Nahezu allgegenwärtig ist auch heute Dominique Strauss-Kahn, der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds. Viele Zeitungen machen aber mit einem gesellschaftlichen Thema auf: Die Zahl der Ehescheidungen hat drastisch zugenommen. Weitere Themen sind die innenpolitische Krise und die damit verbundenen Sorgen der Bürger, die umstrittenen Aussagen des Filmemachers Lars von Trier und ein spektakulärer Börsengang.
"DSK wird auf Kaution freigelassen" titelt heute Le Soir. "Freigelassen aber angeklagt", präzisiert La Libre Belgique. Das Foto des ehemaligen IWF-Chefs ist auf den Titelseiten nahezu allgegenwärtig.
Dass das zuständige New-Yorker Gericht nun doch die Freilassung von DSK beschlossen hat ist eine Überraschung, meint L'Avenir. Immerhin wird in sieben Anklagepunkten gegen den Franzosen ermittelt, darunter versuchte Vergewaltigung und Freiheitsberaubung. Die amerikanische Justiz hatte offensichtlich Angst vor einem neuen Fall Polanski. Der Filmemacher hatte sich, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben worden waren, ins Ausland abgesetzt. Bei DSK will man also auf "Nummer sicher" gehen, notiert unter anderem De Morgen. Er bezahlt eine Kaution von 1.000.000 Dollar, bekommt nach seiner Freilassung eine elektronische Fußfessel und wird rund um die Uhr beobachtet.
Ein "neuer Strauss-Kahn"
In der Zwischenzeit ist die Schlacht um seine Nachfolge an der Spitze des IWF eröffnet. Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Die sogenannten Schwellenländer müssen sich keine Illusionen machen. Zwar ist der Anspruch von Ländern wie China, Indien oder Brasilien auf internationale Spitzenposten legitim. Die Europäer von der Spitze des IWF zu verdrängen ist dennoch zumindest zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass vor allem die Fähigkeiten bei der Kandidatenkür in der Waagschale liegen.
Man ist auf der Suche nach einem neuen Strauss-Kahn, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Nach all den Krisen der letzten Jahre kann man im Nachhinein froh sein, dass ein Europäer beim IWF das Sagen hatte. Ein Mann, der bei allen Sparzwängen seine soziale Ader nie verloren hat. An seinen Verdiensten ändern auch die Vergewaltigungsvorwürfe nichts, wobei natürlich klar ist, dass die Justiz ihre Arbeit machen muss.
Bis das der Richter euch scheidet
Viele Zeitungen machen heute mit einem Gesellschaftsphänomen auf: "Zwei von drei Ehen werden geschieden", titeln heute fast gleichlautend Het Laatste Nieuws, Het Nieuwsblad, L'Avenir und das Grenz-Echo. Von 1000 Ehen, die im Jahre 2009 geschlossen wurde, werden wohl 645 vor der Goldhochzeit scheitern. Damit bestätigt sich ein Trend, der seit Jahrzehnten zu beobachten ist.
Die Scheidung ist zur Norm geworden, konstatiert in diesem Zusammenhang Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Die Ursachen zu hinterfragen ist müßig. Wichtig ist nur, wie man damit umgeht. Ehescheidung ist für alle Beteiligten, nicht zu vergessen die Kinder, ein Drama. Und man darf nicht vergessen: Wenn auch viele Menschen sich scheiden lassen, dann gibt es wohl ebenso viele, die versuchen, zu jenem Drittel zu gehören, deren Beziehungen halten.
Krise lässt die Belgier nicht kalt
Doch ist das nicht die einzige Sorge der Belgier. Nach einer Erhebung, die in zahlreichen Zeitungen nachzulesen ist, lässt die innenpolitische Krise die Belgier alles andere als kalt. 57 Prozent der Belgier gaben an, dass ihre große Sorge die politische Lage des Landes ist. Weit abgeschlagen folgen Themen wie Kaufkraft, Arbeitslosigkeit oder Kriminalität.
Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert, notiert dazu Gazet van Antwerpen. Die große Sorge vieler Belgier über die innenpolitische Lage erklärt sich wohl auch durch einen Glaubwürdigkeitsverlust der politischen Klasse insgesamt. Dass die Krise die Belgier doch nicht kalt lässt, ist aber prinzipiell keine schlechte Neuigkeit: Politik ist viel zu wichtig, um sie allein Politikern zu überlassen.
Apropos Krise: PS-Chef Elio Di Rupo ist gestern erstmals seit seiner Benennung zum Regierungsbildner mit dem N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever zusammengekommen. Beide haben sich nach Informationen von Le Soir auf Arbeitsmethode und Zeitplan einigen können. Das ist ja schon mal ein Anfang, meint das Blatt.
Het Laatste Nieuws ist seinerseits eher skeptisch. Neben der Staatsreform soll ja jetzt auch über das sozialwirtschaftliche Programm einer künftigen Regierung verhandelt werden. Doch besteht die Gefahr, dass sich hier dieselben abgrundtiefen Meinungsverschiedenheiten zeigen werden, wie in den institutionellen Fragen. Bis zum Beweis des Gegenteils darf man davon ausgehen, dass die politische Strategiespielchen weiter gehen werden; es ändert sich nur das Thema.
Dotcom = Lottogewinn?
De Morgen und L'Echo beschäftigen sich heute mit einem spektakulären Börsengang. Der Wert des sozialen Netzwerks LinkedIn hat sich innerhalb von wenigen Stunden an der New-Yorker Börse verdreifacht. Irrational, nennt L'Echo diesen Börsenstart. Für De Morgen weckt das Erinnerungen an den dotcom-Hype der 90er Jahre - bis die Internetblase dann um das Jahr 2000 platzte.
"Wehret den Anfängen"
Einige Blätter beschäftigen sich mit dem Skandal um den dänischen Filmemacher Lars von Trier. Der hatte bei einer Pressekonferenz in Cannes - grob zusammengefasst - Sympathien mit Hitler bekundet und sich selbst als Nazi bezeichnet. Für Het Laatste Nieuws und L'Avenir bettet sich das in einem allgemeinen Kontext ein: Nazi-Symbolik und provozierende Aussagen, gar das Kokettieren mit Hitler sind immer häufiger zu beobachten, stellt Het Laatste Nieuws fest.
L'Avenir warnt in seinem Leitartikel vor Banalisierung. Ob es sich da im Zusammenhang mit Lars von Trier um einen schlechten Scherz oder den Versuch einer medienwirksamen Provokation gehandelt hat, spielt keine Rolle. Im Übrigen hat man in Belgien bei der derzeitigen Amnestie-Diskussion einen ähnlichen Eindruck, nämlich den, dass mit der Zeit die Tabus fallen, dass die Erinnerung an die Nazi-Gräuel und die Shoah vernebelt wird. Die Schutzwälle, die man gegen die Braune Pest errichtet hat, sind zerbrechlich. Und angesichts der jüngsten Entwicklungen bedarf es eines Weckrufes. Nach dem Motto: Wehret den Anfängen!
Bild: Richard Drew (epa)