"Sojasprossen sind wahrscheinlich der EHEC-Auslöser" titeln heute fast gleichlautend Het Belang van Limburg und das Grenz-Echo. La Libre Belgique stellt sich im Innenteil die Frage, ob es sich denn nun bei den Sprossen um die "wirklichen Schuldigen" handelt. Und De Morgen stellt auf seiner Titelseite nur scheinbar nüchtern fest: "Nach der Gurke und der Tomate ist nun die Sojasprosse der EHEC-Übeltäter".
Von Soja-Sprossen und deutscher Informationspolitik
Diese Schlagzeilen fassen es treffend zusammen. Zunächst die allgemeine Hoffnung, dass jetzt endlich der Infektionsherd für die EHEC-Epidemie gefunden wurde, und zum anderen auch die Frustration über die Schäden, die durch die vielleicht vorschnellen Warnungen der deutschen Gesundheitsbehörden verursacht wurden. Tatsächlich ist auch in Belgien der Absatz von Rohgemüse dramatisch eingebrochen. Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen bringen ein Foto des flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters, der genüsslich in eine flämische Gurke beißt. Seine Botschaft: Esst weiter Gurken, sie sind zudem besonders lecker. Peeters fordert in diesem Zusammenhang auch, dass die betroffenen Landwirte von der EU entschädigt werden sollen.
Zum Thema EHEC bringt De Morgen ein bemerkenswertes Interview mit dem renommierten Virologen Marc Van Ranst, der in der Vergangenheit als "Mister Schweinegrippe" bekannt geworden war. Der KUL-Professor versteht nach eigenen Worten die ganze Hysterie nicht. Seine Überzeugung: "Ein paar Sterbefälle verdienen nicht eine solche Aufmerksamkeit".
L'Avenir schlägt in seinem Leitartikel in dieselbe Kerbe: Die dramatischen Auswirkungen der EHEC-Epidemie stehen in keinem Verhältnis zu der bisherigen Zahl der Todesfälle. Dennoch ist die Hysterie nachvollziehbar, schließlich geht es um das, was auf unseren Tellern liegt. Hier sollte man sich aber auch mal die richtigen Fragen stellen: Sind nicht die finanziellen Interessen, die mit der Lebensmittelindustrie einhergehen, die größte Bedrohung?
Het Belang van Limburg beleuchtet seinerseits die deutsche Informationspolitik im Zusammenhang mit der EHEC-Epidemie. Allgemein wird dem Nachbarland ein schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen: Erst wurden spanische Gurken an den Pranger gestellt, jetzt sind plötzlich Sprossen die Übeltäter. Doch was hätten die Deutschen machen sollen? Hätte Deutschland geschwiegen, sich aber zugleich der Verdacht als richtig erwiesen, was möglicherweise noch mehr Todesopfer zur Folge gehabt hätte: Wie hätte man denn da reagiert? Hier gilt ganz deutlich: Wie man's macht, macht man's falsch..
Deutsche Alleingänge
Het Laatste Nieuws übt nicht nur in diesem Zusammenhang Kritik an Deutschland: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt sich von zwei Aspekten leiten: Zunächst die euroskeptische öffentliche Meinung und dann, in einem Wort, Panik. Das zeigt sich nicht nur beim Umgang mit der Lebensmittelkrise, sondern auch bei der angepeilten Energiewende. Als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima Im Alleingang will Deutschland urplötzlich bis 2022 aus der Kernenergie im Alleingang aussteigen. Für Belgien ist das keine gute Neuigkeit: Wir werden dann noch abhängiger von französischem Atomstrom. In puncto Energie gibt es nur eine Alternative: Belgien muss sein Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen.
Düstere Aussichten für Belgien und / oder Sparer
Stichwort Innenpolitik: De Standaard hat heute eine schlechte Neuigkeit: Die Haushaltssanierung wird wohl noch schmerzhafter, als ohnehin schon erwartet. Demnach müssen bis 2015 nicht 17, sondern 22 Milliarden Euro gefunden werden, um den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen. In seinem Leitartikel wirft De Standaard einen bangen Blick auf die Situation in Griechenland. Es ist deutlich: Griechenland ist virtuell bankrott. Es steht zu erwarten, dass diesmal auch die Banken in die Pflicht genommen werden, wenn es um eine Umschuldung gehen wird. So manches Geldhaus könnte dadurch gleich wieder ins Schleudern geraten. Und der kleine Sparer, der ohnehin schon kein Geld mehr für sein Geld bekam, muss tatenlos zusehen und am Ende wohl wieder die Zeche zahlen, wenn eine neue Blase platzt.
Auch heute beschäftigen sich noch viele Zeitungen mit der Polemik, die der N-VA-Politiker Vic Van Aelst ausgelöst hatte. Der hatte ja mehrmals die Frankophonen beleidigt und ihnen unter anderem Arroganz und imperialistische Tendenzen unterstellt. In der RTBF hatte der PS-Minister Paul Magnette auf die Provokationen reagiert und der N-VA dabei Rachsucht vorgeworfen, wie unter anderem De Morgen und Het Laatste Nieuws hervorheben.
Gazet van Antwerpen nimmt in seinem Kommentar dagegen Van Aelst bis zu einem gewissen Maß in Schutz. Zwar hat der N-VA-Politiker vielleicht den Bogen überspannt, doch ist nicht alles, was er sagt, aus der Luft gegriffen. Und die Reaktion der Frankophonen zeigt: Allein die Wahrheit schmerzt, meint Gazet van Antwerpen.
Einige Zeitungen kommen noch einmal zurück auf die Ausschreitungen in Gent und Antwerpen im Anschluss an einige Fußballspiele. Der Antwerpener Bürgermeister Patrick Janssens verspricht in Gazet van Antwerpen ein hartes Durchgreifen gegen diese neue Form von Stadthooliganismus.
Der Leitartikler von De Morgen ist seinerseits betrübt über die Tatsache, dass immer mehr öffentliche Veranstaltungen entgleisen. Am Ende bedarf es überall Kontrollen und Verboten. Das Resultat ist auf Dauer eine nicht mehr lebenswerte Gesellschaft.
Gegen die Wand?!
La Libre Belgique bringt heute die Meldung, wonach die SNCB einem Geheimplan zufolge bis 2015 einen von zehn Zügen streichen will. Dies aus Spargründen. Kommentierend meint das Blatt dazu: Die Staatsbahn steht mit dem Rücken zur Wand - alle Parameter sind im roten Bereich. Es bedarf einer Rosskur. Ansonsten ist die Frage erlaubt, ob das Unternehmen nicht - wie ein außer Kontrolle geratener Zug - gegen die Wand fährt.
Archivbild: Bruno Fahy (belga)