Le Soir unterstreicht in einer Balkenüberschrift auf Seite 1 das fast unerträgliche Schweigen der Kirche zu den sexuellen Vergehen von Bischof Vangheluwe. Bekanntlich hatte dessen Fernsehen-Interview vom vergangenen Donnerstag die Empörung in der Bevölkerung nur noch größer gemacht, doch will Erzbischof Léonard die Äußerungen des abtrünnigen Bischofs erst am kommenden Ostersonntag kommentieren. Die Politiker verlieren derweil die Geduld, so glaubt die Zeitung zu wissen, und verweist diesbezüglich auf verschiedene Reaktionen von Politikern, die dafür eintreten, dass die Kirche die Opfer von pädophilen Priestern anerkennt und entschädigt.
Het Laatste Nieuws notiert im gleichen Zusammenhang: Je höher ein Geistlicher, der sich verfehlt hat, in der kirchlichen Hierarchie steht, umso zögerlicher reagiert die Kirche. Dies beweist einmal mehr Erzbischof Léonard, der sich frühestens zu Ostern zum Fall Vangheluwe äußern will. Man hat den Eindruck, als habe er sich für die Strategie des Totschweigens entschieden. Weiter heißt es, zu Recht erwartet die Öffentlichkeit, dass die Kirche gegenüber den sexuellen Opfern Reue zeigt und um Vergebung bietet, aber auch Bischof Vangheluwe von all seinen Funktionen entbindet. Weiter meint die Zeitung, das Beichtgeheimnis aufzuheben, so wie es jetzt verschiedene Politiker fordern, macht keinen Sinn. Denn wer würde pädophile Vergehen noch beichten, wenn er weiß, dass der Beichtvater damit zur Polizei läuft.
Imageschaden vermeiden
De Morgen weist darauf hin, dass der Antwerpener Bischof Bonny in einem Interview eine kurz bevorstehende Reaktion des Vatikans ankündigte, die durchaus strengere Maßnahmen gegen Vangheluwe beinhalten könnte als bisher. Dazu heißt es kommentierend, aus diesem Verhalten Roms könne man nur das Folgende schlussfolgern: Die Strafe für Vangheluwe gilt nicht so sehr dem sexuellen Missbrauch von Kindern, sondern seinem Aufsehen erregenden Interview vom vergangenen Donnerstag, durch das er der Kirche einen überaus schweren Image-Schaden zufügte. Daher die zynische Schlussfolgerung der Zeitung: Einen Kindesmissbrauch kann der Vatikan noch entschuldigen, aber nicht dass jemand seinem Ansehen schadet.
Het Nieuwsblad will erfahren haben, dass der Bischof die sexuellen Vergehen an seinen beiden Neffen nicht spontan zugab, sondern erst, als er keinen anderen Ausweg mehr sah. Eines der beiden Kinder hatte nämlich dem Gericht eine Bandaufnahme ausgehändigt, auf der Vangheluwe den Missbrauch eingestand. Da blieb ihm anders nicht mehr übrig, als die Taten auch vor Gericht zuzugeben.
Der Graben ist abgrundtief
Das zweite Schwerpunktthema der Inlandspresse ist die innenpolitische Situation im Zusammenhang mit den bislang vergeblichen Bemühungen in Sachen Regierungsneubildung. Diesbezüglich heißt es in La Libre Belgique: In einer Woche wird der Fall der Regierung Leterme bereits ein Jahr her sein. Seither befindet sich das Land in einer politischen Sackgasse. Der Graben zwischen Frankophonen und Flamen ist immer noch abgrundtief. Es gibt nicht den geringsten Konsens, weder über die Übertragung neuer Kompetenzen an die Teilstaaten, noch über die Finanzierung oder die finanzielle Verantwortung von Regionen und Gemeinschaften. Allerdings will die Zeitung festgestellt haben, dass die größte flämische Partei, die N-VA, sich in Flandern zunehmend isoliert. Folglich hält die Zeitung es für durchaus denkbar, dass eine neue Regierung ohne die flämischen Nationalisten von Bart de Wever gebildet werden könnte. Dies setzt allerdings voraus, dass auch die CD&V sich bereit erklärt, einer Koalition mit den Sozialisten und Liberalen beizutreten.
De Standaard stellt fest, dass eine Einigung zwischen den Wahlsiegern Di Rupo und De Wever offenbar nicht möglich ist. Daher plädiert die Zeitung dafür, dass die flämischen Parteien erst einmal unter sich ausmachen, welche Staatsreform sie wünschen. Ihre Forderungen brauchen dafür nicht weniger ehrgeizig zu sein als bisher, so findet die Zeitung.
N-VA sollte den Stecker rausziehen
Gazet van Antwerpen notiert zum gleichen Thema, eine Staatsreform, so wie die Frankophonen sie vorschlagen, würde dem Land nicht weiterhelfen. Ihr fehlt vor allen Dingen die finanzielle Eigenverantwortung der Teilstaaten. Daher rät die Zeitung der N-VA und ihrem Präsidenten De Wever, den Stecker aus den Verhandlungen zu ziehen und abzuwarten, was dann passiert. Schlimmer als zurzeit, so urteilt die Zeitung, kann es nicht mehr werden.
Archivbild: Dirk Waem (belga)