Ab Freitag arbeiten wir für die eigene Tasche
Verschiedene Zeitungen weisen darauf hin, dass am Freitag der sogenannte Tax Freedom Day ist, das heißt, ab Freitag arbeiten die Belgier für die eigene Tasche, nachdem sie seit dem 1. Januar bis jetzt für die Kasse von Vater Staat geschuftet haben.
De Standaard notiert dazu, man darf natürlich nicht vergessen, dass wir für unser Steuergeld vom Staat auch etwas zurückbekommen. Der Slogan "Keine neuen Steuern", klingt gut in einem Land wie Belgien, das fast den höchsten Steuerdruck der ganzen Welt hat. Was vor allen Dingen nötig ist, das ist eine Verschiebung der Steuern, und zwar von der Belastung auf Arbeit hin zu einer Mehrbelastung auf Umweltverschmutzung, auf große Vermögen, auf Finanztransaktionen, wie zum Beispiel Börsengewinne. Sicher ist auf jeden Fall, dass Belgien seinen Haushalt mit Einsparungen allein nicht ins Gleichgewicht bringen kann.
Steuern sind nicht zu hoch, sondern falsch verteilt
De Morgen führt zum gleichen Thema aus, natürlich sind die Steuern auf Löhne und Gehälter zu hoch. Im Gegensatz dazu, ist Belgien für viele immer noch ein Steuerparadies. So zahlen die größten börsennotierten Betriebe fast keine Steuern. Milliardengewinne im Energiesektor werden am Finanzamt vorbeigeschleust, und wer an der Börse saftige Gewinne kassiert, der kann dieses Geld ebenfalls steuerfrei in die Tasche stecken. Mit anderen Worten: Die Steuerlast in Belgien ist nicht zu hoch, sie ist falsch verteilt.
Gazet van Antwerpen findet, dass wir als Steuerzahler viel bezahlen und nur wenig zurückkriegen. Man vergleiche zum Beispiel unsere Straßen- und Autobahnen mit denen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Dort zahlt man weniger, und hat trotzdem ein besseres Wegenetz. Unsere Eisenbahn kassiert jährlich drei Milliarden Euro vom Steuerzahler und trotzdem ist ihr Dienst am Kunden eine Katastrophe. In der sozialen Sicherheit schließlich zahlen die Belgier die höchsten Beiträge und bekommen die kleinsten Pensionen. Kurzum, dieses Land braucht ganz dringend Reformen.
Betriebe fordern weniger Lasten
Le Soir macht sich auf seiner Titelseite zum Sprachrohr des belgischen Unternehmensverbandes mit der Schlagzeile "Die Belgier verdienen zu viel und machen zu lange Urlaub". Für die Betriebe ist es wichtig, dass sie international konkurrenzfähig bleiben, und dazu muss die Lohnlast unbedingt gedrosselt werden. Deshalb fordern die Unternehmer, das System der Lohnindexierung zu reformieren und den Schwangerschafts- und Elternurlaub neu zu überdenken.
Hopfen und Malz verloren?
Het Laatste Nieuws unterstreicht in seinem Kommentar, dass auch die Europäische Kommission eine Anpassung der belgischen Lohnindexierung angeregt hat, dass dies jedoch für die frankophonen Sozialisten nicht in Frage kommt. Kommentierend heißt es dazu, die Art und Weise wie die Partei von Regierungsbildner Di Rupo die Ratschläge internationaler Organisationen in den Wind schlägt, ist alarmierend, sowohl für die Regierungsbildung als auch für die Zukunft unseres Landes. Wenn selbst Europa keinen Druck mehr auf Belgien ausüben kann, damit wichtige Reformen endlich durchgeführt werden, dann ist wohl Hopfen und Malz verloren.
Das Streikrecht erlaubt nicht alles
Mehrere Zeitungen widmen ihre Kommentare verschiedenen Streikaktionen. So bezeichnet L'Avenir die wallonische Nahverkehrsgesellschaft TEC als Landesmeister im Streiken, nachdem in der Lütticher Gegend die Busse am Mittwoch erneut im Depot blieben, und dies ohne jegliche Vorwarnung. Dies war bereits der sechste wilde Streik der TEC seit Beginn des Jahres, so hebt die Zeitung hervor.
Wieder einmal, so kommentiert zum gleichen Thema La Dernière Heure, wurden Schüler und Arbeiter als Geisel genommen. Das Streikrecht mag noch so heilig sein, es rechtfertigt und erlaubt noch lange nicht alles. Dass zum Beispiel Schüler am Mittwoch zu spät zu den Prüfungen kamen und tausende Beschäftigte auf dem Weg zum Arbeitsplatz gestrandet sind, das ist und bleibt ganz einfach unannehmbar.
Bahn verjagt ihre Kunden
Zum Schluss noch einen Blick auf Het Nieuwsblad, dem zu entnehmen ist, dass die Abonnenten der belgischen Eisenbahn für alles, was in den letzten Monaten im Schienenverkehr schief gelaufen ist, einen Tag lang erste Klasse fahren dürfen. Damit, so mutmaßt die Zeitung, werden sie sich allerdings vorerst auch zufrieden geben müssen. Grundlegende Verbesserungen sind frühestens ab 2013 zu erwarten. Bis dahin werden sie weiterhin Verspätungen in Kauf nehmen müssen, häufig ihren Anschluss verpassen, hoffen, dass der Zug überhaupt kommt. Ihrerseits kann die Bahn nur hoffen, dass ihre Kunden bis zur Besserung der Lage nicht auf ihren Wagen umsteigen.
Archivbild: Michel Krakowski (belga)