Innenpolitisch steht vor allem die gestrige Verabschiedung neuer Regeln für Familienzusammenführungen im Vordergrund. Vor allem die flämischen Zeitungen berichten ferner über den verheerenden Brand in dem Naturschutzgebiet Kalmthouter Heide nördlich von Antwerpen.
"Kriegsverbrecher Mladic nach 16 Jahren gefasst", titelt heute Het Belang van Limburg. L'Avenir spricht vom "Fall eines Henkers", De Morgen bezeichnete Ratko Mladic auf Seite 1 als den "Schlächter vom Balkan" und präsentiert ihm zugleich den Entwurf einer Anlageschrift. De Standaard Titelt lapidar: "Mladic hängt". 16 Jahre lang war Ratko Mladic der meistgesuchte Mann Europas. Ihm wird eine Reihe von Kriegsverbrechen zur Last gelegt; insbesondere ist er verantwortlich für den Tod von 8.000 muslimischen Männern im Juli 1995 in Srebrenica.
EU drängt auf Mladic-Auslieferung
Und Mladic hielt sich tatsächlich in Serbien auf, konstatiert La Libre Belgique. Er wurde in einem kleinen Dorf nördlich von Belgrad aufgegriffen. Möglicherweise wurde er von Leuten aus seinem Umfeld verraten.
Mladic lebte im Haus seines Neffen Branislaw, bemerkt De Standaard. Das mag den Verdacht erhärten, dass Serbien mitunter nicht wirklich nach dem Kriegsverbrecher gesucht hat. Der Zeitpunkt der Festnahme ist kein Zufall, glaubt denn auch De Morgen. Gerade erst waren Einzelheiten aus einem neuen Bericht des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag durchgesickert. Demnach wäre dieser Bericht für Serbien und seine Ambitionen auf eine EU-Mitgliedschaft vernichtend ausgefallen. Vor diesem Hintergrund hatten Belgien und die Niederlande ein Veto angedroht gegen die mögliche Zuerkennung des Status eines EU-Beitrittskandidaten für Serbien.
Fast allgegenwärtig ist denn auch das Foto des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, des Eupener Juristen Serge Brammertz. Brammertz, flankiert von der belgischen Diplomatie, hat unermüdlich nach Mladic gefahndet, lobt De Morgen in seinem Kommentar. Er hat letztlich dafür gesorgt, dass die Festnahme und Auslieferung des Kriegsverbrechers zur Grundbedingung für eine Aufnahme Serbiens in die EU wurde. Dass das am Ende seine Früchte getragen hat, war nicht ausgemacht. Schließlich gilt Mladic in Serbien immer noch als Volksheld. Doch offenbar bröckelt inzwischen der Rückhalt für Mladic in seiner Heimat, wie Le Soir hervorhebt. Demnach unterstützt immerhin schon ein Drittel der serbischen Bevölkerung die Verhaftung des ehemaligen Serbengenerals.
Glücklicherweise verfügt die EU inzwischen über eine große Anziehungskraft, bemerkt dazu L'Avenir in seinem Leitartikel. Für Serbien, das viel zu lange in Selbstmitleid verharrte, ergibt sich jetzt die Gelegenheit, sich seiner alten Dämonen zu entledigen und die Seite umzublättern.
Gerechtigkeit!
Doch in allererster Linie geht es um Gerechtigkeit für die Opfer des Schlächters von Srebrenica, wie ausnahmslos alle Kommentatoren hervorheben. Die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gehören gesühnt. Die Festnahme von Mladic ist zunächst eine Befreiung für die Opfer und deren Angehörige, die ihren Henker jetzt endlich vor einem Richter sehen werden, meint La Libre Belgique. Es ist auch eine Befreiung für Serbien, das sich jetzt endlich in Ehre nach Europa ausrichten kann. Und es ist auch eine Befreiung für Europa, das nun den letzten großen Prozess der Balkankriege führen kann.
Nun gibt es jedenfalls keinen Grund mehr, die Tür zur EU für Serbien verschlossen zu lassen. Im Gegenteil, glaubt De Standaard. Der serbische Präsident Tadic braucht jetzt die Unterstützung der Europäer.
Serbien gehört zu Europa, betont auch Het Laatste Nieuws. Wenn Serbien in die Europäische Union eingebettet werden kann, dann wäre das ein Garant für Frieden und Stabilität auf dem Balkan.
Aber auch für Europa selbst kann jetzt die Selbstreinigung beginnen, bemerkt Het Nieuwsblad. In den Neunzigern schaute die EU machtlos und gespalten zu, wie sich auf dem eigenen Kontinent ein blutiger Bürgerkrieg abspielte. Dieser Fehler ist nicht mehr gutzumachen. Immerhin könne jetzt die Täter von damals bestraft werden.
Auch Het Belang van Limburg erinnert an das Versagen der Europäer und stellt sich zugleich die Frage, ob wir unsere Lehren daraus gezogen haben: Würde Europa heute in einem vergleichbaren Konflikt besser, geschlossener oder geeinter auftreten? Fragezeichen.
Brand in Kalmthout
Vor allem in Flandern beschäftigen sich die Zeitungen weiter mit dem verheerenden Brand in dem Naturschutzgebiet Kalmthouter Heide nördlich von Antwerpen. "Übrig bleiben wird eine desolate Mondlandschaft" zitiert etwa Gazet van Antwerpen einen Anwohner.
Neue Regeln für Familienzusammenführungen
Weiteres großes Thema ist die gestrige Entscheidung der Kammer, wonach Regeln für Familienzusammenführungen verschärft werden sollen. "Eine neue Mehrheit hat sich durchgesetzt" konstatiert dazu Le Soir. Verabschiedet wurde das Gesetz nämlich bei Enthaltung von PS und cdH, die ja eigentlich Teil der geschäftsführenden Regierung sind. Grob zusammengefasst sollen Familienzusammenführungen jetzt nur unter strengeren Auflagen möglich sein.
Im Fokus sind hier vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Angehörigen nach Belgien holen wollen. Laut dem Geist des Gesetzes soll dafür gesorgt werden, dass die Menschen, die über diesen Weg einwandern, nicht gleich in den Genuss einer staatlichen Unterstützung kommen müssen. Für die flämischen Analysten ist das prinzipiell eine gute Sache: Schon seit 30 Jahren fordert Flandern eine strengere Einwanderungspolitik, bemerkt etwa De Standaard. Doch ist sich das Blatt auch über die Fallstricke im Klaren. De facto ist es so, dass für Belgier jetzt strengere Auflagen gelten als für EU-Ausländer. Diese Diskriminierung wurde bereits vom Staatsrat gerügt.
La Dernière Heure übt denn auch harsche Kritik am Vorgehen insbesondere der MR, die als einzige frankophone Partei für das Gesetz gestimmt hat. Klar: das Thema Familienzusammenführungen gehört angepackt. Schließlich ist das inzwischen der Königsweg für die Einwanderung nach Belgien. Der Staat kann nicht endlos für Menschen bezahlen, die am Arbeitsmarkt keine Chance haben. Dafür muss man aber immer noch nicht in Populismus verfallen und dabei zudem Gefahr laufen, dass das Gesetz gekippt wird.