne Boden, so mancher plädiert dafür, den Hahn zu zu drehen. Das allerdings wäre ein schwerwiegender Fehler. Damit würde man nämlich eine der Grundideen der europäischen Integration mit Füßen treten, mit Namen: die Solidarität.
Für den Leitartikler von Le Soir ist die europäische Idee längst in Gefahr. Europa war lange nicht so gespalten, die Europa-Skepsis lange nicht so groß. Die EU erscheint verletzlich und müde. Da gibt es nur eins: Nach vorne blicken. Wohlwissend, dass der "point of no-return" längst überschritten ist. Wer trotzdem umkehren will, den sollte man dabei aber nicht aufhalten.
Vlaams Belang vor der Implosion?
Das große innenpolitische Thema, insbesondere in Flandern, sind die neuerlichen parteiinternen Zerwürfnisse innerhalb des rechtsextremen Vlaams Belang. Eine Dissidentengruppe um das Vlaams Blok-Gründungsmitglied Francis Van den Eynde droht heute womöglich der Ausschluss aus der Partei. Die Gruppe hat wiederholt Kritik an der Parteilinie geübt.
"Der Belang erlebt ein neues Psycho-Drama", notiert dazu De Standaard in seinem Kommentar. Immer mehr Spitzenkräfte kehren der Partei den Rücken. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das hat zunächst interne Gründe. Es gibt keine parteiinterne Demokratie, außerdem hat die Bannmeile um den Vlaams Belang, der sogenannte "Cordon sanitaire", dazu geführt, dass keine neuen, talentierten Kräfte die Partei verstärkten. Der spektakuläre Wahlerfolg der N-VA hat die Implosion dann noch beschleunigt. Allerdings wird der Vlaams Belang überleben. Auch in Flandern gibt es weiter einen Markt für eine populistische, ausländerfeindliche Partei.
Der Vlaams Belang könnte sich dennoch selbst überflüssig machen, analysiert Het Belang van Limburg. Die Partei spielt erwiesenermaßen keine Rolle mehr, niemand hört ihr zu. Das hat die Partei sich selbst zu verdanken: Sie hat ihr Programm reduziert auf Theken-Parolen. Interne Diskussionen über die Parteilinie sind dabei unmöglich: Die Antwerpener Führungsriege um Filip Dewinter hat die Wahrheit gepachtet. Doch auch Het Belang van Limburg kann nur feststellen: Der "Cordon sanitaire" hat in erheblichem Maße zum Niedergang der Partei beigetragen.
Maingain: "N-VA ist Gefahr für die Demokratie"
Apropos Innenpolitik: Der Samstag ist traditionell der Tag der großen Interviews. Hervorzuheben ist da ein Gespräch mit FDF-Chef Olivier Maingain, das in Le Soir nachzulesen ist. Maingain erneuert darin die Kritik an dem MR-Vorsitzenden Charles Michel. Der soll ja unlängst mit Bart De Wever im Rahmen eines geheimen Treffens über einige politische Dossiers beraten haben. Für die FDF - Teil der MR - kommt eine Annäherung an die N-VA aber nicht in Frage, sagt Maingain. Wirtschaftspolitisch stehe die N-VA für einen knallharten Kurs nach dem Vorbild der eisernen Lady, Margareth Thatcher. Und ganz davon abgesehen stellt die N-VA in gewisser Weise eine Gefahr für die Demokratie dar.
Moureaux' Molenbeek
Ein Bericht gestern in De Morgen über die Lage in Molenbeek hat unterdessen in Flandern die Diskussion über die Sicherheitslage in der Hauptstadt neu entfacht. Molenbeeks Bürgermeister Philippe Moureaux (PS) hatte in einem Interview erklärt, der vor allem flämische Alarmismus über die Kriminalität insbesondere in Molenbeek entbehre jeder Grundlage. Nach dem Motto: "Es gibt kein Problem". Hintergrund der Geschichte: Eine flämische Werbeagentur hat beschlossen, Molenbeek zu verlassen. In einem offenen Brief, den De Morgen heute veröffentlicht, wenden sich einige Mitarbeiter an Philippe Moureaux und reden Klartext. Sie seien das Opfer von 152 Straftaten innerhalb von zehn Jahren: Soll das kein Problem sein?
Einige Leitartikler schlagen in dieselbe Kerbe. Moureaux ist zum lebenden Anachronismus geworden, meint etwa Het Nieuwsblad. Es ist unfassbar, dass man im Jahre 2011 immer noch den Beweis erbringen muss, das ein allgemein bekanntes Problem überhaupt existiert. Das sagt viel über die Qualität der Debatte aus. Hier geht es doch längst nicht mehr um den Graben zwischen Rechts und Links, hier geht es um den gesunden Menschenverstand. Man löst die Probleme jedenfalls nicht, indem man den Kopf in den Sand steckt.
Het Laatste Nieuws ist richtig wütend. Einer anonymen Aussage eines Polizisten aus Molenbeek zufolge gibt es sogar die Anweisung, während des Ramadan möglichst keine Bußen zu verhängen. Eben um nicht zu provozieren. Bekannt ist, dass es stellenweise für die Polizei veritable "no-go-Zonen" gibt, wo ganz einfach andere Gesetze gelten. Eine Politik, die wissentlich die Augen vor der Realität verschließt, ist total verrückt. Molenbeek ist das Musterbeispiel für falsch verstandene Integrationspolitik.
Das Tragischste ist eigentlich, dass auch diese Akte wieder einen gemeinschaftspolitischen Anstrich bekommen könnte, beklagt De Morgen. Einige Frankophone sehen in der flämischen Diskussion über Molenbeek gleich wieder einen Angriff von Extremisten. Das ist auch der Grund, warum die frankophone Presse zu der neuerlichen Polemik schweigt.
Schwarzer Freitag für die AS Eupen
Das Grenz-Echo schließlich befasst sich mit dem Schicksal der AS Eupen. Der Abstieg in die 2. Division ist jetzt amtlich. Es wäre müßig, jetzt nachzukarten und nach Schuldigen zu suchen, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Klar wurden Fehler gemacht, auf allen Ebenen. Jetzt muss man aber konsequent nach vorne blicken. Ziel kann nur der Wiederaufstieg in die 1. Division sein.
Archivbild: Michel Krakowski (belga)