"Es war nur ein Spielchen" mit dieser Balkenüberschrift macht Het Nieuwsblad heute auf und berichtet ausführlich über das im Fernsehen ausgestrahlte Geständnis des ehemaligen Bischofs von Brügge, Roger Vangheluwe.
Ja, er habe auch noch einen weiteren Neffen sexuell missbraucht, das aber habe sich nicht über einen längeren Zeitraum abgespielt. Trotz dieses neuerlichen Geständnisses könne von Vergewaltigung keine Rede sein, zitiert Het Nieuwsblad Vangheluwe, der im Interview mit dem flämischen Fernsehsender VT4 erstmals seit dem Bekanntwerden und dem jahrelangen Schweigen über Pädophilie-Fälle in der Kirche öffentlich Stellung zu seinen Vergehen nahm. Im Leitartikel heißt es hierzu: Vangheluwe zeige sich nur emotional, wenn es um ihn gehe, alles andere lasse ihn kalt. Die weltfremde Kirche, so der Leitartikler in Het Nieuwsblad, die jahrzehntelang den Kindesmissbrauch stillschwieg und unter den Teppich kehrte, habe in Vangheluwe ihren besten Propheten.
… Sehr weit ging das nicht
Auch de Standaard hat einen Auszug aus dem Fernsehinterview Vangheluwes auf Seite 1 uns zitiert "Sehr weit ging das nicht, es war so etwas wie eine Beziehung. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich mein Neffe dagegen wehrte". Im Leitartikel heißt es in De Standaard, dass das Interview mit Roger Vangheluwe einem den Atem stocken lässt. Da spreche ein Mann ein Jahr nach seiner öffentlichen Beichte und habe anscheinend bis heute kein Verständnis für das Ausmaß seiner Vergehen. Völlig entspannt habe er im Interview gewirkt. Vangheluwe strahle eine deutliche und tragische Unfähigkeit aus, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Es müsse, so das Fazit des Leitartiklers, wohl ziemlich frostig in einer Kirche zugehen in der ein Mann wie Vangheluwe es bis zum Bischof bringt.
Schockierende Beichte
Auch für Gazet van Antwerpen ist das Interview des pädophilen Ex-Bischofs eine schockierende Beichte. Es sei für den Kirchenmann schwer verständlich, dass er in psychiatrische Behandlung soll. Er bezeichne sich selber nicht als pädophil und werde auch freiwillig nicht aus der Kirche austreten, zitiert die Antwerpener Tageszeitung Vangheluwe. Mit einem schweren Magen und einer Hühnerhaut, habe er das Interview mit Vangheluwe verfolgt, schreibt der Leitartikler van Gazet van Antwerpen und fragt sich, wie es sein könne, dass dieser Mann es wagt, im Fernsehen zu erscheinen. Auch im Ton habe sich der Ex-Bischof im TV-Interview vergriffen. Entspannt und mit einem Lächeln erzählte er - aus Frankreich zugeschaltet - und verharmlose und banalisiere seine Vergehen. Es sei besonders bedauerlich, dass er durch belgische Gerichte wegen der Verjährung seiner Vergehen nicht mehr belangt werden könne. Hoffentlich unternehme Rom etwas.
Vangheluwe ist krank
Vangheluwes TV-Interview sorgt auch in De Morgen für den Aufmacher. Wie einige andere Blätter druckt auch diese Zeitung das Interview integral ab. Auch hier geht der Leitartikler hart mit dem Ex-Bischof ins Gericht. Für den Kommentator ist nur ein Schluss zulässig: Vangheluwe ist ein kranker Mann, der nicht begreift, was er redet und der in keinster Form Reue für das Leid zeigt, das er verursacht hat. Vangheluwe sei der lebende Beweis dafür, dass es einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit gibt.
Kaum Reue
"Kaum Reue" ist dann auch die Balkenüberschrift auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws. Belgiens auflagenstärkste Zeitung druckt auch erste Reaktionen auf das TV-Interview. So zitiert das Blatt den heutigen Bischof von Brügge mit den Worten "Dies ist der Kirche nicht dienlich". Den ehemaligen Sprecher von Erzbischof Leonard zitiert Het Laatste Nieuws mit den Worten "solche Vergehen so herunterzuspielen löst Übelkeit aus." Auch der Leitartikler von Het Laatste Nieuws kann im Interview van Roger Vangheluwe keine Spur von Reue, ja nicht einmal einen Ansatz des Verständnisses erkennen. Aus Allem was Vangheluwe gestern erklärt habe klinge Überheblichkeit heraus.
Kein Schweigegeld gezahlt
Auch für Het Belang van Limburg schockierte der Ex-Bischof mit seinem Interview. Dieses Blatt hebt zudem die Aussage Vangheluwes hervor, einem seiner Missbrauchsopfer mehrere Millionen Franken zugesteckt zu haben. Diese Zuwendungen seien jedoch nicht als Schweigegeld zu betrachten. Schweigen, so meint der Leitartikler, solle Vangheluwe jetzt. In seinem Fall gelte mehr denn je: Schweigen ist Gold.
Aufnahmeprüfung in wallonischen Universitäten?
Die französischsprachigen Tageszeitungen widmen Vangheluwe weniger Aufmerksamkeit. la Libre Belgique macht heute mit der geplanten Aufnahmeprüfung wallonischer Universitäten auf. Diese Tests sollen nicht zum Ausschluss angehender Studenten führen, sondern deren Schwächen identifizieren und ausmerzen helfen.
Arabische Revolution
Le Soir widmet heute der Jugend und der Revolution in der arabischen Welt die Titelseite und eine ausführliche Berichterstattung. Das Blatt beleuchtet die Situation in Tunesien, Ägypten oder Libyen.
Griechenland beunruhigt erneut Finanzmärkte
Das Wirtschaftsblatt L‘Echo schließlich macht heute mit der Finanzsituation und der Staatsschuld Griechenlands auf. Die würden die Märkte erneut verängstigen und beunruhigen, meint L‘Echo.