"Freilassung wegen guter Führung", mit dieser Balkenüberschrift macht Le Soir auf und schreibt, dass Michelle Martin heute nach 14 Jahren, 8 Monaten und 27 Tagen der Inhaftierung möglicherweise auf freien Fuß kommt, wenn die Staatsanwaltschaft gegen diesen Beschluss nicht beim Kassationsgericht in Berufung geht und die Freilassung so stoppt.
Im Leitartikel heißt es bei Le Soir hierzu, dass die mögliche Freilassung im Grunde unumgänglich, gleichzeitig aber auch himmelschreiend sei. Unumgänglich, weil Martin nach ihrer Verurteilung zu 30 Jahren Freiheitsentzug seit fünf Jahren schon für eine vorzeitige Haftentlassung in Frage kam. Die Freilassung sorge aber auch für Empörung, weil Michelle Martin bis zum Ende das Geheimnis zu ihrer Rolle als Frau an der Seite des Kinderschänders Dutroux gewahrt hat. Es wäre an der Zeit, so der Leitartikler, dass Martin jetzt die ganze Wahrheit zu dieser Schreckenszeit beichte.
"Skandalös, beschämend, schockierend, inakzeptabel", mit diesen Vokabeln macht La Dernière Heure heute auf. So unvorstellbar die Freilassung von Michelle Martin auch sei, sie sei wahrscheinlich. Es laufe einem kalt den Rücken runter, meint der Leitartikler in der Dernière Heure. Für die Eltern der Opfer müsse die mögliche vorzeitige Entlassung wie ein Alptraum wirken.
Auch La Libre Belgique hat Michelle Martin auf der Titelseite und berichtet ausführlich über die mögliche Freilassung. Im Leitartikel heißt es, dass es kaum vorstellbar sei, dass eine Lehrerin und Mutter ohne Hilfe zu leisten Kinder sterben ließ, die das Opfer der perversen Kapriolen ihres Ehemannes wurden. Auch wenn die öffentliche Meinung empört reagiert, sei die vorzeitige Freilassung eine logische Folge der Anwendung bestehender Gesetzte. Würde man diese Freilassung auf Bewährung nicht vorsehen, würde jegliche Hoffnung auf eine moderne Gesellschaft, die selbst den schlimmsten Kriminellen eine Chance gibt, verschwinden. Eine solche Hoffnung zu nehmen wäre keine adäquate Antwort, meint der Leitartikler der Libre Belgique.
Martin nach Haftentlassung in französisches Kloster?
L'Avenir hat Michelle Martin ebenfalls auf Seite eins und fragt sich, ob die 51-Jährige nach knapp 15 Jahren Haft möglicherweise in einem Kloster nach Frankreich geht.
De Standaard glaubt hierauf die Antwort zu wissen und schreibt, dass Martin, wenn sie das Gefängnis verlassen darf, tatsächlich bei französischen Nonnen aufgenommen werden könnte, um hinter Klostermauern ihr Leben fortzusetzen. Die Freilassung Martins, so titelt De Standaard, reiße jedenfalls Wunden auf, dennoch sei die Entlassung der Ex-Frau von Marc Dutroux im Grunde das, was unsere Gesetze vorsehen. Die Chance, dass man noch einen juristischen Grund findet, um die Haftentlassung über einen Einspruch beim Kassationsgericht zu verhindern sei klein, meint der Leitartikler der flämischen Tageszeitung und verweist darauf, dass in unserem System die Gefängnisstrafe nicht als Rache diene.
Dennoch, so meint Het Belang van Limburg, seien die Eltern der Opfer von Marc Dutroux wütend über die möglicherweise bevorstehende Freilassung von Michelle Martin.
Giro fordert Todesopfer
Ebenfalls auf vielen Titelseiten heute der tödliche Unfall des Genter Radprofis Wouter Weylandt. Der 26-Jährige starb nach einem Sturz beim Radrennen Giro d'Italia. "Ein fatales Rennen", wie Het Belang van Limburg meint. Die Radsportwelt trauere, titelt Gazet van Antwerpen und schreibt, dass der werdende Vater nach dem Sturz während der dritten Giro-Etappe wohl auf der Stelle tot war.
De Morgen geht derweil kritisch mit dem Radrennen Giro d'Italia ins Gericht. Es sei eine Radrundfahrt, bei der das Spektakel vor der Sicherheit rangiere. Schon 2009 hätten sich Fachleute dahingehend geäußert, dass die Strecke nicht für Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h gemacht sei.
Die tragische Seite des Radsports
Het Laatste Nieuws macht mit der Balkenüberschrift "Sein Leben musste noch beginnen" auf und schreibt, dass der Radprofi wohl mit einem Pedal eine Mauer am Wegesrande gestreift hatte und hierdurch stürzte. Die im sechsten Monat schwangere Lebensgefährtin von Wouter Weylandt, so informiert Belgiens auflagenstärkste Zeitung, sei nach der schrecklichen Nachricht vom Tode ihres Freunds sofort nach Italien aufgebrochen.
"Auf der Stelle tot", mit dieser Schlagzeile berichtet auch Het Nieuwsblad auf acht Seiten über den tragischen Tod von Wouter Weylandt. Im Leitartikel heißt es hierzu, der Radsport könne unwahrscheinlich schön sein. Der gleiche Radsport könne aber auch unermesslich tragisch sein. Ein junges belgisches Talent sei tot. Man habe einen Knoten im Hals, wenn man an den schrecklichen Unfall von gestern denke, schreibt der Leitartikler in Het Nieuwsblad, dessen Kommentar zum Nachruf auf den Radprofi wird.
Mehr als eine Milliarde Geld 2010 gewaschen
Die einzige Zeitung, die weder Michelle Martin noch Wouter Weylandt auf der Titelseite hat, ist das Wirtschaftsblatt L'Echo. Hier gilt die Aufmacherschlagzeile dem 2010 aufgespürten Finanzvolumen aus der Geldwäsche. Über eine Milliarde Euro sei es 2010 gewesen, schreibt L'Echo.
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