Das absehbare Ende der Ära Charles Picqué in Brüssel, Erleichterung durch das Abwenden einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit Belgiens sowie die innenpolitische Lage sorgen heute für Aufmacher- und Kommentarthemen in der belgischen Inlandspresse.
"Picqué geht, doch wer folgt ihm nach?" Mit dieser Balkenüberschrift macht La Libre Belgique heute auf und stellt fest, dass es mit Laurette Onkelinx oder Philippe Close in den Reihen der PS mehrere mögliche Nachfolger für den noch amtierenden Ministerpräsidenten der Region Brüssel gibt, der am Wochenende ankündigte nicht erneut zu kandidieren und möglicherweise sein Amt sogar vor den nächsten Regionalwahlen 2014 aufgeben zu wollen.
Im Leitartikel geht La Libre heute auf die Reaktionen ein, die das Buch "Ein König ohne Land" ausgelöst hat. Der Leitartikler schreibt zum Inhalt des Buchs, dass es nur normal sei, dass das Staatsoberhaupt gegen Neuwahlen sei. Wer das Buch gelesen habe, wisse dass die Autoren die bemerkenswerte Arbeit des Königs nicht in Frage stellen und dass deshalb nicht die Monarchie in einer Krise stecke, sondern die Politik.
Erleichterung
Aufmacherthema in Le Soir heute: die Entschärfung der Finanzbombe durch die Ankündigung des scheidenden Premierministers, dass die Rating-Agentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Belgiens nicht zurückstufen werde. Dies bedeute für die Finanzmärkte ein klares Signal, so schreibt die Brüsseler Tageszeitung: dass Belgien sehr wohl in der Lage ist, seine Schulden zurück zu zahlen. Dennoch warnt der Leitartikler in Le Soir vor allzu großer Euphorie, denn die Staatsschuld liege immer noch bei fast 100% des Bruttoinlandsproduktes. Im Vergleich zu Nachbarländern habe Belgien auch noch keine dringend nötige Rentenreform auf dem Wege gebracht, um die Finanzierung der Pensionen auch zukünftig abzusichern.
De Morgen macht mit dem Ansturm auf Photovoltaik-Anlagen auf und titelt auf Seite 1 zum Chaos auf dem Markt für solche Solaranlagen. Da staatliche Beihilfen bei Investitionen in Photovoltaik-Anlagen ab Juli sinken dürften, würden viele jetzt noch versuchen vor dem Stichtag 1. Juli in Solarstromanlagen für den heimischen Gebrauch zu investieren. Dieser Boom sorge dafür, dass unter den Anbietern auch einige schwarze Schafe ohne die nötige Ausbildung und Sachkenntnis Photovoltaik-Anlagen anbieten und installieren und damit mächtig Geld verdienen würden.
Justizminister sauer - Fahrlässigkeit
Aufmacher- und Kommentarthema in De Standaard ist heute der Unmut des scheidenden Justizministers De Clerck über Einspruchsverfahren von Bürgern, die öffentliche Arbeiten lahm legen. Jüngstes Beispiel sei die Straßenbahnverbindung von Deurne nach Wijnegem. De Clerck plädiere deshalb dafür, dass einige Vorgänge von Einspruchsverfahren ausgenommen werden. Im Leitartikel heißt es, dass auch die Politik schuld am derzeitigen Zustand sei, über den sie sich beklagt, denn die Gesetze, auf die sich klagende Bürger berufen, wären schließlich von Politikern gemacht worden.
Auch Het Laatste Nieuws geht im Leitartikel auf das Einspruchsverfahren ein, mit dem Bürger bei Antwerpen den Weiterbau einer Tramverbindung verhindern. Einige wenige, so der Kommentator, würden hier gegen das Allgemeinwohl ihren Willen gerichtlich durchsetzen, was Fragen aufwerfen müsse. In der Internet-Gesellschaft reiche es inzwischen, dass Bewohner eines Viertels aktiv werden, um eine lokale Angelegenheit auf die nationale Ebene zu heben. Die Kläger gegen den Straßenbahnbau hätten zwar jetzt ihren Willen bekommen, freuen werde das diejenigen, die mit der Baustelle vor ihrer Tür jetzt länger leben müssen, aber nicht, so der Leitartikler in Het Laatste Nieuws.
Het Laatste Nieuws und Het Belang van Limburg machen heute derweil auf Seite 1 beide mit neuen Wald- und Heidebränden auf. In Limburg habe ein Autofahrer, dessen Wagen in Brand geraten war, ein Feuer ausgelöst, dem schließlich 500 Hektar Heidelandschaft zu Opfer fielen, heißt es.
Welche Zukunft für die Monarchie?
Im Kommentar von Het Belang van Limburg geht es derweil um die Frage, ob die Monarchie hierzulande nicht auf eine rein protokollarische Ebene herabgestuft werden solle. Würde der König bei Verhandlungen wie bei der derzeitigen keine Rolle spielen, dann könnten Spitzenpolitiker sich auch nicht hinter ihm verstecken und würde alles wohl etwas schneller gehen, argumentiert der Leitartikler. Reduzieren würde dies die Probleme aber vermutlich nicht.
Gazet van Antwerpen ist im Leitartikel der Meinung, dass man vom König viel verlangen könne - aber nicht, dass er mit einer Partei sympathisiert, die nach einer unabhängigen Republik Flandern strebt. Andererseits dürfe das Staatsoberhaupt seine Antipathie öffentlich nicht zu erkennen geben. Der König müsse über den Parteien stehen. Deshalb glaubt der Leitartikler der Antwerpener Tageszeitung, dass es besser wäre, dass ein gewählter Politiker Koalitionsverhandlungen anführe. Egal, ob dies der Vorsitzende der größten Partei sei, wie die N-VA es vorschlage, oder es die Präsidenten von Kammer oder Senat wären. Hauptsache es käme ein gewählter Politiker zum Zuge.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)