Die Titelseiten der Inlandspresse weisen heute eine sehr breit gefächerte Thematik auf. Nach einem roten Faden sucht man da vergeblich. Lediglich die Kommentare konzentrieren sich einmal mehr fast ausschließlich auf ein einziges Thema, nämlich die Bemühungen um einen Ausweg aus der innenpolitischen Krise.
La Dernière Heure spricht auf ihrer Titelseite vom "Schock des Jahres" und meint damit den Fußballklassiker zwischen Standard und Anderlecht, der heute Abend in Lüttich über die Bühne geht und für den Meistertitel von entscheidender Bedeutung sein könnte.
Le Soir lässt die Eltern Russo, das heißt eines der Dutroux-Opfer, zu Wort kommen. Obwohl sie gegen die verfrühte Freilassung von Michelle Martin sind, sprechen sie sich gegen ein Gesetz aus, durch das Strafen für bestimmte Vergehen nicht mehr verkürzt werden könnten. Ihres Erachtens wäre es falsch, im Fahrwasser der Aktualität darüber zu diskutieren und möglicherweise eine überstürzte Entscheidung zu treffen.
An anderer Stelle kommentiert Le Soir den Unmut der belgischen Eisenbahner, die gestern den Bahnhof von Namür lahmlegten und damit abermals für empfindliche Störungen im Schienenverkehr sorgten. Kommentierend heißt es dazu, die Gewerkschaften der SNCB befürchten drastische Sparmaßnahmen, durch die zahlreiche kleinere Bahnhöfe oder Haltestellen kurzerhand geschlossen werden könnten. In der Tat stellt die Eisenbahndirektion in jüngster Zeit eine ganze Reihe ihrer Dienstleistungen in Frage, so dass die Nervosität bei den Beschäftigten des Unternehmens durchaus verständlich ist.
Finanzierungsgesetz: Welten zwischen Frankophonen und Flamen
Zum Thema Staatsreform und Regierungsbildung äußern sich die meisten Kommentartoren ausgesprochen pessimistisch. Het Laatste Nieuws befürchtet, dass eine neue Regierung noch sehr lange auf sich warten lassen könnte. Unter dem Titel "Ein großes Pokerspiel" heißt es dazu erläuternd, falls bis zu den Parlamentsferien in etwa zehn Wochen zwischen De Wever und Di Rupo keine Einigung zustande kommt, können wir es bis zu den Gemeinderatswahlen vom Oktober kommenden Jahres vergessen. Mit dem Heranrücken dieses Urnengangs wird nämlich keine Partei mehr zu nennenswerten Zugeständnissen bereit sein. Die wichtigste Hürde ist derzeit das Finanzierungsgesetz, so meint die Zeitung zu wissen. Bezüglich der Steuerautonomie der Teilstaaten und ihrer finanziellen Eigenverantwortung liegen Welten zwischen den Frankophonen und den Flamen.
Das Grenz-Echo fragt sich, ob PS-Chef Di Rupo wirklich bereit ist, als Regierungsbildner in den Ring zu steigen. Diesbezüglich zitiert es De Wever mit dem Ausspruch, falls Di Rupo sich weigere, könne er selbst diese Aufgabe übernehmen, notfalls auch als Kandidat für den Posten des Regierungschefs. Irgendjemand muss ja schließlich die Lokomotive sein.
De Morgen notiert im gleichen Kontext: Dass Di Rupo sich bereit erklärte, einen königlichen Auftrag anzunehmen, klingt irgendwie lächerlich. Diese Bereitschaft sollte man als gegeben voraussetzen, nachdem er und De Wever vom Wähler den Auftrag bekommen haben, eine Regierung auf die Beine zu bringen. Fast elf Monate nach diesem Auftrag entziehen die beiden sich jedoch nach wie vor dieser Verantwortung und verstecken sich hinter großen Prinzipien. Dabei ist es eigentlich ihre verdammte Pflicht, endlich für einen vernünftigen Kompromiss zu sorgen. Dass dieser bisher nicht erzielt wurde, liegt nach Ansicht der Zeitung an dem grenzenlosen Egoismus der verhandelnden Parteien, die ihre wahltaktischen Interessen höher einstufen als das Allgemeinwohl.
De Standaard ist sich sicher, dass Di Rupo und die frankophonen Sozialisten eine systematische Reform des Finanzierungsgesetzes, die ihres Erachtens Brüssel und die Wallonie im Sinne der finanziellen Eigenvernatwortung zur Kasse bitten wird, auch weiterhin ablehnen werden. Für sie ist die Geldfrage wichtiger als der Fortbestand des Landes. Nach wie vor hofft Di Rupo, dass die flämischen Christdemokraten letztlich doch noch die N-VA fallen lassen werden, doch in dieser Hinsicht täuscht er sich. Die CD&V hat ihre schlimmste Wahlniederlage, nachdem sie letztes Jahr mit der N-VA gebrochen hatte, noch lange nicht vergessen.
Het Nieuwsblad zufolge brauchen wir keinen weiteren königlichen Vermittler, um die Verhandlungen aufs erfolgreiche Gleis zu bringen, sondern einen Therapeuten für Di Rupo und De Wever. Einen, der ihnen klar macht, dass sie vielleicht beide recht haben mögen, aber dass, solange sie darauf beharren, eine neue Regierung unmöglich ist.
La Libre Belgique hält es nicht mehr für ausgeschlossen, dass die geschäftsführende Regierung mangels Einigung über eine neue Koalition einfach weitermacht bis zu den nächsten Parlamentswahlen im Juni 2014.