"Immense Trauer" titelt heute Gazet van Antwerpen. Die großen populären flämischen Zeitungen berichten heute auf zahlreichen Sonderseiten über die Trauerfeier für den Radprofi Wouter Weylandt. Der 26-Jährige war in der vergangenen Woche beim Giro d'Italia tödlich gestürzt. In Gent nahmen gestern 5000 Trauergäste Abschied von Wouter Weylandt. Nahezu allgegenwärtig: Das Bild der trauernden Lebensgefährtin, die ein Kind von Wouter Weylandt erwartet.
Di Rupo: Regierungsbildner oder doch nur "informateur"?
Fast alle Zeitungen beschäftigen sich heute einmal mehr mit der innenpolitischen Lage: Nachdem der König am Montag PS-Chef Elio Di Rupo zum Regierungsbildner ernannt hat, reagierte N-VA-Chef Bart De Wever gestern zynisch bis zurückhaltend. Er sei pessimistisch, zitiert ihn etwa Het Belang von Limburg.
Das Grenz-Echo hatte gestern Gelegenheit zu einem Interview mit De Wever. Darin bekräftigt er seine Kritik an der Vorgehensweise: Zuerst müssten die Parteien ausgewählt werden, die die neue Koalition bilden sollen. Di Rupo tritt also derzeit eher wie ein "informateur" auf. Das Land brauche aber schnell eine neue Regierung, wobei er aber kein Ultimatum stelle. Auch in L'Avenir beklagt de Wever, dass dem Zug eine Lokomotive fehle.
"Will di Rupo wirklich Premier werden?", fragt sich denn auch Het Laatste Nieuws. Er selbst macht einen weiten Bogen um die Frage. Tatsächlich gibt es einige Argumente, die dagegen sprechen, dass Di Rupo in die Rue de la Loi Nr. 16 einzieht. Da wären in erster Linie seine dürftigen Niederländisch-Kenntnisse. Dass das ihn nicht wirklich für den Posten des Premiers qualifiziert, darüber ist sich auch Di Rupo im Klaren.
Het Nieuwsblad zeigt sich in seinem Leitartikel dennoch verwundert darüber, dass sich Di Rupo nicht klar als Regierungsbildner positioniert. Wenn Di Rupo argumentiert, dass es derzeit nicht um Pöstchen geht, dann ist das Unsinn. Man kann es nennen wie man will, aber es bedarf jetzt jemanden, der das Heft in die Hand nimmt, der zeigt, wo es lang gehen soll. Wenn Di Rupo sich nicht als Kandidat für den Posten des Regierungschefs sieht, dann sät er Zweifel an seinem Engagement.
Gazet van Antwerpen kann nur feststellen, dass PS und N-VA ihren Psycho-Krieg fortsetzen. Der offen zur Schau gestellte Pessimismus von Bart de Wever zeigt, wie groß das Misstrauen ist. Eins muss klar sein: wenn Di Rupo jetzt über die sozial-wirtschaftlichen Herausforderungen sprechen will, dann ist das natürlich nicht falsch. Man muss aber nicht glauben, dass die gemeinschaftspolitischen Probleme damit wie von Geisterhand verschwunden wären.
DSK - Zwischen Klassenjustiz und Macho-Gehabe
Viele Zeitungen befassen sich auch heute mit dem Schicksal des inzwischen zurückgetretenen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn.
"Wer ist das Opfer von DSK?" fragt sich L'Avenir auf seiner Titelseite. Das Blatt bringt das Foto einer jungen Frau: Hierbei soll es sich um jene Hotelangestellte handeln, die Strauss-Kahn der versuchten Vergewaltigung beschuldigt.
Für Dominique Strauss-Kahn sieht es nicht gut aus, glaubt das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws. Doch gilt bis auf weiteres die Unschuldvermutung. Da kann man durchaus Kritik üben an der Art und Weise, wie die US-Justiz den Mann vorgeführt hat. Klar: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Nur entsteht hier der Eindruck einer umgekehrten Klassen-Justiz nach dem Motto: Ein wichtiger Mann wird demonstrativ umso härter angepackt.
De Morgen diagnostiziert in diesem Zusammenhang im großen Teil der französischen Presse Macho-Gehabe. Über den Fall Dominique Strauss-Kahn kursieren die tollsten Gerüchte, die im Wesentlichen alle darauf hinauslaufen, dass Strauss-Kahn eine Falle gestellt wurde. Doch kann man den Fall nicht auch anders erklären, um es bei Namen zu nennen: Dicker, reicher Mann steht auf attraktive junge Frauen? Warum verschwendet man nicht einen Gedanken an die zahllosen Opfer, an missbrauchte oder genötigte Frauen?
Dass Dominique Strauss-Kahn ein Schürzenjäger war, ist hinlänglich bekannt, bemerkt L'Avenir. Dies galt aber nur für einen erlaubten Kreis von Journalisten. Und in Belgien ist der Respekt des Privatlebens insbesondere von Politikern noch ausgeprägter. Hier handelt es sich aber um einen zunehmend schmalen Grat: Wo hört der Respekt des Privatlebens auf und wo beginnt Gefälligkeit?
Amnestie-Diskussion: unpassend oder verjährt?
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit der Amnestie-Diskussion. Der Senat hätte sich nie dazu entschließen dürfen, die Debatte zu eröffnen, ist Le Soir überzeugt. Dies in erster Linie deshalb, weil der entsprechende Vorschlag vom rechtsextremen Vlaams Belang stammt. Hinzu kommt: Gerade zum jetzigen Zeitpunkt gießt eine Amnestie-Diskussion zusätzlich Öl ins gemeinschaftspolitische Feuer. Die Politik hätte die Akte ruhen lassen sollen.
Het Belang von Limburg sieht das ähnlich. Zwar sollte jetzt endlich eine nüchterne Debatte über die Amnestie-Frage möglich sein, doch macht die entsprechende Weigerung der Frankophonen aus dem Ganzen gleich wieder ein gemeinschaftpolitisches Problem. Doch muss man ehrlich sein: Fast 70 Jahre nach dem Ende des Krieges sollte man jedoch eigentlich der Zeit die Arbeit überlassen.
Stresstest-Sorgen um die ältesten Reaktoren
De Standaard und Le Soir schließlich beschäftigen sich heute mit den geplanten Stresstests für Atomkraftwerke. Offenbar will die föderale Agentur für Nuklearkontrolle auch die Frage beantworten lassen, ob und wie die Atomkraftwerke einem Flugzeugabsturz widerstehen würden.
De Standaard sieht hier ein Problem für Doel 1 und Doel 2. Le Soir hat ernste Zweifel in Bezug auf Tihange 1. Fällt einer dieser drei ältester, belgischer Meiler durch, dann muss er notfalls vom Netz genommen werden.
Archivbild: epa