"Ich habe noch nie so viel Unterstützung gespürt", titelt Het Laatste Nieuws. Das ist ein Zitat des "Belgiers des Jahres", den die Leser der Zeitung gekürt haben. Und dieser "Belgier des Jahres", das ist – nicht ganz überraschend – Bart De Wever. De Wever ist ja seit Anfang Februar der Premierminister dieses Landes. Und er hat dabei – nach einhelliger Meinung – eine recht gute Figur gemacht. "
Es war das Jahr von De Wever", schreibt auch Het Nieuwsblad. "Schritt für Schritt ist der flämische Separatist in die Rolle eines belgischen Staatsmannes hineingewachsen", meint das Blatt. "Ein Premier mit dem Auftreten eines Präsidenten", so formuliert es De Morgen. Denn De Wever habe das Land richtiggehend hinter sich vereint.
Politik ist die Kunst des Möglichen
"De Wever, unser Belgier des Jahres", das ist freilich keine Überraschung, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Und zugegeben: Es sind ja nur die Leser von Het Laatste Nieuws, die hier abgestimmt haben. Dennoch: Es wurden immerhin 310.000 Stimmen abgegeben. Das ist jetzt auch nicht nichts. In jedem Fall dürften das nicht ausschließlich N-VA Mitglieder sein. Selbst Menschen, die Bart De Wever bislang nicht wirklich in ihr Herz geschlossen hatten, dürften in den letzten zwölf Monaten doch mindestens Respekt für den Mann aufgebracht haben. Nach Jahrzehnten des Stillstands haben er und seine Equipe verkrustete Strukturen aufgebrochen. Und auf der internationalen Bühne hat De Wever in der Euroclear-Akte, in der er als krasser Außenseiter gegen europäische Schwergewichte antreten musste, überraschend den Sieg davongetragen. Damit scharte er sogar die Nation hinter sich. Am bemerkenswertesten ist aber zweifelsohne seine Wandlung vom flämischen Nationalisten zu einem belgischen Staatsmann.
Het Nieuwsblad sieht das ganz genauso. Die Metamorphose, die Bart De Wever innerhalb kürzester Zeit vollzogen hat, ist einfach nur verblüffend. Klar: Kritiker können ihm vorwerfen, dass er da opportunistisch eine 180 Grad-Kehrtwende hingelegt hat, um die ihn sogar der Formel-1-Rennfahrer Max Verstappen beneiden würde. Wer dagegen auf Realpolitik steht, der muss feststellen, dass De Wever nach der Wahl alles dafür getan hat, um seine Chance zu ergreifen. Und doch glaubt man manchmal seinen Ohren nicht zu trauen: "Es ist ein kompliziertes Land, aber es scheint zu funktionieren", erklärte De Wever gestern Abend im VTM-Fernsehen. Jemand, der für ein paar Monate im Ausland war, der dürfte sich die Augen gerieben haben. Der Premier hat sich offensichtlich die bekannte Maxime von Otto von Bismarck zu eigen gemacht: Politik, das ist die Kunst des Möglichen.
Eine Frage des Blickwinkels
Einige Blätter machen aber auch einen allgemeineren Rückblick auf 2025. "Die Brüsseler Börse erlebt ihr bestes Jahr seit Corona", titelt etwa De Tijd. Der BEL20-Index ist in den letzten zwölf Monaten um 19 Prozent gestiegen. Mit diesem Wachstum schlägt die Brüsseler Börse sogar die Wall Street.
"War 2025 ein gutes Jahr?", fragt sich auch rhetorisch das GrenzEcho in seinem Kommentar. Wer sich am Rhythmus der täglichen Nachrichten orientiert, der konnte leicht den Eindruck gewinnen: Es geht überall und gleichzeitig abwärts. Und doch gab es sie, die guten Nachrichten. Leiser, langsamer, weniger spektakulär. Die Energiewende macht Fortschritte; die Zerstörung von Wäldern geht zurück; in vielen Städten sank die Gewaltkriminalität, um nur einige Beispiele zu nennen. Außerdem ist alles eine Frage des Blickwinkels: Ein Jahr ist nicht nur das, was passiert. Es ist auch das, worauf wir schauen. Und wer genauer hinsieht, der entdeckt Bewegungen und Gestaltungswillen. Fazit: Es war vielleicht kein einfaches Jahr. Aber gemessen an dem, was wir hinter uns haben, war es eines, in dem mehr gelang, als viele wahrnehmen wollten.
"Das Wichtigste ist, niemals aufzugeben."
2025 war vielleicht nicht das Jahr der spektakulären Umbrüche, wohl aber der schleichenden Erosion, glaubt La Libre Belgique. Es ist vor allem das Vertrauen, das langsam abbröckelt. Populisten und Demagogen erkennen das, und springen mit beiden Füßen in die Bresche. Und das hat letztlich zur Folge, dass die Nuance auf der Strecke bleibt, übertönt von wütendem Gezeter und groben Vereinfachungen. 2026 muss denn auch das Jahr des politischen Mutes werden: Mut zur Wahrheit, die auch klar benannt werden muss, selbst wenn sie schmerzhaft ist; Mut zu den entsprechenden Entscheidungen, selbst wenn sie unpopulär sind; Mut zum Kompromiss, denn die Radikalisierung der Standpunkte vergiftet die öffentliche Debatte; Mut vor allem zur Resilienz, denn Resignation ist keine Option.
Le Soir gibt drei Ratschläge, die dabei helfen sollen, gut durch das Jahr 2026 zu kommen. Erstens sollten wir unsere Werte hochhalten und uns nicht von den scheinbar einfachen Lösungen und falschen Feststellungen der Populisten leiten lassen. Das setzt voraus, dass man sich in erster Linie auf gesicherte Fakten stützt. Der zweite Ratschlag klingt womöglich etwas simpel: Jeder muss eigentlich nur seinen Job machen. Gemäß der Berufsethik und vor allem im Sinne des Rechtsstaates. Nach dem Vorbild all der Richter, Professoren, Journalisten und Künstler, die sich etwa Trump entgegenstellen, auf die Gefahr hin, alles zu verlieren. Und drittens müssen wir unsere Begeisterungsfähigkeit behalten. Wir dürfen das Staunen nicht verlernen, die Entzückung angesichts all der schönen Dinge, die ja nicht über Nacht verschwunden sind. Ohne Begeisterung macht sich Pessimismus breit, Desillusion, Verzweiflung, Resignation. Dabei können selbst die kleinen Dinge des Lebens doch so entzückend sein. Wie sagte es bereits der britische Physiker Stephen Hawking: "Das Wichtigste ist, niemals aufzugeben."
Roger Pint